Im Herbst hatte das Bundeskabinett in Aussicht gestellt, den Solardeckel von 52 Gigawatt auf 98 Gigawatt bis 2030 zu strecken. Passiert ist seitdem – nichts. Nun meldete sich der CDU-Abgeordnete Joachim Pfeiffer (CDU) aus Baden-Württemberg, wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag.
Er meldet sich – mit erstaunlichen Forderungen: „Die Aufhebung des Solardeckels ist Teil eines energiepolitischen Gesamtpakets“, sagte er ins Mikrofon der Deutschen Presse-Agentur (DPA). „Zu dem Paket gehören auch ein Kohleausstiegsgesetz, das die Empfehlungen der Kohlekommission eins zu eins umsetzt, die Strompreisentlastungen der Industrie und die Wind-Abstandregelungen.“
Der Jopf spielt den Schwarzen Pfeiffer
Pfeiffer, der sich selber gern als „der Jopf“ tituliert, forderte die SPD auf, sich daran zu halten und die Debatte um die Windräder zu beenden. „Erst dann kann zeitnah im Kabinett ein umfassendes Paket verabschiedet werden“, meint Pfeiffer. „Rosinenpickerei gibt es mit uns nicht.“
Es ist ein bewährtes politisches Konzept, der Gegenseite den Schwarzen Pfeiffer, sorry: Peter, zuzuschieben. Denn eigentlich ist es die Union, die nicht aus dem Knick kommt. Bisher gibt es überhaupt kein „umfassendes Paket“, geschweige denn eine EEG-Novelle, die den Solardeckel neu definiert. Im zuständigen Bundeswirtschaftsministerium regieren die Verhinderer, dort liegt noch nicht einmal ein Referentenentwurf vor. Chef dieses Ministeriums ist bekanntlich der Schwarze Peter Altmaier von der CDU.
Darum schäumt der Jopf
Was Pfeiffer nun in die Medien trägt, ist ein politischer Kuhhandel, um das Thema auf die möglichst lange Bank zu schieben. Er schäumt, weil sich trotz der krassen Widerstände des sogenannten Wirtschaftsflügels der CDU die Photovoltaikbranche erholt hat und 2019 knapp vier Gigawatt zubauen konnte.
Er schäumt, weil er nicht selber Minister werden durfte, nicht einmal Staatssekretär. Den Job hat sein Adlatus bekommen, der CDU-Mann Thomas Bareiß, gleichfalls aus dem Ländle. Um es vorweg zu nehmen: Bareiß ist nicht weniger überfordert als „der Jopf“. Für diese Leute ist die moderne Wirtschaft einfach zu komplex, einfach zu unübersichtlich, einfach zu grün. Sie kapieren nicht, dass es ohne erneuerbare Energien bald überhaupt keine Ökonomie mehr gibt.
Auf der ganzen Linie gescheitert
Und „der Jopf“ hofft, dass er den Solardeckel möglichst billig erkaufen kann: ohne Erhöhung der jährlichen Zubaukorridore, ohne Verlängerung der EEG-Förderung, ohne Abschaffung der Strafsteuer auf Eigenstrom und der vielen Knebel, die den Ausbau der Photovoltaik auf bürokratische und administrative Weise behindern. Er schäumt, weil er den Bürgerstrom nicht mehr verhindern kann. Damit ist er politisch auf ganzer Linie gescheitert.
Pfeiffer ist als Mann der fossilen und nuklearen Energiekonzerne in die Politik gegangen, am liebsten würde der Atomkraftwerke bauen und mit Brennstäben Mikado spielen. Immer wieder hat er der Photovoltaik Steine in den Weg gelegt, hat den Umbau der Stromwirtschaft verzögert. Sogar die EnBW ist längst von ihm abgerückt, hat erkannt, dass die Zukunft der Energiebranche in sauberen und dezentralen Generatoren liegt.
Ein einsamer Mann
Joachim Pfeiffer, genannt „der Jopf“, wird einsam. Denn langsam spricht sich herum, dass der selbst ernannte Wirtschaftsexperte höchstens durchschnittlich begabt ist. Nie hatte er in der Wirtschaft einen Führungsjob inne, blieb immer in der dritten Reihe stecken.
Also ging er in die Politik, wo er sich vehement gegen erneuerbare Energien, für die Atomkraft und Rüstungsexporte engagiert. Seit 2002 als Abgeordneter im Bundestag vertreten, wettert er gegen die Solarbranche. „Der Jopf“ ist Ausdruck jener Strömung in der CDU, die darauf hofft, dass sich die Welt nicht ändert – wenn man den Wandel nur lange genug ignoriert. Darin ist er gefangen – und verdient unser aller Mitgefühl. Sein politisches Schicksal ist vorgezeichnet, es hat in der Geschichte unzählige, unrühmliche Vorbilder.
Unternehmen fordern mehr erneuerbare Energien
Denn der Wandel ist im Gange, unaufhaltsam. Sonnenstrom und Windstrom sind gleichermaßen entscheidend, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern. Vor allem mit günstigen Sonnenstrom für den Eigenbedarf können die Unternehmen ihre Energiekosten drücken, sich gegen den Kostendruck im internationalen Wettbewerb imprägnieren.
Anfang Januar haben der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft, der Verband kommunaler Unternehmen und der Bundesverband der Verbraucherzentralen unisono gefordert, die erneuerbaren Energien zügig auszubauen. Ohne Kuhhandel, bitte schön!
Große amerikanische Unternehmen wie Google, Apple, Facebook, Amazon oder Tesla stellen ihre Energieversorgung auf hundert Prozent erneuerbare Energien um. Und zwingen ihre Zulieferer, es ihnen gleichzutun.
In Australien bricht gerade die Kohlelobby zusammen, weil der Busch brennt. Siemens hat das noch nicht verstanden. In den USA ist die Kohlebranche bereits tot, weil es für sie kein ökonomisches Geschäft mehr gibt.
Die CDU lügt!
Vor diesem Hintergrund ist der Kuhhandel vom „Jopf“ vor allem eine Katastrophe für die CDU, gibt den Grünen zusätzlichen Aufwind. Schaut her! Die Union packt es nicht! Und sie lügt, denn offenbar war die Abschaffung des Solardeckels von 52 Gigawatt nicht so ernst gemeint!
Umfragen belegen: Längst haben die Grünen der Union den Rang abgelaufen, was die Kompetenz in Wirtschaftsfragen betrifft. In Baden-Württemberg hatte die CDU zuerst ihre Vorherrschaft verloren, ausgerechnet im Ländle des Wirtschaftswunders. Die Schwaben sind nicht grün geworden, sondern sie schauen weitblickend nach vorn. Sie wollen gut leben und hart dafür arbeiten. Deshalb wählen sie grün.
Mit der nächsten Bundestagswahl dürfte der sogenannte Wirtschaftsflügel der CDU in der Versenkung verschwinden. Kuhhandel und moderne Ökonomie passen einfach nicht zusammen. Sonnenstrom und Windkraft gegeneinander auszuspielen, statt beides massiv auszubauen – diese Politik riskiert die wirtschaftlichen Grundlagen Deutschlands, riskiert Wohlstand und sozialen Frieden.
Ludwig Erhard dreht sich im Grabe herum
Mit der alten Ökonomie von Kohle und Uran tritt ein veraltetes Politikverständnis ab. Dafür steht „der Jopf“. Selbstherrlich und mit einer gehörigen Portion politischem Zynismus zirpt er den Schwanengesang eines Mythos, der auf Ludwig Erhard zurückgeht.
Davon ist nichts geblieben. Die Erben Erhards sind vollauf damit beschäftigt, ihre Pfründe zu retten, sprich: ihre Diäten und Pöstchen. Dafür riskieren sie alles. Angesichts der Bedrohung der Zivilisation durch die Klimaerwärmung, sind solche Kuhhandel hochgradig kriminell. Es gibt nur bislang kein Gesetz, das sie verbietet.
Mensch, Erhard, Junge, deine Erben! Was für eine Schande! Verständlich, dass der Grandseigneur der deutschen Wirtschaft in seinem Grab rotiert.
Der Jopf ist nicht allein
Doch „der Jopf“ ist nicht allein: Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) sekundierte: „Die Vereinbarung zwischen Union und SPD, dass der Solardeckel gestrichen wird und im Gegenzug die 1000-Meter-Regel für mehr Akzeptanz der Windkraft sorgt, sollte von beiden Seiten eingehalten und umgesetzt werden.“
Der Misston wird nicht besser, wenn er zweistimmig klingt. Die Unionsparteien verspielen den Rest des Kredits, den sie möglicherweise noch haben. Damit ist fortan kein Staat zu gewinnen. Und sie riskieren den Kredit, den das demokratische System noch in Deutschland genießt.
Wenn regierende Politiker die drängenden Probleme nicht lösen und statt dessen Kuhhandel spielen, ist das ganze parlamentarische System nichts wert. Dann ist es hohles Gerede derer, die sich auf Kosten der Steuerzahler im Bundestag den Allerwertesten breit sitzen. Höchste Zeit, mal ordentlich auf den Busch zu klopfen! Schluss mit dem Kuhhandel!