Schiffweiler ist ein kleiner Ort mitten im Saarland. Seit 1766 bestimmte hier die Steinkohle das Leben. Das hat sich 1995 abrupt geändert. Denn in diesem Jahr hat die RAG die Zeche Landsweiler-Reden in Schiffweiler dichtgemacht.
Der Bergbau erhöhte über die Jahrhunderte nicht nur das Einkommen der Gemeinde, sondern auch die Kohlehalde Brönnchesthal im Ortsteil Landsweiler. Sie prägte das Ortsbild immer deutlicher. Neben dieser Halde ist noch ein sogenannter Absinkweiher angelegt. Schon seit vielen Jahrzehnten pumpen die Bergleute das trübe Abwasser aus der 100 Meter weit weg liegenden Kohlegrube dort hinein. Mit der Zeit setzten sich die festen Bestandteile des Abwassers am Boden ab. Das so geklärte Wasser wurde über Sammelkanäle abgezogen und wiederverwendet. Auf diese Weise füllte sich der Absinkweiher mit festem Material.
Den Boden analysieren
Insgesamt 15 Hektar fester Grund sind über die Jahre zusammengekommen. Das sind aber auch 15 Hektar Boden, der nur schwer rekultivierbar ist. Denn so ein Absinkweiher birgt riesige Umweltprobleme. „Schließlich weiß niemand, wie der Boden genau zusammengesetzt ist“, sagt Steffen Steinel, als Vertriebsleiter bei Wirsol für das Solarparkgeschäft zuständig. „Der Boden eines solchen Absinkweihers enthält nicht nur Steinkohle, sondern auch andere chemische Stoffe.“
Wirsol hat auf dem ehemaligen Absinkweiher in Brönnchesthal im Jahr 2013 einen Solarpark errichtet. Er war eines der ersten Projekte, die der Projektierer aus dem badischen Waghäusel zusammen mit der RAG Immobilien AG gebaut hat.
Das Areal gehört zu einer ganzen Reihe von Flächen und Gebäuden der RAG, die die Immobilientochter des einst größten Arbeitgebers in Schiffweiler nach dem Ausstieg aus der Steinkohleförderung übernommen hat. „Das sind ganz verschiedene Flächen, die auch über Tage für den Kohleabbau genutzt wurden“, erklärt Gernot Pahlen, Projektleiter bei der RAG Montan Immobilien und einer der Geschäftsführer der Montan Solar. Letztere ist ein Gemeinschaftsunternehmen zwischen der RAG Montan Immobilien und Wirsol, die eigens für den Bau von Solaranlagen auf den einstigen RAG-Flächen gegründet wurde.
Unterschiedlich genutzt
Der RAG Montan Immobilien stehen etwa 12.000 Hektar solcher einstiger Bergbauflächen zur Verfügung. Davon sind inzwischen gut 67 Hektar mit insgesamt 13 Solarparks mit einer Gesamtleistung von 35,45 Megawatt bebaut. „Neben den ehemaligen Betriebsflächen gehören auch Kokereiflächen oder Areale für die Kohlelagerung und Absetzbecken dazu”, sagt Gernot Pahlen. „Unsere Aufgabe ist es, diese Flächen so zu sichern, dass von ihnen keine Gefahr für Menschen und Natur ausgeht, und Nachnutzungskonzepte zu erstellen und umzusetzen. Für eine solche Folgenutzung kommen verschiedene Varianten in Betracht. Das kann die Errichtung von Windkraft- und Photovoltaikanlagen sein. Sie können aber auch im Rahmen einer Stadtentwicklung mit Gewerbe- oder Wohnhäusern bebaut werden.“
Inzwischen haben die Projektierer von Wirsol viel Erfahrung gesammelt, wie solche Anlagen umzusetzen sind und welche Herausforderungen es dabei gibt. Denn so einfach ist das meist nicht. Die Nachnutzung solcher Flächen kann nämlich erst konkret werden, wenn sie aus dem Bergrecht entlassen sind.
Rammen oder betonieren?
Doch selbst dann sind noch umfangreiche Vorbereitungen notwendig. „Vor dem Bau eines Solarparks auf einer solchen Fläche müssen wir eine genaue Analyse der chemischen Zusammensetzung des Bodens anfertigen“, sagt Steffen Steinel von Wirsol. „Dabei geht es darum, wie säurehaltig, alkalisch oder schwefelhaltig der Boden ist und welche Stoffe noch darin enthalten sind.“ Denn diese können die Pfosten des Montagegestells angreifen.
Das Ergebnis dieser Analyse ist die Grundlage für die Entscheidung, ob die Montagepfosten einfach eingerammt werden können. „Wenn das die chemische Analyse nicht zulässt, müssen die Pfosten entweder mit einen Kunststoffüberzug versehen werden“, weiß Steinel. „Oder im Extremfall müssen wir vorbohren und für jeden Pfosten ein Betonfundament gießen.“ Solche Extramaßnahmen treiben den Preis für die Anlagen natürlich in die Höhe.
Extrem harter Untergrund
Mit solchem Mehraufwand müssen die Projektierer bei jeder neuen Anlage rechnen, die sie für Montan Solar planen. Das hat sich schon beim Bau der ersten Anlage auf einer ehemaligen Fläche des Steinkohlebergbaus im Saarland gezeigt. Diese steht seit September 2012 auf den Übertageflächen der Grube Mellin am Rande von Sulzbach.
Nur der Untergrund, auf dem die Modultische stehen, erinnert noch daran, dass hier die Steinkohle einst das Leben und die Wirtschaft bestimmte. Denn dieser ist ebenso schwarz wie die Kohle selbst, die früher auf dem 19,5 Hektar großen Areal abgelagert wurde. In drei Abschnitten hat Montan Solar die gesamte Fläche mit Solarmodulen bebaut.
Das war gar nicht so einfach. Denn das vorher hier deponierte Nebengestein aus dem Bergbau, auf dem die Kohle gelagert wurde, war über die Jahrzehnte so verdichtet, dass ein extrem harter Untergrund entstand. Das stellte die Projektierer gleich vor zwei Probleme. Zunächst mussten sie sich Gedanken über ein Entwässerungskonzept machen, um die Standfestigkeit der Unterkonstruktion dauerhaft zu gewährleisten. Dazu hat Wirsol vor dem Bau der Anlage noch ein umfangreiches Entwässerungssystem angelegt, über das das anfallende Regenwasser abläuft.
Geologie untersucht
Danach stellte sich die Frage, ob man die Pfosten einfach einrammen kann oder ob sie in Betonfundamente gestellt werden müssen. Deshalb mussten umfangreiche Proberammungen stattfinden. Dabei wurden einige Gestellpfosten eingerammt und wieder herausgezogen. Über die benötigten Kräfte, um die Pfosten wieder herauszuziehen, können die Projektierer bestimmen, ob und wie tief sie rammen können.
Dazu kam noch ein geologisches Gutachten. Denn die Fläche ist teilweise abschüssig und es musste erst geklärt werden, ob sich der Hang noch bewegt. Aber das sind Herausforderungen, mit denen alle Projektierer kämpfen müssen, die Generatoren in Hanglagen bauen.
Brandgutachten erstellen
Es stellte sich heraus, dass die Beschaffenheit des Untergrunds ausreichte, um die Pfosten für die Modultische mit einer Ramme in den Boden zu treiben. Zwar musste Wirsol dafür schweres Gerät auffahren. Es ist aber immer noch billiger und geht schneller, als wenn die Monteure Fundamente hätten anlegen müssen. Zudem hat das Kohlelager einen eigenen Bahnanschluss und eine Straße, die für Schwerlastverkehr ausgelegt ist. So war es kein Problem, die schweren Rammen zum Bauplatz zu transportieren.
Ein dritter, zusätzlicher Planungsschritt war ein Brandgutachten, das die Projektierer mit der Feuerwehr zusammen angefertigt haben. Ein solches ist obligatorisch, wenn es sich um ehemalige Kohlelager handelt. Denn noch immer schwebt im trockenen Sommer der Kohlestaub in der Luft und der ist leicht brennbar. „Wenn die Behörden danach Auflagen machen, dann müssen wir in den Solarpark eine Brandabschaltung einbauen”, weiß Steffen Steinel.
Ausstieg hat Spuren hinterlassen
Ganze zwei Jahre hat es gedauert, bis die gesamte Anlage am Netz war. Zur Einweihung kam sogar der damalige saarländische Wirtschaftsminister Heiko Maas aus Saarbrücken angereist. Seine Nachfolgerin Anke Rehlinger musste sich bei einer ähnlichen Zeremonie in Brönnchesthal gelbe Gummistiefel überstreifen. Eine Geste, die Signale setzen soll.
Schließlich ist das Saarland wirtschaftlich hart getroffen vom Ausstieg aus der Steinkohle. Auch in Nordrhein-Westfalen, wo die RAG ebenfalls das schwarze Gold aus der Erde schürfen ließ, ist die Ära der Steinkohle nicht spurlos zu Ende gegangen. Da müssen Nachfolgekonzepte für die Flächen her, die wieder Geld in die Kassen spülen. Schiffweiler verlor mit dem Niedergang des Bergbaus seinen größten Arbeitgeber. Inzwischen arbeiten die Menschen in anderen Orten. Die fehlenden Gewerbesteuereinnahmen machen der Gemeinde schwer zu schaffen.
Ein fantastisches Raumgefühl
Inzwischen ist das ehemalige Bergbaugelände im Ortsteil Landsweiler-Reden ein Erlebnisort mit verschiedenen Ausstellungen und Attraktionen, der Touristen anlocken soll. Ein vielversprechendes Beispiel, wie der Strukturwandel weg vom Kohlebergbau hin zu einer Alternative gelingen kann, setzt die RAG Montan Immobilien derzeit in Dinslaken um.
Am Rande der Stadt am Nordrand des Ruhrgebiets wurde seit 1907 Steinkohle gefördert. Doch diese Zeit ist längst vorbei. Fast 100 Jahre nach der Inbetriebnahme gingen in der Zeche Lohberg die Lichter aus.
Seit mehreren Jahren ist aber wieder Leben in das Areals eingekehrt. Hier wird derzeit fleißig gebaut und die Bestandsgebäude, zu denen auch eine riesige Kohlenmischhalle gehört, suchen eine neue Bestimmung. „Wir prüfen derzeit verschiedene Nutzungskonzepte“, erklärt Bernd Lohse, Projektleiter bei RAG Montan Immobilien.
Nutzungsvarianten prüfen
Er leitet die Umsetzung der Pläne für das Kreativquartier Lohberg (KQL), das hier entsteht. „Für die Kohlenmischhalle haben wir ein Angebot eines Recyclingunternehmens, das wir aber nicht weiterverfolgen, da sie dafür zu schade ist. Denn sie vermittelt ein fantastisches Raumgefühl und ist bestens als Veranstaltungsort geeignet.“
Die Halle ist mit ihren 210 Metern Länge und 65 Metern Breite riesig. Das Gebäude steht auf über 70 Leimbindern. Diese dicken Holzträger ragen bis in eine Höhe von 38 Metern und bilden die Grundkonstruktion der Halle. Sie sind im unteren Viertel abgerundet.
1,8 Megawatt fürs neue Quartier
Nach oben hin laufen sie gerade zusammen. Auf diese Weise erhält das Gebäude seinen zwiebelförmigen Querschnitt. Einst wurde hier Steinkohle zwischengelagert und durch die gezielte Mischung eine konstante Qualität gewährleistet. Das ist lange her. Vor zehn Jahren wurde hier die letzte Kohle abtransportiert.
Seit Dezember 2016 liefert die Halle sauberen Solarstrom für das KQL. Denn Wirsol hat sie nach der Grundsanierung komplett mit Photovoltaikmodulen bestückt. Auf dem riesigen Dach finden Module mit einer Gesamtleistung von 1.812 Kilowatt Platz. Den erzeugten Strom verbrauchen Unternehmen und Haushalte, die sich auf der einstigen Bergbaufläche rund um die Kohlenmischhalle ansiedeln.
Damit ist das Projekt in Lohberg ist eine perfekte Synthese aus Stromerzeugung mit Solaranlagen und der Entwicklung eines ganz neuen Stadtteils, ein lebendiges Vorzeigeobjekt der Energiewende.
Grubenwasser wird Wärmequelle
In Zukunft wird die Solaranlage zusammen mit einigen Windkraftanlagen, einem Biomassekraftwerk und zwei Blockheizkraftwerken die komplette Energieversorgung des KQL übernehmen. Letztere werden natürlich mit Bio- und mit Grubengas betrieben.
Dazu könnten in Zukunft noch Geothermieanlagen kommen, die das nach oben gepumpte Grubenwasser aus den ehemaligen Schächten als Wärmequelle nutzen. Das kommt immerhin mit einer Temperatur von etwa 25 Grad Celsius an der Oberfläche an.
Mit Ökostrom pumpen
Das Abpumpen des salzhaltigen Grubenwassers ist eine Ewigkeitsaufgabe, die die RAG Aktiengesellschaft übernehmen muss. Es darf sich nicht mit dem Grundwasser mischen, das Trinkwasserqualität behalten muss. Deshalb wird der Grubenwasserspiegel auf einer Tiefe von 600 Metern gehalten, indem täglich etwa 120 Kubikmeter Wasser aus den Schächten gepumpt werden.
Auch in Lohberg steht eine dieser Pumpenstationen der RAG. „Es hat mich immer geärgert, dass wir für diese Aufgabe im Grunde so viel Kohleenergie wieder hineinstecken müssen, wie wir an dieser Stelle mit der Steinkohle aus der Erde geholt haben“, sagt Bernd Lohse. „Für mich ist es jetzt eine große Genugtuung, dass wir das in Zukunft mit regenerativer Energie machen können.“ Denn die Pumpen werden in Zukunft mit vor Ort produziertem Solar- und Windstrom betrieben.
Von Vergütung abhängig
Das klappt nicht immer. Denn die bisher errichteten Solarparks stehen weitab von Verbrauchern. Der Strom wird komplett ins Netz eingespeist. Damit sind solche Anlagen abhängig von einer Vergütung, die es inzwischen nur noch über Ausschreibungen gibt. „Denn es ist immer nicht ganz so einfach, direkte Stromlieferverträge abzuschließen“, sagt Gernot Pahlen.
In den Ausschreibungen haben die Konversionsflächen der RAG Montan Immobilien aber kaum eine Chance gegen die preiswert zu entwickelnden Ackerflächen. Die Kosten für den Aufwand, die Flächen vorher zu prüfen, zu sanieren und eventuell Sonderlösungen zu entwerfen, sind dafür einfach zu hoch.
Begrenzte Flächenkulisse
Deshalb hat Montan Solar seine jüngsten Projekte in Bottrop und im Saarbrücker Stadtteil Jägersfreude mit einer Leistung von 750 Kilowatt gebaut. „Wir prüfen, ob wir die großen Flächen wirtschaftlich in mehreren Bauabschnitten bebauen können“, sagt Pahlen.
Doch inzwischen hat RAG Montan Immobilien ohnehin nicht mehr so viele Flächen für Solaranlagen vorgesehen. Gernot Pahlen geht von etwa 15 Arealen aus, die dafür infrage kommen. „Andere Flächen eignen sich für höherwertige Nutzung wie etwa den Bau von Wohn- oder Gewerbegebieten“, sagt er. „Diese Flächen bebauen wir natürlich nicht mit Solaranlagen. Dazu kommt noch, wie viele Ausgleichsmaßnahmen anfallen und wie die Verschattung der Fläche aussieht. Wenn man diese Faktoren alle miteinbezieht, bleibt nur eine begrenzte Flächenkulisse übrig.“
Das Unternehmen hat längst in die Zukunft und über die Grenzen nach Lothringen geschaut. „Dort gibt es ähnliche Flächen aus der einstigen Kohleförderung“, weiß Pahlen. „Wir merken, dass wir als RAG ein gutes Image dort haben. Schließlich haben wir gezeigt, dass wir mit solchen Flächen gut umgehen können.“
Flächen in Frankreich gefunden
So hat Montan Solar in Frankreich zwei Ausschreibungen für Solarparks gewonnen. Zusammen mit dem französischen Projektierer Luxel werden sie auf dem Plateau einer 80 Meter hohen Kohlehalde in Lothringen gebaut.
In den Gemeinden Forbach und Petite-Rosselle entstehen so Solarparks mit einer Gesamtleistung von 34 Megawatt. Auf diese Weise bleiben die Areale für die Stromerzeugung erhalten – auch ohne die Steinkohle.
RAG
Ein Zeitalter geht zu Ende
Mit großem Bahnhof hat sich der deutsche Steinkohlebergbau verabschiedet. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet hat es sich nicht nehmen lassen, Mitte September 2018 zusammen mit dem Chef der RAG-Stiftung Bernd Tönjes und mit Kumpels die letzte Fahrt in die Grube Prosper-Haniel zu unternehmen. Das Bergwerk in Bottrop ist das letzte, das bis dahin noch in Betrieb war. Auch jetzt wird hier die Steinkohleförderung eingestellt.
Inzwischen sind auch die Subventionen für die deutsche Steinkohleförderung komplett eingestellt. Zwischen 1974 und 1995 wurde diese mit dem Kohlepfennig gestemmt. Jeder Stromkunde musste einen Pfennig pro Kilowattstunde für die Subventionierung der Steinkohle an Saar und Ruhr berappen. Die Abschaffung entsprang aber nicht der Einsicht der damaligen Großen Koalition unter Helmut Kohl, sondern geht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994 zurück. Die Karlsruher Richter stuften ihn als verfassungswidrige Sonderabgabe ein.
Danach wurde die Steinkohle mit Mitteln aus dem Bund und des Landes Nordrhein-Westfalen bezahlt, um Massenentlassungen zu verhindern. Seither hat der Bund 43,8 Milliarden Euro allein in die Subventionierung der Steinkohleförderung gesteckt. Weitere 8,8 Milliarden Euro flossen aus Düsseldorf in die Steinkohle.