Der Sonne verdanken wir unzählige Mythen: Kaum ein Märchen, kaum eine Ballade, in der sie keine Rolle spielt. Auch die Photovoltaik kennt Mythen. So galt es viele Jahre als ausgemacht, dass Solargeneratoren nicht brennen können. Bis die ersten Module brannten, damals, als BP Solar noch im Geschäft war. Ein weiterer Mythos: Lithiumspeicher sind sicher. Auch sie können nicht brennen. Die Halbwertszeit dieses Irrglaubens war deutlich kürzer: Im August vergangenen Jahres brannte in Filderstadt der erste Lithium-Ionen-Speicher ab.
Lithium-Ionen-Speicher können brennen, durchaus. Das haben auch Untersuchungen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ergeben. Im Vorfeld der Intersolar erregten Presseberichte über die Tests einiges Aufsehen. „Wir haben zunächst fünf Batteriesysteme deutscher Anbieter getestet“, erläutert Olaf Wollersheim, einer der Leiter des Forschungsbereichs Competence E am KIT. „Diese Tests werden wir mit weiteren Systemen fortsetzen.“
Schuhkartons mit Plastikgehäuse
Das KIT hat eine Testanlage aufgebaut, um kommerzielle Lithiumzellen zu prüfen und zu optimieren. Auch eigene Entwicklungen laufen dort. Das Testlabor ist auf zwei Räume verteilt, die durch ein Brandschott getrennt sind. In einem Raum laufen die Zellen im Dauertest, im anderen befindet sich die Elektronik zur Auswertung. Insgesamt 500.000 Euro hat das Institut in die Technik investiert. In dieser Folterkammer werden Speicherzellen für Autos und Gebäude geprüft, vornehmlich für stationäre Anwendungen.
Die Qualität und die Sicherheit der bislang geprüften Systeme waren sehr unterschiedlich. Ross und Reiter wollen die Karlsruher Wissenschaftler aber nicht nennen. „Wir haben gesehen, dass schon kleine Lithiumzellen mit einer Kapazität von 20 Amperestunden einen großen Feuerball erzeugen können“, berichtet Wollersheim. „Große Zellen mit 200 Amperestunden stellen ein vielfach größeres Risiko dar. Davon stecken auch noch mehrere in einer Batterie, das Gefahrenpotenzial ist also entsprechend hoch.“
Der Grund: Je größer die Zelle ist, desto mehr Wärme nimmt sie auf. Das Verhältnis von wärmeabstrahlender Oberfläche zum Inhalt ist ungünstiger als bei flachen Zellen mit 20 Amperestunden. Und: Solche „Großzellen“ stecken in einem Plastikgehäuse, dessen Wandstärke ungefähr einen Zentimeter erreicht. Nicht weil die Zellen auf diese Weise besonders stabil werden, sondern: „In die Zelle darf kein Wasserdampf diffundieren“, erklärt Andreas Gutsch, der mit Wollersheim die Forschungen leitet. „Kunststoff ist viel billiger als ein Metallgehäuse, aber man muss ihn dicker machen, für die Wasserdampfsperre.“ Die dicke Wandung wiederum erschwert die Wärmeableitung, ebenso das Material.
Sensible Zellen
Der Test mit der Hand beweist: Die großen Zellen werden mehr als handwarm – im Normalbetrieb. „Dann kann man davon ausgehen, dass im Innern der Zelle so hohe Temperaturen herrschen, dass die Batterie keinesfalls die Performance bringt, die für Photovoltaikspeicher notwendig ist“
Lithiumzellen sind sensibel. Sie reagieren extrem auf zu hohe Temperaturen, auf falsche Ladeströme, Überladung oder Unterladung. „Das Grundproblem besteht darin, dass die meisten Anbieter von solchen Batteriesystemen zwar die elektrotechnische Einbindung der Zellen ins Batteriemodul oder ins System beherrschen“, urteilt Andreas Gutsch. „Aber sie verstehen die elektrochemischen Konsequenzen nicht. So fehlt oft die redundante Absicherung durch ein zweites Relais. Es muss schalten, wenn das andere Relais klebt und sich nicht mehr öffnen lässt.“ Er resümiert: „Drei Viertel der unsicheren Batteriesysteme am Markt würden abgesichert, wenn den Leuten klar wäre, welche Gefahr darin lauert.“
Ein Weckruf für die Branche
Wollersheim, Gutsch und ihr Team am KIT haben sich auf die Fahnen geschrieben, die Branche aufzuwecken. „Seit anderthalb Jahren sind wir mit dem Thema unterwegs“, sagt Olaf Wollersheim. „Denn wenn einmal ein Brand ausbricht und Menschen zu Schaden kommen, sind die Konsequenzen für die ganze Solarbranche kaum abzuschätzen.“ Ihn wundert die Sorglosigkeit einiger Anbieter, die weder Transportvorschriften noch die grundsätzlichen Regeln für sichere Systeme einhalten. „Da sind vor allem die Installateure gefordert“, meint er. „Sie entscheiden, welches System sie bei ihren Kunden einbauen. Sie müssen die Hersteller in die Pflicht nehmen.“
Molotowcocktail mit Zeitzünder
Dabei ist es gar nicht so einfach, die Spreu vom Weizen zu trennen. Klar: Sehr billige Systeme erzielen ihre Preisvorteile, indem sie an der falschen Stelle sparen. Die großen „Plastikzellen“ sind zwar preiswert, aber unter Umständen ein Molotowcocktail mit Zeitzünder. „Andererseits haben wir auch Systeme der Premiumklasse geprüft, die teilweise dieselben Schwächen aufwiesen“, erzählt Andreas Gutsch. „Wir empfehlen, nur Zellen und Batteriemodule von Anbietern zu verwenden, die schon lange in der Batteriebranche oder in die Photovoltaik unterwegs sind. Sie haben einen guten Ruf zu verlieren. Also werden sie viel Geld und Zeit in wirklich sichere Systeme stecken.“ Gutsch prophezeit: „Einige der Speicheraussteller auf der Intersolar 2014 werden in den kommenden Jahren nicht mehr auf dem Markt sein.“ Denn die Entwicklung und Sicherheit der Batteriesysteme sowie die Tests und Zertifikate sind teuer.
Bislang gibt es für Lithiumspeicher nur wenige Standards, erst recht nicht für ihren stationären Einsatz im Gebäude. Die Autoindustrie und große Anbieter von Telekommunikationstechnik haben spezielle Tests und Nachweise entwickelt. In Karlsruhe am KIT befindet sich unter anderem die Brandschutzstelle der Feuerwehren in Baden-Württemberg. Dort werden Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer, Haustechnik, Dämmplatten, Dacheindeckungen und neuerdings Batterien getestet. Ein Test ist der sogenannte Fuel-Fire-Test. Er gehört zur Zulassung der Batterien für Fahrzeuge, die in der Norm ECE R100 geregelt ist. Der Test simuliert die Kollision eines Elektrofahrzeugs mit einem Benziner, der anschließend in Brand gerät. „Dabei wird die Batterie einige Minuten lang in einer brennenden Benzinwanne gegrillt. Sie darf dabei nicht versagen“, erläutert Olaf Wollersheim. Andere Tests laufen auf dem Shaker, einem Rütteltisch, bei dem die gesamte Batterie die 150-fache Erdbeschleunigung aushalten muss.
Nicht auf Normen warten
Entscheidend für die Systemsicherheit sei jedoch, dass die Hersteller die bereits existierenden Normen und Vorschriften – allgemein als Stand der Technik bezeichnet – einhalten. Dazu gehört die Transportvorschrift UN 38.3, um ein Beispiel zu nennen. „Auf der Intersolar haben einige Anbieter nicht einmal diese Vorschrift eingehalten“, hat Andreas Gutsch beobachtet. „Sie ist für Lithiumspeicher und nicht nur für Lithiumzellen gesetzlich vorgeschrieben. Wir werden im Auge behalten, ob die Anbieter und Importeure diese grundsätzlichen Pflichten erfüllen.“ Zugleich fordern die Karlsruher Experten, dass die Batteriesysteme mindestens das Sicherheitsintegrationslevel (SIL) 2, besser noch 3 erfüllen. „Die Batterie muss mindestens eine galvanische Trennung aller Pole aufweisen, um Überladung, Überstrom, Überhitzung oder Tiefentladung zuverlässig zu vermeiden“, sagt Olaf Wollersheim. „Das ist eine nicht verhandelbare Forderung. Der höhere Aufwand je Stromspeicher beträgt maximal rund 20 Euro.“ Zudem muss dieses Sicherheitssystem redundant sein. Fällt ein System aus, schaltet das andere. „Auch darf die Batterie nicht mehr einschaltbar sein, wenn einzelne Zellen ein reduziertes Sicherheitsverhalten aufweisen.“ Die redundante Sicherheit muss von der Batterie als Ganzes, aber auch von den einzelnen Batteriemodulen erfüllt werden. Die funktionale Sicherheit gemäß ISO 26262 müssen die Hersteller über eine Erklärung zu SIL 2 beziehungsweise 3 nachweisen. Darauf sollten die Installateure besonders achten.
Checkliste veröffentlicht
Die Wissenschaftler haben eine Checkliste veröffentlicht. Damit können die Planer und Installateure ihre präferierten Batteriesysteme grob einschätzen. Denn letztlich sind sie es, die ihren Kopf hinhalten, wenn beim Kunden etwas schiefgeht. Vier Punkte stellen die Wissenschaftler besonders heraus. Das Sicherheitssystem im Batteriemanagementsystem (BMS) muss irreversible Schäden in den Zellen ermitteln und die Zellen fortlaufend überwachen. Jede einzelne Zelle, mindestens auf Temperatur und die elektrischen Betriebswerte.
Daraus lassen sich Veränderungen im Elektrolyten erkennen – oder die gefürchteten Dendriten. Sie können beispielsweise bei sehr tiefen Temperaturen entstehen, wenn die Batterie mit zu hohen Strömen geladen wird. Dann lagert sich Lithium an der Anode an. Es wächst zu einem Dorn aus Metall, den man als Dendriten (vom griechischen Dendron: der Baum) bezeichnet. Er kann den Separator durchstoßen und die Anode mit der Kathode kurzschließen. Die Folge: Die Batterieteile lösen sich auf, der interne Kurzschluss führt zum Brand. Das war die Ursache eines Bordbrandes im neuen Superjet Dreamliner von Boeing, der deshalb notlanden musste. Die chemische Zersetzung der Zellen lässt sich nicht umkehren. Man kann solche elektrochemischen Prozesse auch nicht durch ein besonders gewieftes Laderegime ausheilen. Diese Zelle und damit die Batterie sind nicht mehr sicher.
Um solche Risiken auszuschließen, muss die Batterie eine redundante Abschaltung bieten. Deshalb braucht die Ladeelektronik eine Derating-Kurve. Sie führt die Ladeströme der Zelltemperatur nach, um sie bei zu tiefen oder zu hohen Temperaturen sowie an den Spannungsgrenzen abzuregeln.
Diagnosesysteme erforderlich
Denn fällt die Zellspannung unter einen kritischen Grenzwert, lösen sich wiederum Kupferpartikel von der Metallfolie an der Anode. Sie fallen in den Elektrolyten, wo eigentlich nur Lithiumionen schwimmen sollten. In diesem Fall verhalten sich die Additive im Elektrolyten anders, das Kupfer lagert sich an der Anode an. Auch diese Zelle ist untauglich, auch wenn sie nicht unmittelbar brennt.
So ist ein Onboard-Diagnosesystem (OBD) unerlässlich, das die Betriebsdaten der Zellen permanent mitschreibt und auswertet. Ein einzelner Temperatursensor irgendwo in der Batterie reicht nicht aus, weil jede Zelle ein sensibles Glied in der Kette ist – wie jedes Solarmodul im String.
Allerdings mit einem Unterschied: Schalten beispielsweise die Mosfets der Ladeelektronik auf Durchgang, weil sie beschädigt sind, dann schiebt die ganze Solarenergie in die Batterie, und die Batterie wird schnell überladen. Das ist auch ein wichtiger Unterschied zu Fahrzeugbatterien: „Sie hängen nur zeitweise an der Ladestation, die Solarbatterie aber immer“, wie es Andreas Gutsch ausdrückt. „Überladung führt dazu, dass sich der Elektrolyt erhitzt. Er verdampft, die Zelle bläht sich auf wie ein Ballon. Die Additive im Innern und die Bestandteile des Elektrolyten bilden ein zündfähiges Gemisch, das richtiggehend explodieren kann.“
Die Versuche am KIT bewiesen: Falsch gebaute oder installierte Batterien wirken im Heizungskeller wie ein Brandsatz. Platzt die Zelle, entsteht ein feuriger Gasball, der sich beinahe augenblicklich ausbreitet. Das soll kein Horrorszenario sein, sondern die Ermunterung, die Sicherheitsrisiken der Lithiumspeicher aufmerksam zu analysieren. Hinzu kommt: „Viele Systeme draußen sind im Neuzustand vielleicht sicher, aber durch die Alterung werden sie anfällig“, wie Gutsch erklärt. „Zum Beispiel steigt der Innenwiderstand über die Betriebsjahre an, dadurch steigt die Innentemperatur der Zellen. Es bilden sich Dendriten. Billigsysteme tolerieren oft Verunreinigungen im Elektrolyt, dann wachsen die Dendriten schon nach zwei Jahren. Die Batterie wird zum Risiko. Die Automobilindustrie hat es mit hohem Kosteneinsatz geschafft, sichere und zuverlässige Batterien für Elektrofahrzeuge zu entwickeln, wir müssen einfach diese Entwicklungsergebnisse auf Photovoltaikspeicher übertragen.“
Die Fehler im Betrieb
Nicht nur der seltene Brandfall macht den Forschern Sorgen, sondern die Fehler im Betrieb der Batterien. „Die Zellen dürfen im Betrieb nicht warm werden“, nennt Olaf Wollersheim ein Beispiel. Werden sie aber, vor allem die großen Plastikkästen. „Man kann auch nicht genau vorhersagen, wo die Solarkunden ihre Batterien aufstellen. Das kann der Heizungskeller sein, eine unbeheizte Scheune oder eine Ecke unterm heißen Dach.“
Sie empfehlen wandhängende Systeme im Keller. Der Raum ist in der Regel kühl, „denn die Lithiumbatterien lieben 15 Grad Celsius“, wie es Andreas Gutsch ausdrückt. „An der Wand sind Wasserschäden unwahrscheinlicher, als wenn sie auf dem Boden stehen.“
Denkbar ist auch, die Batterien ins Erdreich zu versenken, in komplett angelieferten geschlossenen Betonbehältern. Denn im Erdboden unter der Frostgrenze sind die Temperaturen während des Jahres nahezu konstant. „Ein guter Aufstellort ist außen an der Ostfassade des Hauses“, empfiehlt Gutsch. „Dann wird die Batterie leicht von der Morgensonne erwärmt, wenn der Ladevorgang beginnt. An der Nordfassade könnte man sie auch aufhängen.“ Wichtig hierbei: Beim Ladevorgang dürfen die Zellen keinen Frost haben. Werden sie dennoch geladen, dann könnten die Dendriten wachsen. Diese Vorgänge setzen bereits nach drei- oder viermaliger Frostbeladung ein. Auch unterm Dach kann sich die Batterie befinden, aber nur wenn 100-prozentig sichergestellt ist, das die Raumtemperatur niemals höher als 25 Grad Celsius ist.
Eine Blackbox mit drei Kabeln
Zudem fordern sie, dass die Batterie quasi eine geschlossene Blackbox sein sollte, zugänglich nur für die beiden Pole und die Steuerleitung. „Der Solarkunde darf höchstens einen Reset-Schalter vorfinden. Der Fachhandwerker darf vielleicht den Batterieblock als Ganzes wechseln oder einzelne Plug-in-Batteriemodule. Aber auf keinen Fall einzelne Zellen.“
Bei Zellschäden muss das gesamte System ins Werk zur Reparatur, ähnlich wie die Wechselrichter. Nicht einmal versierte Installateure dürfen in die Versuchung geraten, eigene Reparaturen oder Erfahrungen mit anderen Batterietypen anzubringen. „Man kann die Erfahrungen von Blei- oder Nickel-Cadmium nicht auf Lithium-Ionen-Batterien übertragen“, warnt Olaf Wollersheim. „Bei Überladung gasen Bleibatterien aus, Nickel-Cadmium-Akkus kann man durchaus kurzzeitig tiefentladen. Wenn man das bei Lithium-Ionen-Batterien zulässt, geraten sie in einen sicherheitskritischen Zustand.“
Auch greift das Sicherheitssystem zu kurz, wenn es nur Teile der Batterie abdeckt. Alle Kurzschlüsse, die vor der Sicherung stattfinden, sind nicht beherrschbar. Dazu gehören Überschläge zwischen den Zellen. Die permanente Überwachung der Zellen auf ihre thermischen und elektrischen Betriebsdaten zeigt rechtzeitig Übertemperaturen im Elektrolyten an. „Sonst besteht die Gefahr des gefürchteten Thermal-Runaway-Effekts“, erklärt Andreas Gutsch.
Der Supergau im Nachhinein
Darunter versteht man, dass sich die Batterie durch (schleichende) Überhitzung selbst entzündet, ähnlich einem Supergau im Atommeiler. „Das kann ein schleichender Prozess sein. Man steht daneben und kann es nicht verhindern. Denn ist dieser Prozess einmal in Gang gekommen, ist er nicht zu stoppen.“ Also muss die Batterie die betroffenen Zellen – und sich selbst – rechtzeitig stilllegen.
Bei einem Gebäudebrand ist die Batterie ausreichend zu kühlen. Andernfalls kann der Thermal-Runaway-Effekt in Gang kommen, wenn die Feuerwehr bereits wieder abgerückt ist. So geschehen beim Opel Ampera. Nach einem Crashtest in einem US-Labor hatte Kühlflüssigkeit die Batteriezellen beschädigt. Weil der Wagen achtlos in der Garage abgestellt worden war, geriet er von selbst in Brand – drei Wochen später. Ein klarer Verstoß gegen die Vorgaben des Batterieherstellers, der die vollständige Entladung der Zellen gefordert hatte. Für den Ampera bedeuteten die Schlagzeilen in den Medien faktisch das Aus.
Eins dürfte schon jetzt klar sein: Auch in der Batterietechnik liegt die Zukunft bei den intelligenten Komplettsystemen. Der Tausch einzelner Zellen – durch den Solarkunden oder den Installateur seines Vertrauens – wird unmöglich, weil der Hersteller dadurch die Performance und die Sicherheit der Batterien riskiert. Dreh- und Angelpunkt ist das Batteriemanagementsystem, das alle Betriebszustände und Prozessparameter fortlaufend analysiert. Sogar altersbedingte Bauchungen lassen sich auf diese Weise ermitteln.
Und: Das genaue Monitoring wird sehr schnell offenbaren, welche Lithiumbatterien wirklich halten, was ihre Anbieter versprechen. Denn den Fehlfunktionen geht meist ein schleichender Verlust an Leistung und Kapazität voraus, auch erreichen solche Batterien längst nicht die versprochene Zahl der Ladezyklen.
Finger weg von großen Zellen
Eine Faustregel gibt Andreas Gutsch mit auf den Weg: „Zellen mit Kapazität von 100 oder 200 Amperestunden werden kaum halten, was die Hersteller versprechen“, urteilt er. „Finger weg, wenn die Einzelzellen mehr wiegen als zwei Kilogramm. Zellen von der Größe eines Schuhkartons und obendrein aus Plastik, da muss man hinter der Performance ein großes Fragezeichen machen.“ Keine der am KIT getesteten Zellen mit mehr als 100 Amperestunden hat ihre Produktversprechen erfüllt, unabhängig von der Technologie.
Zwar waren einige Systeme technisch gesehen sicher, aber ihre Performance erwies sich als mangelhaft. „Low-Cost-Plastikzellen sind eine Illusion“, schlussfolgert der Experte. „Das sind zwar Batterien, aber keine sicheren und zuverlässigen Photovoltaikspeicher. Für große Plastikzellen gibt es keine sinnvolle Anwendung in der Solarbranche. Sogar für Notstrom eignen sich Bleibatterien besser.“
Im Umkehrschluss bedeute das aber nicht automatisch: Teuer ist gut, billig ist schlecht. Gutschs Kommentar: „Der Speichermarkt steht noch am Anfang. Wir werden sehr schnell preiswerte, zuverlässige und sichere Batterien sehen. Diese Second Mover werden kommen und sich im Markt etablieren.“
Kurz nachgefragt
„Unempfindlicher gegen Überladung“
Die elektrischen Speichermedien von Leclanché arbeiten ausschließlich auf Lithium-Titanat-Basis. Weshalb die Beschränkung auf diese Technologie?
Joachim Simonis: Weil wir überzeugt sind, dass die Lithium-Titanat-Technologie eine große Zukunft vor sich hat. Sie bietet so viele Vorteile gegenüber herkömmlichen elektrischen Speichersystemen, auch solchen auf Lithium-Eisenphosphat-Graphit-Basis.
Als einen wesentlichen Vorteil führen Sie die höhere Sicherheit an. Warum sind Lithium-Titanat-Speicher sicherer als etwa die inzwischen weit verbreiteten Lithium-Phosphat-Graphit-Akkus?
Das ist pure Elektrochemie: Die Lithium-Phosphat-Anode liegt mit minus drei Volt Ladeschlussspannung sehr nah am metallischen Lithium – und das ist bekanntlich feuergefährlich beziehungsweise sogar explosiv. Demgegenüber liegt die Lithium-Titanat-Anode bei minus 1,5 Volt Spannung – das ist sehr weit vom metallischen Lithium und damit von der Brennbarkeit entfernt. Der höhere elektrochemische Potentzialunterschied zu metallischem Lithium macht die Titanat-Technologie wesentlich unempfindlicher zum Beispiel gegenüber Überladung. Da das Titanat nicht mehr mit Oxiden aus der Kathode reagieren kann, wird auch der sogenannte Thermal Runaway, also die Überhitzung des Akkus, verhindert. Das gilt selbst bei mechanischen Schäden. Unsere Zellen sind so sicher, dass Sie einen Nagel einschlagen können, ohne dass etwas passiert – außer dass Sie die Zelle unbrauchbar machen.
Diese Sicherheit geht aber zulasten der Energiedichte. Ihre Zellen arbeiten mit einer geringeren elektrochemischen Spannung, nehmen also weniger Energie pro Volumen und Gewicht auf.
Das ist richtig. Deshalb sehen wir unsere Technologie nicht im Anwendungsbereich der E-Mobilität, sondern eher im stationären Bereich – bei Netzbetreibern, Unternehmen und im Privatbereich, aber auch beispielsweise auf Schiffen, in Bussen oder großen mobilen Maschinen, wo es nicht so auf geringes Gewicht und kleine Akkus ankommt, sondern mehr auf Alltagstauglichkeit, Langlebigkeit und Robustheit.
Inwiefern erfüllen Ihre Produkte diese Ansprüche?
Erstens: Lithium-Titanat-Zellen vertragen problemlos bis zu 15.000 Lade- und Entladezyklen. Zweitens die Charge-Rate: Unsere Akkus können Sie innerhalb einer Stunde voll laden oder entladen. Drittens: Die Zellen arbeiten quasi verlustfrei. Das heißt, sie geben die Energie, die eingespeist wird, zu annähernd 100 Prozent wieder ab. Schließlich das ausgesprochen gutmütige Temperaturverhalten: Unsere Zellen arbeiten in einem Bereich zwischen minus 20 und plus 50 Grad. Das alles sind Eigenschaften, die den praktischen Nutzen im alltäglichen Einsatz erhöhen und viele Anwendungen überhaupt erst möglich machen.
Die Fragen stellte Herbert Grab.
SMA
Umfassend getestet
Der Wechselrichterhersteller SMA aus Niestetal bei Kassel hat den wandhängenden Batteriespeicher Sunny Boy Smart Energy auf den Markt gebracht, der seit diesem Frühjahr an die Installateure ausgeliefert wird. „Wir verfügen über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Umgang mit Batteriespeichersystemen“, sagt Martin Rothert, Experte für Stromspeicher bei SMA. „Seit fünf Jahren beschäftigen wir uns intensiv mit der Lithium-Ionen-Technologie. Die beiden Speichersysteme Sunny Boy Smart Energy und Sunny Island verfügen über anspruchsvolle Sicherheitskonzepte. Wir haben den Sunny Boy Smart Energy vor der Markteinführung im April umfassend getestet.“ Der VDE wurde in die Produktentwicklung eingebunden, die Sicherheit abschließend zertifiziert.
Die für das Batteriepack des Sunny Boy SE verwendeten Zellen erfüllen die Qualitätsstandards aus der Automobilindustrie. Das Pack ist nach UN 38.3 (Transportsicherheit) zertifiziert. Es wurde auch auf internen Kurzschluss (Schlag- und Vibrationstest), externen Kurzschluss und Überladung geprüft. Zudem verfügt das Batteriesystem über ein redundantes Sicherheitskonzept zur Überwachung und elektrischen Trennung, falls ein Kurzschluss die Batterie mit Überladung bedroht. Das Gesamtsystem entspricht dem Normenentwurf VDE-ST-Li-ESS-001:2013/03. Die Abschlusskabel haben vorkonfektionierte, verpolungssichere Stecker. Damit sind Fehler bei der Installation und Bedienung nahezu ausgeschlossen.
TÜV Süd Battery Testing GmbH
Ab 2016 verpflichtend: Test und Typzulassung ECE R100
Die sogenannte ECE-Homologation (Economic Commission for Europe) ist ein überstaatliches System für die Zulassung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen. Mit der ECE R100 – die Regelung für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge – verschärft der Gesetzgeber nochmals seine Zulassungsnorm, nämlich für Elektrofahrzeuge.
Ab 2016 ist die ECE R100 für alle verpflichtend. Darauf weist der TÜV Süd hin. Neben der bereits anspruchsvollen Transportrichtlinie UN 38.3, die generelle Voraussetzung für die Zulassung von Lithiumbatterien sowie Zellen zum Transport, sind nun auch auf Systemebene, also bei kompletten Packs, schwere dynamische und statische Missbrauchsversuche, wie zum Beispiel ein Batteriebrand oder ein Crashversuch, vorgeschrieben. „Da auch wir dem Thema Batteriesicherheit bei TÜV Süd von Beginn an besondere Aufmerksamkeit gewidmet haben und bereits über Prüfbunker in der notwendigen Dimensionierung verfügen, können wir die Anforderungen bereits heute erfüllen“, erläutert Michael Fessler von der TÜV Süd Battery Testing GmbH.
Um die geforderten Prüfungen durchzuführen, werden aufwendige Prüfstände benötigt. Dabei ist es wichtig, die Sicherheit von Personal, Kunden und die Ausrüstung der Prüfstände zu gewährleisten. Denn es ist nicht auszuschließen, dass ein Prüfling die Vortests nicht auf Anhieb besteht. Darüber hinaus müssen die Prüfanlagen einen gewissen Standard an Umweltschutztechnik erfüllen. „Die Erprobung an Batterien für Hybride und Elektrofahrzeuge erfolgt schließlich für eine Technologie, die zum Umweltschutz beitragen soll“, fügt Fessler hinzu. „Es versteht sich von selbst, dass bei den Tests keine unnötige Umweltverschmutzung etwa durch Emissionen auftreten darf.“
Sonnenbatterie
Mehrstufiges Konzept
Für die Speichersysteme der Sonnenbatterie wird ausschließlich die Lithium-Eisenphosphat-Technologie eingesetzt. Zusätzlich verwendet die Sonnenbatterie nur Batterien von zertifizierten Qualitätsherstellern, die sich auf dem neuesten Stand der Technik befinden. Dazu gehört zum Beispiel die keramische Beschichtung der Separatoren, die Anode und Kathode voneinander isolieren. Die keramische Beschichtung verhindert das Schmelzen dieser Isolierungsschicht und somit ein thermisches Durchgehen bei Beschädigungen oder Kurzschlüssen der Batterie.
Darüber hinaus verfügt die Sonnenbatterie über ein mehrstufiges Sicherheitskonzept. Das bedeutet, dass die Batterien durch zwei unabhängige Systeme überwacht und somit redundant gegen Überladung und Tiefentladung geschützt werden. Zusätzlich ist der Wechselrichter so konstruiert, dass es unmöglich ist, die Batteriezellen durch zu hohe Spannungen oder Tiefenentladung zu beschädigen. Kurzschlüsse der Batterien werden ebenfalls durch mehrere Sicherheitsmaßnahmen wirksam verhindert. Zusätzlich werden die Batteriezellen und Batteriemodule in verschiedenen Kurzschlusstests geprüft. All diese Sicherheitsmaßnahmen wurden vom TÜV gutachterlich überprüft und bestätigt.
Außerdem werden Temperatur und Spannung jeder einzelnen Zelle in Echtzeit überwacht. Bei Unregelmäßigkeiten wird das System sofort abgeschaltet.
Die Sonnenbatterie ist AC-gekoppelt und somit nicht direkt mit der Spannung der Photovoltaikanlage verbunden. Sie arbeitet im Bereich der Kleinschutzspannung von maximal 60 Volt DC. Das hat Vorteile im Hinblick auf die Sicherheit der Installateure und im Falle von Umgebungsbränden für die Einsatzkräfte.
Varta Storage
Ohne Kobaltoxid
Der Speicherhersteller Varta sieht sich durch die Forschungen am KIT bestätigt. „Bei unseren Engion-Speichern liegt ein Brand außerhalb meines Vorstellungsbereiches“, kommentiert Alexander Hirnet, technischer Direktor der Varta Storage GmbH, einer Tochtergesellschaft der Varta Micro Gruppe. „All unsere Speicher verfügen über ein geprüftes Sicherheitskonzept.“ In den Engion-Speichern wurde ein mehrstufiges Sicherheitssystem umgesetzt, das eine fortlaufende vollautomatische Überwachung gewährleistet. Jedes Batteriemodul bildet eine in sich geschlossene Einheit. Sollten Störungen auftreten, schalten sich die Batteriemodule selbstständig ab. Redundante Systeme gewährleisten auch bei Ausfall eines Sicherheitskreises den sicheren Betrieb. Ein hochwertiges Brandschutzgehäuse erhöht sich Sicherheit zusätzlich. Varta Storage verwendet Zellen mit Lithium-Eisenphosphat, aber ohne Kobaltoxid.
https://www.varta-ag.com/de/konsument/produktkategorien/energiespeicher