Seit 2009 können Betreiber von neuen PV-Anlagen bis 30 Kilowatt ihren Solarstrom selbst verbrauchen und dafür eine Vergütung erhalten. Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben am 1. April 2009 ihre Verwaltungsauffassung zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung dieses Selbstverbrauchs veröffentlicht. An diese Verwaltungsauffassung sind die Finanzämter gebunden. Rein ergebnisorientiert betrachtet hat das Bundesfinanzministerium (BMF) eine Verwaltungsregelung veröffentlicht, die einerseits den Verwaltungsvollzug erleichtert und andererseits für die Beteiligten – Anlagenbetreiber und Netzbetreiber – unschwer anwendbar sein dürfte. Das dieser Regelung zugrunde liegende Konstrukt von Lieferung und Rücklieferung ist jedoch nicht unumstritten. Zudem werden durch die Verwaltungslösung diejenigen Anlagenbetreiber keinen Selbstverbrauch ihres selbst erzeugten Solarstroms tätigen, die den dafür vorgesehenen Strom günstiger als 18 Cent pro Kilowattstunde einkaufen können. Die Finanzbehörden gehen davon aus, dass umsatzsteuerrechtlich die gesamte vom Anlagenbetreiber aus solarer Strahlungsenergie erzeugte Elektrizität an den Netzbetreiber geliefert wird. Dies soll unabhängig davon gelten, wo der solar erzeugte Strom tatsächlich verbraucht wird. Aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht sind mehrere Punkte dieser Verwaltungsauffassung fraglich. Dieser Text widmet sich der Frage, ob die Würdigung der Verwaltung zu Lieferung und Rücklieferung vertretbar ist.
Das EEG legt die Basis
Für eine umsatzsteuerrechtliche Beurteilung sind die einschlägigen Regelungen im EEG wichtig; entscheidenden Stellenwert haben die Punkte, die Anlagenbetreibern und Netzbetreibern Rechte und Pflichten zuweisen. Nach Paragraf 5 Absatz 1 EEG sind Netzbetreiber verpflichtet, Photovoltaikanlagen unverzüglich vorrangig an ihr Netz anzuschließen (Verknüpfungspunkt). Diese Anschlussverpflichtung existiert unabhängig davon, was der Anlagenbetreiber tatsächlich mit seinem solar erzeugten Strom tun wird. In den Paragrafen 16 Absatz 4 und 17 EEG ist abschließend aufgeführt, was er damit tun darf. Danach hat er den gesamten Solarstrom, der nicht von ihm selbst oder einem Dritten außerhalb eines Netzes für die allgemeine Versorgung verbraucht wird („vorhandene Restmenge“), in das Netz einzuspeisen und dem Netzbetreiber zur Verfügung zu stellen. Zudem hat er die Möglichkeit der Direktvermarktung seines Solarstroms. Der Anlagenbetreiber hat also einen gesetzlich festgelegten Dispositionsrahmen: Einspeisung, Selbstverbrauch, Überlassung an einen Dritten für Verbrauchszwecke außerhalb eines Netzes für die allgemeine Versorgung oder Direktvermarktung.
Die Abnahmemenge des Solarstroms durch den Netzbetreiber hängt also von der Entscheidung des Anlagenbetreibers ab. Folgerichtig verpflichtet Paragraf 8 Absatz 1 EEG daher den Netzbetreiber nur insoweit, als ihm Strom vom Anlagenbetreiber angeboten wird. Die Verwaltung geht aber davon aus, dass der Anlagenbetreiber seinen gesamten Solarstrom an den Netzbetreiber liefert. Zweifelsohne ist das oft auch tatsächlich der Fall (Einspeisefälle) – nicht aber beim Selbstverbrauch. Problem: Für die Verwaltung existiert keine „vorhandene Restmenge“ Strom für Einspeisezwecke (Mischfälle). Würde der Anlagenbetreiber gar seinen Solarstrom komplett selbst verbrauchen, verbliebe für Einspeisezwecke eine Restmenge von null (Selbstverbrauchsfälle).
Wer verfügt über den Strom?
Umsatzsteuerrechtlich liegt eine Lieferung vor, wenn der Anlagenbetreiber dem Netzbetreiber die Verfügungsmacht an seinem Solarstrom verschafft. Diese Verschaffung der Verfügungsmacht beinhaltet den von den Beteiligten endgültig gewollten Übergang von wirtschaftlicher Substanz, Wert und Ertrag des Solarstroms vom Leistenden (Anlagenbetreiber) auf den Leistungsempfänger (Netzbetreiber). Der Abnehmer (Netzbetreiber) muss faktisch in der Lage sein, mit dem vom Anlagenbetreiber solar erzeugten Strom nach Belieben zu verfahren, insbesondere ihn wie ein Eigentümer nutzen und veräußern zu können. Ein von den Beteiligten gewollter Übergang des Solarstroms setzt bei Netzbetreiber und Anlagenbetreiber einen Leistungswillen voraus.
Dem Anlagenbetreiber werden, wie bereits erwähnt, verschiedene Möglichkeiten für die Verwendung seines Solarstroms angeboten. Somit kann er jeweils selbst frei entscheiden, wie er seinen Solarstrom tatsächlich verwenden will. Die jeweilige Entscheidung des Anlagenbetreibers ist objektiv messbar und demzufolge für die Steuerverwaltung auch bewertbar. Entscheidet sich der Anlagenbetreiber zum Beispiel für den Selbstverbrauch seines Solarstroms, gelangt dieser physisch nicht in das Netz. Denn er wird nach seiner photovoltaischen Erzeugung und eventuellen Zwischenspeicherung in den Verbrauchsstellen des Anlagenbetreibers – also körperlich im Eigentumsbereich des Anlagenbetreibers – verbraucht. Die zivilrechtliche Eigentumsgrenze – die Panzersicherung seines Hauses – kann der für den Selbstverbrauch bestimmte und tatsächlich dort auch selbst verbrauchte Strom nicht verlassen. Dieser Strom(-anteil) bleibt daher im Herrschaftsbereich des Anlagenbetreibers.
Der Netzbetreiber hingegen hat keine Dispositionsmöglichkeit: Er muss die ihm angebotene Strommenge abnehmen und vergüten. Sein Leistungswille ist sozusagen gesetzlich vorgegeben. So spricht gegen eine Lieferung, dass der Anlagenbetreiber im Falle seines Selbstverbrauchs seinen Leistungswillen eben auf den Selbstverbrauch gerichtet hat. Er will diesen Strom(-anteil) dem Netzbetreiber nicht gesondert zum Kauf anbieten, sondern er wird seine Entscheidung zum Selbstverbrauch je nach „Stromabnehmersituation“ in seinem Eigentumsbereich – zumindest aber außerhalb des Netzbereiches – fällen. Zudem wird er die Strombezugspreise am Markt beobachten: Je mehr diese ansteigen, desto mehr seines Solarstroms wird er selbst verbrauchen wollen. Das Ergebnis seiner jeweils getroffenen Entscheidungen ist kontinuierlich an den Zählern ablesbar.
Faktisch keine Lieferung
Außerdem spricht gegen eine Lieferung, dass der Strom zeitlich und physisch bereits im Eigentumsbereich des Anlagenbetreibers verbraucht wurde, bevor er ins Netz gelangen könnte. Der Netzbetreiber ist also faktisch nicht dazu in der Lage, den physisch bereits verbrauchten Solarstrom wie ein Eigentümer zu nutzen und (an Dritte) zu veräußern. Die Verfügungsmacht an dem Wirtschaftsgut Strom kann daher nicht im Wege einer Lieferung des Anlagenbetreibers an den Netzbetreiber übertragen werden.
Falls die Steuerverwaltung die Konstruktion einer Lieferung mithilfe der Auslegung des Zivilrechts (BGB) begründet haben sollte, bestehen für den hier zu behandelnden Sachverhalt allein aus der Systematik des in der Europäischen Union harmonisierten Umsatzsteuerrechts dagegen Bedenken. Das Zivilrecht ist nicht maßgebend für die Auslegung des geltenden Umsatzsteuerrechts. Es kennt die Begriffe Lieferung und Rücklieferung nicht; es kennt in diesem Zusammenhang nur die Übertragung von Eigentum. Die Begriffe Lieferung und Rücklieferung sind einzig und allein nach den Regelungen des harmonisierten Umsatzsteuerrechts auszulegen. Die nach den unterschiedlichen Gesetzen auszulegenden Begriffe „Übertragung von Eigentum“ (Zivilrecht) und „Verschaffung der Verfügungsmacht“ (Umsatzsteuerrecht) können zwar zu denselben Ergebnissen führen, müssen es aber nicht. Bei abweichenden Ergebnissen ist allein das Umsatzsteuerrecht maßgebend.
Der Verwaltungsauffassung „Lieferung des selbst verbrauchten Stroms“ könnte nur dann gefolgt werden, wenn dafür eine spezielle vertragliche Regelung zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber vorläge. Separate Vereinbarungen zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber über den Selbstverbrauch von Solarstrom sind jedoch nicht bekannt. Zusammenfassend betrachtet liegen daher keine aus umsatzsteuerlicher Sicht stichhaltigen Begründungen für die Annahme einer Lieferung des Anlagenbetreibers in Bezug auf den für seinen Selbstverbrauch bestimmten Strom(-anteil) vor.
Könnte umsatzsteuerrechtlich in dem Selbstverbrauch von Solarstrom statt einer Lieferung eine sonstige Leistung des Anlagenbetreibers in seiner „Unterlassenshandlung“, dem „Verzicht auf Einspeisung“, angenommen werden? Zumindest war die Schonung des Netzes eine Intention des Gesetzgebers für die Schaffung des Paragrafen 33 Absatz 2 EEG. Umsatzsteuerrechtlich kann der Verzicht auf die Ausübung einer Tätigkeit in der Tat eine sonstige Leistung sein. Die Einspeisung von Elektrizität ist zweifelsohne als Ausübung einer Tätigkeit anzusehen. So ist es vertretbar, das Unterlassen dieser Tätigkeit als sonstige Leistung zu beurteilen.
Sonstige Leistung?
Für die Annahme einer sonstigen Leistung spricht, dass der Anlagenbetreiber seine Willensentscheidung über die Verwendung seines Solarstroms für seinen Selbstverbrauch durch konkludentes – eine ohne Erklärung, aber durch schlüssiges Verhalten abgegebene Willensbekundung – Handeln trifft. Der Annahme einer sonstigen Leistung im Sinne des harmonisierten Umsatzsteuerrechts steht nicht entgegen, dass der Leistungsempfänger (Netzbetreiber) keinen Vorteil zur eigenen Verwendung erhalten hat. Ferner besteht der umsatzsteuerrechtlich erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen dem Verzicht auf die Einspeisung und der gesetzlich festgelegten Vergütung. Die sonstige Leistung erfolgt somit gegen Entgelt.
Zusammenfassend betrachtet spricht umsatzsteuerrechtlich daher vieles dafür, den „Verzicht auf Einspeisung“ durch Selbstverbrauch des Solarstroms als sonstige Leistung zu beurteilen. Diese Unterlassungshandlung ist zudem auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet, da der Netzbetreiber die gesetzlich vorgesehene Vergütung zu entrichten hat; sie wird daher im Rahmen eines Leistungsaustauschs erbracht. Umsatzsteuerrechtlich ist jedoch das Konstrukt einer sonstigen Leistung mit anschließender Rücklieferung gar nicht möglich – dazu mehr in Teil 2.
Teil 2 folgt in der photovoltaik-Ausgabe 02/2010 und wird untersuchen, ob ein den Solarstrom selbst verbrauchender Anlagenbetreiber überhaupt ein Unternehmer ist, ob das Verwaltungskonzept der Rücklieferung überzeugt und ob die Verwaltung die umsatzste