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Alpinsolar

Mehr Ertrag im Winter

Gerade scheint noch die Sonne, schon verdecken dunkle Wolken den Himmel. Nebel und Hagel sind auch im Sommer jederzeit möglich. So ist das Wetter auf dem Berg in den Glarner Alpen – in 2.500 Metern Höhe. In einer Kurve an der mehr als einen Kilometer langen Staumauer des Muttsees schlängelt sich das neue Solarkraftwerk. Die Mauer ist oben auf der Krone zwischen vier und sechs Meter breit. Der Muttsee selbst ist Teil des Pumpspeicherwerks Limmern, eines großen Stromspeichers. Die alpine Solaranlage verfügt über 2,2 Megawatt Leistung. Seit September 2022 ist das Kraftwerk komplett in Betrieb.

Dreimal mehr Strom im Vergleich

Die bisherigen Ergebnisse bestätigen die Erwartungen des Energiekonzerns Axpo: In den Wintermonaten produziert sie dreimal mehr Strom als eine vergleichbare Anlage im Schweizer Mittelland. Die Anlage an der Staumauer produziert pro Jahr rund 3,3 Gigawattstunden. „Die Solarpaneele, die im Winter vor zwei Jahren bereits in Betrieb waren, erzielten einen sehr hohen Solarertrag und beweisen damit den Wert alpiner Photovoltaik“, freut mich Christian Heierli, Gesamtprojektleiter für Alpinsolar bei Axpo. Solarparks in den Alpen sind also Teil der Lösung.

Denn die Schweiz produziert im Winter deutlich weniger Strom, als sie verbraucht. Der fehlende Strom im Winter muss also importiert werden. Diese Versorgungslage dürfte sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen, wenn im In- und Ausland Kern- und Kohlekraftwerke vom Netz genommen werden. Deshalb sind die alpinen Solaranlagen so wichtig.

Allerdings fehlt für die Bewilligung von Solaranlagen außerhalb der Bauzonen heute noch die gesetzliche Grundlage. Seit Juli 2022 gebe es mit der Revision der Raumplanungsverordnung geringfügige Verbesserungen, was den Bau an Fassaden, Staumauern und Lärmschutzwänden betreffe, erklärt Heierli. Immerhin.

Flächen an Stauseen und Skigebieten gefragt

Der Dienstleister für Wetterdaten Meteotest hat das Potenzial in der Schweiz für alpine Anlagen vermessen. Vier Gigawatt seien realistisch, wenn man den Zugang zum Stromnetz oder den Naturschutz berücksichtigt, sagt David Stickelberger, Geschäftsleiter des Schweizer Branchenverbandes Swissolar. Er rechnet vor: „Vier Gigawatt erzeugen im Jahr rund fünf Terawattstunden, denn die spezifischen Erträge der alpinen Anlagen sind höher als von Solardächern, stellenweise bis 1.500 Kilowattstunden pro Kilowatt.“

Die Möglichkeiten für die Installation an Staumauern sind jedoch insgesamt betrachtet winzig. Interessanter seien zugängliche und durch Straßen erschlossene Flächen an Stauseen und Staumauern oder in Skigebieten. „Dort sind meist auch elektrische Anschlüsse vorhanden oder viel Strom wird direkt abgenommen und verbraucht“, weiß Stickelberger. Alpine Anlagen erzeugen im Winter sehr viel Strom aufgrund der Reflexionen des Schnees und der kalten, klaren Luft in den Bergen. „Einige interessante Flächen befinden sich auf früheren Schießplätzen des Schweizer Bundesheeres“, weiß der Swissolar-Chef. In den Kantonen Bern und Graubünden werden solche Projekte besonders vorangetrieben. Im Wallis hingegen wurden beschleunigte Verfahren zur Bewilligung solcher Anlagen abgelehnt.

Der sogenannte Mantelerlass soll den Ausbau der erneuerbaren Energien stark beschleunigen und enthält viele für die Photovoltaik relevante Regelungen. Er wurde vom eidgenössischen Parlament im September zu Ende beraten und soll zum Januar 2025 in Kraft treten. Allerdings können Gegner der Vorlage bis zum 18. Januar 2024 ein Referendum verlangen, was zu einer Volksabstimmung führen würde.

PPA-Vertrag mit Discounter Denner

Das Pionierprojekt von Axpo wurde vom Versorger zusammen mit IWB, gebaut, dem Energieversorger von Basel-Stadt. Den gesamten Solarstrom nimmt der Discounthändler Denner in den ersten 20 Betriebsjahren im Rahmen eines Stromabnahmevertrags ab und verbraucht ihn in seinen Filialen. Um die Fläche an der Staumauer möglichst optimal zu nutzen, verwendet Megasol zwei verschieden große Modultypen mit 460 Watt beziehungsweise 385 Watt Leistung.

Installateure haben diese auf 14,5 Meter breiten Modultischen vorbereitet, um diese dann an der Staumauer anzubringen. Es wurden fast 5.000 bifaziale Glas-Glas-Module des Schweizer Herstellers Megasol installiert. Ihr breiter Rahmen von 40 Millimetern erfüllt die Auflagen an die zu erwartende Schneelast. In Modulbereichen, in denen die höchste Last erwartet wird, muss deshalb zentral von hinten an einem Punkt zusätzlich gestützt werden. Nur so hält das Glas stand und biegt sich nicht zu weit durch.

Montagesystem neu entwickelt

Die vertikale Unterkonstruktion besteht aus speziellen Stahlträgern. Die Werkzeuge für die Aluminiumprofile mussten eigens für das Projekt angefertigt werden. Das Montagesystem selbst wurde vom beauftragten Generalunternehmen Planeco und seinen Projektpartnern Megasol und Crestageo in sechs Monaten komplett neu entwickelt. Dabei handelt es sich um ein Einlegesystem für Module, das in dieser Größenordnung allerdings nie zuvor gebaut wurde.

Axpo plant bereits weitere Anlagen dieser Art: Nach der Inbetriebnahme der bisher größten alpinen Solaranlage der Schweiz in der Gemeinde Glarus Süd im August 2022 will der Energiekonzern nun den Bau einer Zehn-Megawatt-Solaranlage in der gleichen Region forcieren. Die Anlage soll zudem die Wertschöpfung in der Gemeinde erhöhen. Die neue Solaranlage soll die intensive Sonneneinstrahlung auf rund 1.500 Metern über dem Meeresspielgel nutzen und so mehr Strom in den Wintermonaten liefern. Sie wird auf einer Fläche von rund 120.000 Quadratmetern in einer alpinen Umgebung in der Region Friiteren installiert und soll laut Axpo jährlich rund 13 Gigawattstunden Strom produzieren. Genug, um rechnerisch den Strombedarf von über 3.000 Haushalten zu decken.

Module mit bis zu 70 Grad Neigung

Die nun im Kanton Glarus geplante Solaranlage besteht aus rund 36.000 Solarmodulen. Sie wird mit acht bis zwölf Modulen auf sogenannten Modultischen vormontiert. Mit einer Höhe von rund drei Metern über dem Boden und einer Neigung von bis zu 70 Grad wird die Anlage auf die speziellen Anforderungen der alpinen Umgebung zugeschnitten. Das benötigte Land wird nach dem Bau als Weidefläche nutzbar bleiben.

Auch die lokale Politik unterstützt das Vorhaben: „Mit dem Bau der Anlage können wir nicht nur wichtige Einnahmen für die Gemeinde generieren, sondern auch unsere Verantwortung als Gemeinde für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien wahrnehmen“, sagt Gemeinderat Stefan Maduz.

Niederlage im Kanton Wallis

Aber die Unterstützung vor Ort ist nicht immer sicher. Die Wähler im Südschweizer Kanton Wallis haben sich gegen eine Beschleunigung des Baus von Solarparks in hochalpinen Regionen ausgesprochen. Grundlage des Referendums von Pro Natura und den Grünen war die Mehrheit im Kantonsparlament, die Bewilligungsverfahren für solche Anlagen zu verkürzen.

Die Gegner der Beschleunigungsregelung argumentierten, dass Umweltkriterien bei der Standortwahl stärker berücksichtigt werden sollten. Die Schweizerische Energie-Stiftung (SES) – eigentlich pro Solarausbau – sieht die Ablehnung der Beschleunigungsvorlage des Parlaments dennoch weniger als eine generelle Ablehnung alpiner Solaranlagen. Vielmehr sei es ein Votum, solche Umweltkriterien nicht als nebensächlich abzutun, sondern stärker zu berücksichtigen, betont Lukas Braunreiter, stellvertretender Leiter des Fachbereichs erneuerbare Energien und Klima bei der SES.

„Große Solaranlagen in den Alpen sind Pionierprojekte“, betont er. Deshalb sei es zentral, dass diese in Bezug auf Biodiversität und Einbettung in die Landschaft so rücksichtsvoll wie möglich geplant werden. Braunreiter verweist auf die Regelungen im benachbarten Kanton Bern. Dort hatten die zuständigen Ämter im Austausch mit Umweltverbänden und weiteren Interessengruppen eine Liste mit geeigneten Standorten für alpine Solarparks ausgearbeitet. Auf Basis dieser Liste werden die Anlagen in Gebieten gebaut, die schon durch Straßen und Bergbahnen genutzt werden.

Auch vorhandene Stromleitungen mit ausreichender Kapazität sind ein Kriterium für die Standortwahl. Hier sollten sich die anderen Kantone ein Beispiel nehmen. So ist aus Sicht der SES klar, dass Solaranlagen in den Alpen in der Nähe von bestehender Infrastruktur und bereits belasteten Gebieten erstellt werden sollten.

Alpine Förderung nur bis Ende 2025

Eine lange Prüfung der Projekte konterkariert jedoch die ambitionierten Zeitpläne für den Ausbau. Um bis 2025 die geplanten zwei Terawattstunden Sonnenstrom in den Alpen zu erzeugen, müssen schnell weitere Generatoren aufgebaut werden. Dazu hatte das Parlament im Herbst des vergangenen Jahres beschlossen, dass solare Großanlagen genehmigungsfrei und ohne Umweltprüfung errichtet werden dürfen.

Voraussetzung dafür ist, dass diese mindestens zehn Gigawattstunden und maximal zwei Terawattstunden pro Jahr produzieren. Wobei die alpine Solaranlage in den Wintermonaten gesichert mindestens 500 Kilowattstunden pro Kilowatt installierter Leistung liefern muss. Der Bau solcher Anlagen wird mit mindestens 60 Prozent der Investitionskosten in Form einer Einmalvergütung unterstützt, wenn sie bis Ende 2025 zumindest einen Teil ihrer Energie ins Netz einspeisen. Um die Förderung zu bekommen, drücken die Projektierer nun aufs Tempo.

Auch der Nationalrat hat bereits im März 2023 die Ausbauziele bestätigt. Bis 2035 sollen Solaranlagen installiert werden, die jährlich 35 Terawattstunden produzieren. Bis 2050 soll die Produktionskapazität dann auf 45 Terawattstunden steigen. Dazu müsste sich der Zubau nach Schätzungen des Branchenverbandes Swissolar allerdings verdoppeln.

Ein Blick ins Technikgebäude: Es wurden Stringwechselrichter von Kaco verwendet.

Foto: Niels H. Petersen

Ein Blick ins Technikgebäude: Es wurden Stringwechselrichter von Kaco verwendet.
Der Steg an der Staumauer wird von den Modulen geschützt.

Foto: Niels H. Petersen

Der Steg an der Staumauer wird von den Modulen geschützt.

Elektrizitätswerke des Kantons Zürich

Testanlage auf der Totalp liefert doppelte Erträge

Die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) betreiben seit 2017 eine alpine Testanlage auf der Totalp bei Davos. In 2.500 Metern Höhe wurden verschiedene Solarmodule in unterschiedlichen Neigungswinkeln aufgebaut. EKZ will herausbekommen, wie viel Ertrag die Module im Vergleich mit anderen Anlagen und Standorten bringen – und welches der beste Anstellwinkel für die Paneele ist.

Der Versorger hat mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) die Messdaten der Versuchsanlage ausgewertet und die Ergebnisse der letzten fünf Jahre veröffentlicht. Gegenüber der Vergleichsanlage im Mittelland liefern alle Module auf der Totalp deutlich höhere Energieerträge. Die Projektpartner führen dies unter anderem darauf zurück, dass sie bifaziale Module verwendet haben.

Durch den Anstellwinkel zwischen 60 und 90 Grad erzeugen sie zu bestimmten Zeiten bis zu 60 Prozent mehr Erträge. Dies wiederum liegt an der Reflexion des Schnees. Der Anstellwinkel ist auch wichtig, um die Module schneefrei zu halten. So wurde laut Messungen der Verlust durch Schneebedeckung bei diesen Anstellwinkeln auf ein bis zwei Prozent vom Jahresertrag minimiert, da der Schnee ungehindert abrutschen kann. Gegenüber dem Mittelland haben die Forscher mit der alpinen Anlage bis zu doppelt so hohe Jahreserträge mit rund 50 Prozent im Winter gemessen. Damit konnten sie im Winterhalbjahr sogar bis zu viermal mehr Stromproduktion pro Modulfläche nachweisen.

Foto: EKZ

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