Im Dezember 1989 wurde an der Autobahn A13 (damals N13) in der Nähe von Chur (Kanton Graubünden) die schweizweit erste 100-Kilowatt-Netzverbund-Photovoltaikanlage in Betrieb genommen. Pioniercharakter hatte die Anlage zu diesem Zeitpunkt nicht nur wegen ihrer Nennleistung.
In bestehende Wand integriert
Sondern es war auch die weltweit erste Photovoltaikanlage, die in eine bestehende Autobahn-Schallschutzwand integriert wurde. Damit wurde beispielhaft demonstriert, wie ertragsmäßig relevante erneuerbare Stromquellen ohne zusätzlichen Landverbrauch realisiert werden können. Diese Doppelnutzung aus Schallschutz und Photovoltaik hat sich bewährt, im darauffolgenden Jahrzehnt international ausgebreitet und sich technisch laufend weiterentwickelt.
Die Anlage an der A13 wurde jedoch zu einem Zeitpunkt gebaut, als die öffentliche Meinung die Solarenergie noch als primär als kostspielig und technisch unsicher einstufte.
Flächenkataster aus den 1980er-Jahren
Im Auftrag des Bundesamts für Energie führte die TNC Consulting AG 1987/88 eine Machbarkeitsstudie für potenzielle Photovoltaik-Großanlagen entlang von Schweizer Verkehrsträgern (Straße und Schiene) durch. In diesem Rahmen entwickelte sie basierend auf der gemessenen Solarstrahlung sowie der Anzahl Kilometer pro Verkehrsträger ein Flächenkataster für die Schweiz.
Vier Standorte definiert
Basierend auf dieser Analyse wurden innerhalb des als optimal eingestuften Quadranten A (mit hoher Sonneneinstrahlung, das heißt mehr als 1.200 Kilowattstunden pro Quadratmeter pro Jahr und rund 1.000 Kilometern Verkehrsträger) vier Standorte definiert, wo Solar-Messstationen eingerichtet wurden. Präzise messen und evaluieren sie die Faktoren (a) Solareinstrahlung, (b) Umgebungstemperatur, (c) Modulertrag und (d) Modultemperatur. Neben der Ökonomie der Solarenergie war schon in diesen Jahren auch der Flächenbedarf für größere Photovoltaikanlagen immer wieder Gegenstand politischer Diskussionen.
Die Photovoltaiknutzung von bestehenden Schallschutzwänden an Schiene und Straße erwies sich demzufolge als sehr geeignet, da kein zusätzlicher Raum beansprucht wird und die bestehenden und stark landkonsumierenden Bauten der Verkehrsinfrastruktur (9,6 Prozent des Schweizer Siedlungsgebiets, davon 89 Prozent alleine für Straßen) aufgewertet werden können.
Gegenstand von Diskussionen
Von den durchschnittlich 397 Quadratmetern Siedlungsfläche pro Kopf werden ganze 127 Quadratmeter (32 Prozent) für Verkehrsinfrastruktur verwendet. Das macht insgesamt mehr aus als die Pro-Kopf-Wohnfläche von 112 Quadratmetern (28 Prozent). Darüber hinaus eignet sich der Betrieb von Photovoltaik entlang der Verkehrsträger auch deshalb, weil stets ein verkehrstechnisch einfacher Zugang zu den Kontrollstellen der jeweiligen Anlagen garantiert werden kann.
Erste solare Lärmschutzwand
Die 1989 gebaute Photovoltaikanlage an der Autobahn A13 zwischen Felsberg und Domat/Ems im Kanton Graubünden war die weltweit erste an einer Schallschutzwand installierte Photovoltaikanlage überhaupt.
Mit 104 Kilowatt Nennleistung war sie die damals größte Netzverbundanlage der Schweiz. Finanziert wurde das Pionierprojekt durch das Bundesamt für Energie BFE (damals Bundesamt für Energiewirtschaft) aus dem Posten „Pilot- und Demonstrationsanlagen des Bundes“.
Eine Initiative der TNC Consulting
Die Errichtung der Anlage geht auf eine Initiative der TNC Consulting AG zurück, die bereits einige Jahre zuvor beim BFE einen Projektvorschlag mit Photovoltaik entlang verschiedener Verkehrsträger eingereicht hatte.
Basierend auf diesem Vorschlag wurde eine vom BFE finanzierte Machbarkeitsstudie erarbeitet, welche schließlich zur Standortwahl von Felsberg und Domat/Ems für die Pilotanlage führte. Für die Projektleitung, die Umsetzung, den Betrieb sowie ein umfassendes Monitoring wurde ebenfalls die TNC Consulting AG beauftragt.
Nach 15 Jahren Betrieb verkaufte das Bundesamt für Energie die Netzverbundanlage 2005 an das lokale Elektrizitätswerk Tamins, das fortan auch den Betrieb der Anlage übernahm. 2009 wurde das EW Tamins in die Rhiienergie AG überführt.
Nach 28 Jahren runderneuert
Nach insgesamt 28 Jahren Betrieb wurde die Anlage im Jahr 2017 durch die Rhiienergie AG vollumfänglich erneuert. Das Repowering umfasste den Ersatz aller Module, der beiden Wechselrichter sowie der gesamten Gleichstromverkabelung. Die Unterkonstruktion der ursprünglichen Anlage wird weiterhin genutzt.
Diese Gesamterneuerung bietet nun Anlass, um einen Rückblick mit vertiefter Analyse des Verlaufs von Betrieb, Performance und Nutzungsgrad der Photovoltaikanlage vorzunehmen. Denn aus fast 30 Jahren Anlagenbetrieb lassen sich wertvolle Erkenntnisse ziehen.
Gleichzeitig ermöglicht die Analyse einen Vergleich mit der neuen Anlage am selben Standort. Anstoß für die Erneuerung der Anlage war laut Rhiienergie AG der Umstand, dass die Anlage nur noch 60 Prozent der ursprünglichen Leistung erbrachte.
Ziel der Analyse ist es, diese Messresultate zu überprüfen sowie die Ursachen für den Leistungsrückgang zu eruieren. Im Fokus stehen dabei technische Komponenten und Aspekte des Betriebs sowie der Wartung der Anlage.
Ausführliches Monitoring bis 2005
Vom Projektstart 1989 bis 2005 wurde von der TNC Consulting AG ein ausführliches Monitoring vorgenommen, das die Betriebsaktivitäten regelmäßig protokolliert sowie die Performance- und Leistungsergebnisse jährlich analysiert und rapportiert hat. Es wurden detaillierte Messwerte erfasst und ausgewertet. Das Monitoring wurde ab 2005 von der Rhiienergie AG in stark reduzierter Form weitergeführt.
Module auf dem Prüfstand
Im Rahmen dieses Projektes im Auftrag des BFE wurden nach dem Rückbau der ursprünglichen Anlagekomponenten 2017 die ursprünglichen Solarmodule und ein Wechselrichter auf kalibrierten Prüfständen ausgemessen. Ein Sample der ursprünglichen Solarmodule wurde 2018 von der Züricher Hochschule der Angewandten Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur mittels Flasher ausgemessen und analysiert. Einer der beiden ursprünglichen Wechselrichter wurde an der Fachhochschule Burgdorf (BFH) auf dem Prüfstand ausgemessen.
Die Resultate dieser Messungen dienen zusammen mit den Betriebsdaten der Rhiienergie AG als wichtige Grundlage für die Beurteilung des Zustands dieser Schlüsselkomponenten zum Ende der Betriebsdauer der Photovoltaikanlage A13.
Die Ziele des Projekts
Die Anlage an der A13 gehört weltweit zu den wenigen Photovoltaikanlagen, die über fast drei Jahrzehnte in Betrieb waren und (in der ersten Betriebshälfte) ausführlich ausgemessen und dokumentiert wurden. Diese Ausgangssituation bietet die seltene Möglichkeit, langfristige Effekte in einer Photovoltaikanlage zu untersuchen und besser zu verstehen sowie verwendete Annahmen und Modelle zum Langzeitverhalten von Solaranlagen zu überprüfen und zu verifizieren.
Ertrage und Einstrahlung analysiert
Neben den jährlichen Betriebsprotokollen und den Ausmessungen der wichtigsten Komponenten (Solarmodule und Wechselrichter) 2018 stehen für die Analyse auch die Ertragsdaten und die standortspezifischen Solarstrahlungsdaten (basierend auf Daten der Messkampagne und gemessenen Daten von Meteo Schweiz) über den gesamten Zeitraum zur Verfügung.
Die Auswertung bildet das erste von zwei Teilprojekten. Im zweiten Teilprojekt wird in Zusammenarbeit mit Rhiienergie AG und dem Kanton Graubünden ein Direktvergleich zwischen der alten und der neuen Photovoltaikanlage an der A13 gemacht.
Auswertung der Komponenten
15 Solarmodule sowie ein Wechselrichter der ursprünglichen Anlage wurden Ende 2018 auf kalibrierten Prüfständen der Fachhochschule Burgdorf (BFH) und dem Flasher der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur ausgemessen.
Kyocera-Module mit 47 Watt
Die polykristallinen Module von Kyocera mit zirka 47 Watt Nennleistung wurden auf dem LED-Flasher der ZHAW und ergänzend mit Elektrolumineszenzaufnahmen (EL) untersucht.
Die nicht sonnenexponierten Solarmodule (Referenzmodule) weisen weiterhin die ursprüngliche Nennleistung auf, während die Module von der Anlage durchschnittlich 20 Prozent Leistungsreduktion aufweisen, variierend von 15 Prozent bis 37 Prozent.
Dies entspricht einer jährlichen mittleren Reduktion von 0,55 bis 1,32 Prozent. Die EL-Bilder zeigen deutlich beschädigte Zellen in den Modulen mit Leistungsreduktion.
Wechselrichter von Solarmax getestet
Für den auf dem Prüfstand der BFH untersuchten Wechselrichter Solarmax 60SE wurde der europäische Wirkungsgrad von 91,61 Prozent ermittelt. Im Vergleich zum messtechnisch ermittelten Wirkungsgrad des Wechselrichters von 92,64 Prozent aus den ersten drei Betriebsjahren ist dies eine minimale Reduktion von 1,12 Prozent.
Die Solarstrahlung auf Modulebene wurde 1989 bis 2004 messtechnisch erfasst und für die Periode 1999 bis 2017 anhand der gemessenen Meteo-Schweiz-Werte standortspezifisch umgerechnet.
Dabei kann über die gesamte Betriebsdauer eine zunehmende Tendenz der vorhandenen Solarstrahlung (plus 2,9 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter) festgestellt werden, welche für die Betriebsperiode 2005 bis 2017 mit plus 14,3 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter deutlich ausgeprägter ausfällt.
Verkabelung und Sicherungen
Anhand einer Computermodellierung der Photovoltaikanlage, welche auf den gemessenen reduzierten Wirkungsgraden der Schlüsselkomponenten Module und Wechselrichter basiert, sind Soll-Ertrags-Szenarien berechnet worden. Diese wurden mit den effektiven Erträgen verglichen.
Die zusätzlichen erheblichen Abweichungen sind höchstwahrscheinlich durch Ausfälle und Fehlfunktionen der DC-Verkabelung, Klemmen, Sammelkästen oder Sicherungselemente bedingt. Der Einfluss der Degradation dieser Komponenten ist ähnlich, respektive gegen Ende der Betriebsdauer teilweise sogar größer als der Einfluss der Degradation der Module.
Die Performance Ratio (PR) der Anlage hat sich während des stabilen Betriebs in der ersten Betriebsphase 1990 bis 2004 nur minimal verschlechtert. In der zweiten Betriebsphase ab 2005 bis 2017 ist hingegen mit guter Näherung eine lineare Abnahme von 0,032 pro Jahr nachweisbar.
Die Resultate der Tests
Die Resultate zeigen, dass die Qualität, Zuverlässigkeit und erwartete Lebensdauer der DC-Komponenten für den Ertrag über die gesamte Laufzeit einer Anlage von ähnlicher Relevanz sind wie die Degradation der Solarmodule.
Die Solarmodule und Wechselrichter weisen eine Degradation im erwarteten Rahmen auf. Fortschritte in der Fertigung und der Qualitätssicherung der DC-Komponenten lassen in diesem Bereich Verbesserungen bei neuen Anlagen erwarten.
Überwachung ist essenziell
Eine permanente Anlagenüberwachung mit der Erfassung der Solarstrahlung ist für die Erkennung und zeitnahe Behebung von Ausfällen und damit hohe Anlagenerträge essenziell.
Mit sinkenden Investitionskosten wird der relative Anteil der Betriebs- und Unterhaltskosten an den Stromgestehungskosten für Photovoltaikanlagen größer. Ertrags-, Performance- und Wirtschaftlichkeitsberechnungen sind entsprechend differenziert durchzuführen.
Swissolar
Schweizer Photovoltaiker treffen sich im März in Lausanne
Nicht in Davos, wohl aber am malerischen Genfersee: Der Branchenverband Swissolar veranstaltet am 12. und 13. März 2020 die nächste Nationale Photovoltaik-Tagung der Schweiz. Sie findet im Swisstech Convention Center des EPFL in Lausanne statt.
Die jährlich durchgeführte Tagung ist der wichtigste Treffpunkt der schweizerischen Solarstrombranche. Sie wird von Swissolar gemeinsam mit dem Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) und Energie Schweiz organisiert.
Am Donnerstag, dem 12. März 2020, und am Freitag, dem 13. März 2020, erwartet der Verband rund 550 Teilnehmer aus allen Kantonen und den Nachbarländern. Das Programm ist vielfältig. Im Mittelpunkt steht der Wandel der Stromversorgung von Atomkraft und fossilen Generatoren zu sauberer Elektrizität.
Neu findet im Anschluss an den ersten Konferenztag am Tagungsort ein Stehdinner für alle Teilnehmer statt. Die Veranstaltung wird von einer wissenschaftlichen Posterausstellung sowie einer Produktausstellung begleitet.
Der Autor
Thomas Nordmann
begann seine berufliche Karriere 1969 als Laborant am Physikalischen Institut der ETH Zürich. Seit 1974 gehört er zu den Solarpionieren in der Schweiz. Zwischen 1975 und 1978 war er der erste vollamtliche Mitarbeiter der Forschungsgruppe zur Sonnenenergie am damaligen Eidgenössischen Institut für Reaktorforschung EIR (heute: PSI). Dort initialisierte und baute er die damals größte thermische Solaranlage der Schweiz (200 Quadratmeter).
Zwischen 1978 und 1984 war Nordmann als Produktmanager zuständig für den Aufbau des neuen Unternehmensbereichs Solarenergie und Wärmepumpen der Elco Energie Systeme AG in Vilters.
1985 gründete er die TNC Consulting AG, die er bis heute als Inhaber leitet. 1995 entwickelte er die „Solarstrombörse“ der EWZ in Zürich. Damit gewann er den Schweizer und den Europäischen Solarpreis. Seit 1994 repräsentieren Thomas Nordmann und TNC die Schweiz bei der Internationalen Energie Agentur IEA PVPS. Für das 2015 gegründete Forum Energiespeicher Schweiz FESS koordiniert er das Kernteam und ist Sprecher der Wirtschaft.