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Langsam aus dem Tal

Auch der Schweizer Photovoltaikmarkt hatte, wie die Märkte anderer europäischer Länder, zuletzt einen Dämpfer erfahren: Der Zubau ging 2016 gegenüber dem Vorjahr um rund einen Fünftel auf noch 250 Megawatt Leistung zurück.

Doch im Mai 2017 geschah Aufsehenerregendes: Das Volk war aufgerufen, zur Energiestrategie 2050 – der Schweizer Variante der Energiewende – in einer Abstimmung Stellung zu beziehen. Und es stimmte zu 58 Prozent mit Ja für die Vorlage. Womit das Terrain geebnet war für die erneuerbaren Energien und insbesondere den neuerlichen Aufschwung der Photovoltaik, deren durchschnittlicher Ertrag pro Quadratmeter bei über 1.000 Kilowattstunden pro Jahr liegt.

So richtig abgehoben hat die Branche zwar noch nicht wieder, wie die diesjährige Tagung Ende April in Bern zeigte – trotz verbreiteten Optimismus. Die Zubauzahlen für 2017 sind noch nicht verfügbar.

Aber sie dürften sich auf dem erwähnt tiefen Niveau von 2016 zwischen 250 und 270 Megawatt gehalten haben. Das entspricht einem Solaranteil am Strommix von rund drei Prozent. Allerdings gibt es Absichtserklärungen für größere neue Anlagen, die unterdessen vielerorts schon zu hören sind.

Klärungsbedarf beim Eigenverbrauch

Eigenverbrauch heißt das Zauberwort, wobei die amtsdeutsche Fassung „Zusammenschluss für den Eigenverbrauch“ oder kurz ZEV lautet. Dies macht die Sachlage deutlich. Denn beim Einfamilienhaus war Eigenverbrauch in begrenztem Umfang schon bislang verbreitet. Neu soll nun der in einer lokalen, größeren Liegenschaft selbst erzeugte Solarstrom allen Ansässigen, häufig damit auch Mietern, direkt zur Verfügung stehen – ohne dass sie Leitungsgebühren berappen müssen. Da diese Absicht viele rechtliche Probleme und Klärungsbedarf nach sich zieht, hat sich der Solarfachverband Swissolar mit weiteren Betroffenen zusammengesetzt und einen Leitfaden erarbeitet.

Brisant ist die Angelegenheit, weil etwa Immobilien von Genossenschaften nicht immer ein einheitliches Ganzes mit zusammenhängendem Territorium bilden. Sie werden zum Beispiel durch öffentliche Straßen durchschnitten, bilden gemäß Leitfaden dennoch eine Einheit und können entsprechend als Eigenverbrauchsgemeinschaft betrieben werden. Der wirtschaftliche Nutzen ergibt sich nicht nur aus den gegenüber dem vom Netz bezogenen Strom günstigeren Kosten des Solarstroms. In der Schweiz ist vielmehr der Markt noch nicht vollständig liberalisiert, und nur Bezieher ab jährlich 100 Megawattstunden können die Lieferanten frei wählen und von günstigeren Preisen profitieren. Eine Eigenverbrauchsgemeinschaft mit mehreren Dutzend Wohnungen erreicht diese Bezugsgröße in der Regel und fährt also gleich nochmals günstiger im Fall des Stroms, der trotz Solaranlage aus dem Netz bezogen werden muss.

Ziel: 17 Terawattstunden bis 2035

Roger Nordmann, dem Präsidenten von Swissolar, war es vorbehalten, an der Tagung die Zukunftsaussichten der Branche zu skizzieren. Basis solcher Überlegungen ist immer auch die Einsicht, dass die Entwicklung sowohl der Solartechnologie wie auch der wirtschaftlichen Potenziale in der Vergangenheit eigentlich immer unterschätzt wurde. Das gilt bekanntermaßen für die Internationale Energieagentur (IEA), aber letztlich auch für nationale Verbände und Unternehmen.

Gemäß Nordmann wollten gegnerische Kreise noch vor wenigen Jahren weismachen, dass Photovoltaik niemals relevante Strommengen erzeugen könne. Unter anderem behauptete das einst auch Heinz Karrer, heute als Präsident von Economiesuisse der oberste Wirtschaftslobbyist der Schweiz und früher CEO von Axpo, einem der größten hiesigen Energiekonzerne. Bestritten wurden auch die erreichbare Wirtschaftlichkeit sowie die ökologisch positive Bilanz der Solarmodulherstellung.

Doch heute sieht sich die Strombranche gemäß Nordmann einer anderen Herausforderungen gegenüber: dem Klimawandel. Aus dieser Bedrohung ergibt sich die eigentliche Mission der Photovoltaik, die Dekarbonisierung der Energiegewinnung. Das benötigte technische Potenzial bietet unter Schweizer Bedingungen einzig eben diese.

Während die Gewinnung von Wasserkraft an ihre Grenzen stößt. Weil sich der Dekarbonisierungs-Imperativ stets auf die gesamte Energieerzeugung bezieht, gilt es, Visionen zur Entwicklung in den Bereichen Mobilität und Wärmeerzeugung einzubeziehen – was zwingend zu einem massiven Ausbau der Photovoltaik führen muss. Nordmann beziffert den diesbezüglichen Schweizer Ausbaupfad bis ins Jahr 2035 auf 17 Terawattstunden – angesichts der vorhandenen Gebäude- und Fassadenflächen kein unrealistisches Unterfangen.

Gewinner des Becquerel-Preises

Dass die Schweiz in Bezug auf die Solarenergie durchaus gut unterwegs ist, machte auf der Tagung in Bern auch ein Blick auf die intensiven Forschungsanstrengungen und bereits erzielte Resultate klar.

Sie personifizieren sich in den beiden letzten Gewinnern des Becquerel-Preises, die beide aus der Schweiz stammen: Christophe Ballif forscht am CSEM in Neuenburg zur Leistungsgrenze von Solarmodulen und nannte eine ganze Reihe von Gründen für den anhaltenden technologischen Aufschwung der Branche. Dazu zählt etwa der Durchbruch bei den sogenannten Perc-Zellen, zu dem neben den Hochschulen auch die Firma Meyer Burger wesentlich beitrug.

Der andere Preisträger, Stefan Nowak, Vorsitzender des PVPS-Programm der IEA, verwies als Mitorganisator der Tagung auf den weltweit erreichten jährlichen Zubau an Solarkapazität von 100 Gigawatt sowie die eindrückliche Preisreduktion der Zellen. Eine Entwicklung, die auch dem Schweizer Solarmarkt den nötigen Schub verleihen wird.

www.swissolar.ch

Der Autor

Guntram Rehsche

ist Ökonom und Journalist in Zürich mit eigenem Beratungsbüro für Finanzen, Medien und Umwelt. Er verfolgt seit Jahren die Entwicklung der solaren Weltwirtschaft und betreibt den Blog Solarmedia.

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