Sparen gilt als deutsche Tugend. Manche Schwaben mögen es sogar als ihre angeborene Leidenschaft bezeichnen. Im Modellprojekt der Stadtwerke Mannheim MVV Energie geht es aber nicht um Geld – jedenfalls nicht direkt. Kunden dieser Bank können Strom quasi einzahlen und abheben, wie es jeder von einem Girokonto kennt.
Die Strombank läuft seit fast einem Jahr. Dabei handelt es sich um einen großen Lithiumspeicher. Die Idee hinter der Strombank ist einfach und volkswirtschaftlich sinnvoll. Nur wenn der Strom aus Sonne und Wind auch vor Ort verbraucht wird, entlastet er die Stromnetze. Weil Strom aber nicht immer dann auch gebraucht wird, bietet sich eine Speicherung vor Ort an. „Dafür gibt es einen zentralen Speicher und viele Haushalte drumherum“, erläutert Jens Kistner von Ads-Tec aus Nürtingen. Er leitet dort die Produkt- und Forschungsabteilung zu Energiespeichern. 18 Teilnehmer hat das Pilotprojekt. Neben Ads-Tec und MVV Energie sind der Mannheimer Netzbetreiber Netrion sowie das Institut für Photovoltaik der Universität Stuttgart an dem Projekt beteiligt.
Immer noch stehen kleine und große Versorger vor der Frage, wie sie künftig Geld verdienen können. Schließlich werden immer weniger Mengen an Strom und Gas an Kunden verkauft. Erstens weil private Haushalte und Gewerbe immer häufiger ihren eigenen Strom produzieren. Sie werden sogenannte Prosumer. Und zweitens drängen die EU-Vorgaben zur Energieeffizienz die Versorger dazu, immer weniger Energie zu verkaufen. Ansonsten drohen ihnen sogar Geldstrafen.
Verdienen mit Speicherstrom
Künftig müssen die Versorger also auf neue Geschäftsmodelle setzen. Beispielsweise auf die zwischenzeitliche Lagerung von Strom in einem Speicher, wie die Strombank sie anbietet. Der Lithiumspeicher der ersten Strombank steht auf einem Grundstück von MVV Energie im Mannheimer Stadtteil Rheinau-Süd. Er ist in einem handelsüblichen, 20 Fuß großen Frachtcontainer behaust. Sechs Meter lang, 2,5 Meter breit und knapp drei Meter hoch ist der Container.
Hier befindet sich auch die Kommunikationseinheit, die eine Be- und Entladung des Speichers mit 100 Kilowatt Leistung steuert. Im Container ist aber viel Platz für weitere Batterien. Das System kann von den derzeitigen 116 auf 580 Kilowattstunden aufgerüstet werden. Zudem kann der Speicher auch Blindleistung bereitstellen.
Tagsüber geringe Grundlast
In den Speicher speisen insgesamt 15 Photovoltaikanlagen und drei BHKW ein. Es zeigt sich, dass das System stabil läuft. Die BHKW sind dabei wärmegeführt und produzieren relativ gleichmäßig Wärme und Strom. Der Strom aus dem BHKW wird tagsüber weitestgehend selbst verbraucht, in der Nacht wird er hingegen gespeichert. Am nächsten Tag wird der gespeicherte Strom komplett abgerufen. Denn viele Teilnehmer sind tagsüber außer Haus, sodass nur eine geringe Grundlast vorhanden ist. Deshalb wird ein großer Teil des Solarstroms gespeichert. Dieser Strom deckt zumindest anteilig die Abendspitzen dieser Haushalte. Somit steigt der Eigenverbrauch bei den beteiligten Haushalten und Gewerbebetrieben deutlich.
Das Projekt kostet insgesamt 800.000 Euro, wird aber durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg im Rahmen des Programms BW Plus mit 146.000 Euro gefördert. Die Förderquote liegt demnach bei 18,25 Prozent, der Rest ist privates Kapital.
Mit Smart Meter und Firewall
Die Strombank speichert den Stromüberschuss zentral aus den teilnehmenden Haushalten und speist ihn bei Bedarf wieder ins Netz. Die Haushalte und Speicher sind übers das Internet in einer „Cloud“ miteinander verbunden. So hat jeder Teilnehmer zu jeder Zeit Zugriff auf das Stromkonto.
Die Koordination läuft virtuell über eine App, die ebenfalls vom Batteriehersteller Ads-Tec kommt. So weiß jeder der angeschlossenen Hauseigentümer und Gewerbetreibenden, wie viel Strom gerade im Speicher ist – beziehungsweise wie viele Watt auf dem Konto schlummern. Zusätzlich sind die angeschlossenen Verbraucher mit einem speziellen Messequipment ausgestattet. Das besteht aus einem Smart Meter und einer Firewall, mit denen die Daten zentral gesammelt und ausgewertet werden. Über die App der Strombank haben alle Teilnehmer des Projekts mit einem Tabletcomputer ihren Strom im Blick.
Eine App visualisiert das Stromkonto
„Mit der Strombank ist Strom plötzlich greif- und erfassbar, vergleichbar mit unserem Geld auf dem privaten Bankkonto“, veranschaulicht Kistner von Ads-Tec. Die Menge des selbst erzeugten Stroms, die eigenen Verbrauchsdaten sowie die Strommenge, die in der Batterie gespeichert wird und später wieder nutzbar ist, werden so visualisierbar und nachvollziehbar. Der Vorteil für die Beteiligten: Ein Großspeicher ist deutlich günstiger, als wenn jeder Anlagenbetreiber seinen eigenen Speicher betreibt. Außerdem werden so die Speicherkapazitäten besser genutzt.
Durch das Pilotprojekt will der Versorger auch das Verhalten der Nutzer besser verstehen. Dann kann er in Zukunft die Einspeisung und Entnahme von Strom im Netz besser planen.
Ein erstes Fazit
„Mit der Strombank erproben wir die lokale Vernetzung von Erzeugung und Verbrauch“, erklärt Robert Thomann, Projektleiter Strombank bei MVV Energie. So können künftig mehr Ökostromanlagen in die Netze eingebunden werden. „Die Strombank zeigt, wie vorhandene Speichertechnik mit dem passenden Betriebskonzept bereits heute im realen Einsatz diesen Zweck erfüllt.“
Seit Dezember 2014 läuft in Mannheim der Praxistest. Die endgültigen Ergebnisse werden erst Ende März 2016 verkündet, aber photovoltaik erhielt vorab ein erstes Fazit. Bei der Analyse der Kontoinhaber wurde deutlich, dass die Betreiber von Photovoltaik und KWK-Anlagen gegenläufig zueinander die Strombank nutzen. Im Sommer produzieren die Photovoltaikanlagen hohe Überschüsse, während viele der KWK-Anlagen in den wärmeren Monaten stillstehen.
Speichergröße nach Jahreszeit
Im Winter ist die Situation hingegen genau andersrum: Die KWK-Anlagen liefern konstant Strom, während die Solarstromanlagen wenig einspeisen und auch weniger Strom gespeichert werden muss. Besitzen alle Teilnehmer stets ein gleich großes Konto, das sie mit ihren Überschüssen beladen, liegen Kapazitäten der Akkus brach. Aus diesem Grund erweist sich eine saisonale und individuelle Anpassung der Kontogröße als sinnvoll, resümiert der Versorger MVV.
Die gesamte Kapazität von 50 Kilowattstunden werde zu Beginn von Sommer, Winter und den beiden Übergangszeiten neu auf die 18 Kontobesitzer verteilt. Die Optimierung basiert auf einer nachträglichen Bestimmung der zyklisierten Energiemenge, die durch das Strombankkonto fließt. Diese wird auf der Grundlage der Last- und Erzeugungszeitreihen der jeweiligen saisonalen Perioden berechnet.
Das Konto der Teilnehmer wird so gewählt, dass die zyklisierte Energiemenge maximal ist. „Im Laufe des Jahres können die Teilnehmer somit drei verschiedene Speichergrößen nutzen, die im Gegensatz zu einer festen Kontogröße optimal an ihren saisonalen Bedarf angepasst sind“, erklärt Thomann.
Im Sommer ergibt sich für die Haushalte mit einer Solaranlage, die über 2,5 bis fünf Kilowatt Leistung besitzen, eine Kontogröße von zwei bis sechs Kilowattstunden. In der Übergangszeit ist der Speicherbedarf in der Regel etwas geringer und liegt zwischen einem und vier Kilowattstunden. Im Winter nutzen die Solaranlagenbesitzer ihren Speicher kaum. Deshalb wurde eine Grenze von einer Kilowattstunde eingeführt und die restliche Speicherkapazität durch die KWK-Anlagen ausgelastet.
Das neue Carsharing
„Die vorläufigen Ergebnisse des Praxistests bestätigen unsere Vermutung, dass Photovoltaik und effiziente Mikro-KWK, die an einen gemeinsamen Speicher angeschlossen sind, dessen Kapazität optimal ausnutzen“, sagt Thomann. Bei der Strombank würden dazu die Speichergrößen, die den einzelnen Teilnehmern zugeordnet sind, den Jahreszeiten angepasst.
Diese flexible Zuordnung entspreche dem Gedanken einer gemeinsamen Nutzung von Ressourcen, erläutert Thomann. Es sei mit dem immer mehr etablierten Carsharing bei Autos gut vergleichbar.
Wemag
Großspeicher liefert mehr Rendite
Die Bilanz nach dem ersten Betriebsjahr des Großspeichers in Schwerin fällt positiv aus. Damit geht das Geschäftskonzept der Wemag als Betreiber der Lithiumgroßspeicher auf. Zum einen kann der Versorger mit dem Speicher die an seinem Netz angeschlossenen Ökostromanlagen besser integrieren, ohne das Netz stark ausbauen zu müssen. Immerhin werden schon mehr als 80 Prozent der im Netzgebiet der Schweriner verbrauchten Strommenge mit Windkraft- und Photovoltaikanlagen produziert. So spart die Wemag mit dem Speicher schon Geld.
Die Schweriner verdienen aber zusätzlich, indem sie zumindest mit dem Teil der Leistung des Speichers an der Ausschreibung von Primärregelleistung teilnehmen. Dabei konnte die Wemag mit ihrem Speicher alle Ausschreibungen gewinnen, an denen sie sich beteiligt hatte. Die Schweriner erzielten damit durchschnittlich einen Erlös von 3.810 Euro pro Megawatt, berichtet Systemintegrator Younicos. Der Preis liegt damit im oberen Preisbereich, der mit den Ausschreibungen erzielt wird. Damit sind die Umsätze weit über den Erwartungen zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung.
Diese Erlöse werden noch einmal steigen, wenn auch das letzte Megawatt für den Primärregelleistungsmarkt präqualifiziert ist und die Wemag die vollen fünf Megawatt vermarkten kann.
Auf einen Blick
Batteriedaten
- Größe: 20-Fuß-Container
- Technologie: Lithium-Ionen-Batterien
- Systemkapazität (brutto): 116 Kilowattstunden
- Optionale Erweiterung: bis zu 580 Kilowattstunden (brutto)
- 4.000 Zyklen bei 80 Prozent Entladetiefe bis 80 Prozent Restkapazität erreicht
- Anschlussleistung: 100 Kilowatt nominal, 400 Volt AC, 50 Hertz
- Betriebsart: bidirektionale Entladung
- Blindleistungsbereitstellung: kapazitiv und induktiv möglich
- Betriebsschnittstellen: Masterprotokoll über Modbus TCP
- Klimaanlage und Heizung am Aufstellort: minus zehn Grad Celsius bis plus 45 Grad Celsius