Der Gerkenhof liegt zwischen Bremen und Walsrode. Das Landgut verbindet die Tradition von Landwirtschaft und Pferdezucht mit modernster Energietechnik. In den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden kommt immerhin ein Jahresstrombedarf von rund 250.000 Kilowattstunden zusammen. Künftig soll dieser Bedarf fast vollständig mit eigenem Ökostrom gedeckt werden – auch um die Betriebskosten zu senken.
Der Hof verfügt über eine Photovoltaikleistung von insgesamt 174 Kilowatt, eine Anlage mit 30 Kilowatt speist seit 2014 ins Stromnetz. Eine Windenergieanlage mit 30 Kilowatt Leistung soll einen Jahresertrag von rund 64 Megawattstunden beisteuern.
Intelligente Kommunikation
Zum Konzept gehört der Gewerbespeicher Quattroporte mit 156 Kilowattstunden Kapazität und zehn Wechselrichtern von E3/DC, die wesentliche Regelfunktionen im System übernehmen. Das Konzept der Nulleinspeisung setzt neue Maßstäbe für die Energiewende im ländlichen Raum. So kann die Pferde- und Rinderzucht nahezu autark betrieben werden. „Man braucht intelligente Wechselrichter und intelligente Speicher, die man beliebig skalieren und erweitern kann – und die miteinander kommunizieren“, sagt Andreas Piepenbrink, Geschäftsführer von E3/DC.
Man habe hier Photovoltaik zugebaut, um Kosten einzusparen, nicht um Strom zu verkaufen. „Ein Novum bei Gewerbeanlagen dieser Größenordnung ist die hochschnelle, modulare und sichere Regelung mit einem entsprechenden Messkonzept.“
Das Herzstück der Eigenversorgung auf dem Gerkenhof ist das Speichersystem. Es bringt die solare Erzeugung mit dem über den ganzen Tag verteilten Verbrauch in Einklang.
Der Installateur Holger Laudeley hat eine Farm aus drei Quattroporte Linea mit jeweils 52 Kilowattstunden installiert. Der AC-Gewerbespeicher hat eine maximale Ausspeiseleistung von 36 Kilowatt und eine Dauerleistung von 27 Kilowatt.
Notstrom ist sehr gefragt
Damit lässt sich der Bedarf des Gutshofs decken, wenn die Sonne nicht liefern kann. Die Wandlung des Solarstroms übernehmen die Wechselrichter, die Laudeley in das Regelkonzept zur Nulleinspeisung integriert hat. „Die gesamte Anlage ist künftig auch auf eine Notstromversorgung ausgelegt und kann bei wachsendem Energiebedarf erzeugungs- wie speicherseitig erweitert werden“, sagt Laudeley. Die Gedanken des Gutshofbesitzers gingen bereits in diese Richtung.
Bei Gewerbespeichern mit rund 100 Kilowatt Leistung und 100 Kilowattstunden Kapazität sei die Frage nach der Rentabilität nicht so einfach zu beantworten, sagt Hans Urban, Berater der Firma Smart Power. Denn die Speicheranwender zahlen meistens keine so hohen Leistungspreise von 100 Euro und mehr pro Kilowatt Leistung an die Verteilnetzbetreiber.
Vielmehr sei der Leistungspreis je nach Stromabnahmemenge zu einem gewissen Anteil pauschal im Energiepreis miteingerechnet, so wie bei Haushalten auch. Dennoch gebe es hier oft rentable Speicher in Verbindung mit interessanten Betriebsmodellen, erklärt Urban.
Kühllager und Stromspeicher
Darunter fallen erneuerbare Erzeugungskapazitäten oder auch die netzdienliche Ladung von Elektrofahrzeugen – ein Trend, der sich derzeit immer stärker abzeichnet. „Für Speicher dieser Größenordnung haben wir bei Smart Power ein standardisiertes Produkt entwickelt, den Smart Power Cube“, berichtet Hans Urban.
Ein besonderer Vorteil bei diesem Strompuffer sei, dass der Speicher im Freien aufgestellt werden könne. Smart Power und der Projektierer Baywa r.e. haben in letzter Zeit zusammen einige Projekte realisiert.
Ein Beispiel ist ein Obstlager in Ailingen. Hier stellt die Kombination einer gekühlten Lagerhalle mit einer großen Photovoltaikanlage und einem dazugeschalteten Speichersystem ein optimales Anwendungsbeispiel im positiven Sinne der Energiewende dar. Die Rentabilität entsteht insbesondere in der Verbindung von Speicher und Photovoltaikanlage.
Hybrid aus Neu- und Altakkus
Der Baywa-Tower in München ist ein weiteres Beispielprojekt, das in der Zusammenarbeit verwirklicht wurde. In der Tiefgarage des neu renovierten Hochhauses wurde ein Hybridspeicher bestehend aus 65 Kilowattstunden Neubatterien und 96 Kilowattstunden gebrauchten Batteriemodulen aus einer ehemaligen Daimler-Flotte installiert.
Durch ein Konzept mit Stringwechselrichtern werden die beiden Batteriepakete individuell angesteuert, sodass die Alterung und damit die Lebensdauer beider Batteriepakete durch eine entsprechende Leistungsaufteilung ganz gezielt optimiert werden kann. Der Speicher wird für Lastspitzenverschiebung am Netzanschlusspunkt eingesetzt, so spart der Betreiber jährlich Netzentgelte. Er zahlt also weniger aufgrund geringerer Bezugsspitzen.
Rentabel wird das Projekt auch durch das Einsparen des Leistungspreises, aber hier ist besonders das netzdienliche Laden von Elektrofahrzeugen das Schwerpunktthema. „Das wird in diesem Fall aber nicht nur durch den Speicher alleine erreicht“, erläutert Hans Urban, „sondern durch ein entsprechendes Energiemanagementsystem, das auch die Elektrofahrzeuge über das Lastmanagementsystem einbindet.“
Speicher erweitert Möglichkeiten
Die Wirtschaftlichkeit für ein solches System zu prognostizieren und zu berechnen, sei eine komplexe Aufgabe, erklärt der Speicherexperte. Denn durch solche Systeme werden bestimmte Dinge nicht nur wirtschaftlich optimiert, sondern unter Umständen auch erst ermöglicht.
So müsste bei einem solchen Projekt zum Beispiel bewertet werden, welcher wirtschaftliche Vorteil dadurch entsteht, wenn zwei, fünf oder zehn Elektrofahrzeuge von Mitarbeitern gleichzeitig laden können. „Dies ist in vielen Fällen nicht mehr alleine eine Kostenfrage, sondern auch durch die Leistungsfähigkeit des Hausanschlusses limitiert.“
Lebenserhaltende Systeme
Gerade in der Landwirtschaft sei die Notstromfunktion nicht zu vernachlässigen, betont Urban. Denn kein Puten- oder Schweinestall komme heutzutage ohne Lüftung aus, alle lebenserhaltenden Systeme brauchen Strom, Kühe müssen gemolken werden.
Selbst eine Fischzucht kommt ohne Zwangsbelüftung heutzutage nicht mehr aus, längere Stromausfälle bedeuten den Komplettausfall des Bestandes. Ein Speicher mit Photovoltaik könne das natürlich alles mit erledigen, allerdings muss die Wechselrichterkonfiguration dafür ausgelegt sein.
Die Risiken abwägen
Diese Risikobetrachtung sei natürlich auch ein Teil der Rentabilitätsrechnung, sagt Hans Urban. Bisher waren zum Beispiel Zapfwellenaggregate für Schlepper gerade in der Landwirtschaft eine Option, um eventuell Stromausfälle zu überbrücken. „Aber für die heutzutage verbreiteten modernen Systeme reicht die Netzqualität nicht mehr aus.“
Matthias Kampert ist selbst Landwirt und auf seinem Hof im westfälischen Lüdinghausen für 130 Milchkühe verantwortlich. Vor allem für das Melken der Tiere und die Kühlung der Milch fällt ein hoher Stromverbrauch an.
Um sich von steigenden Energiekosten unabhängig zu machen, hat er sich für die Installation einer Photovoltaikanlage entschieden. Insgesamt 41 Kilowatt leisten die Module auf den Dächern des Hofes.
Den Strom kann Kampert gut gebrauchen, allerdings hat er ein Problem: Da der Landwirt seine Kühe vor Sonnenaufgang und in den Abendstunden milkt, kann er den Solarstrom nicht direkt nutzen. Eine zweite Lastspitze außerhalb der ertragreichen Zeiten der Solaranlage fällt durch das Kühlaggregat an. Um dennoch mit Sonnenstrom zu melken und zu kühlen, hat er sein Photovoltaiksystem um einen Speicher ergänzt. Damit steigen zwar die Investitionskosten, aber er kann die Energie vom eigenen Dach komplett nutzen.
Dadurch spart er sich den Strombezug aus dem Netz. Insgesamt kann der Speicher von Tesvolt 38,4 Kilowattstunden Strom lagern. Das reicht, um den Melkstand mit zehn Plätzen und das Kühlaggregat zu versorgen.
Der Speicher leistet dauerhaft 18 Kilowatt. Das genügt, um die beiden Verbraucher sogar parallel zu betreiben. Denn die Vakuumpumpen der Melkmaschinen ziehen 4,5 Kilowatt, und das Kühlaggregat hat eine Leistungsaufnahme von sechs Kilowatt. Da bleiben genügend Reserven, um weitere Verbraucher mitzubedienen. Außerdem kann der Speicher seine Leistung für 30 Minuten auf 33 Kilowatt steigern.
Smart Power
Viel Speicherkapazität auf wenig Raum
Das bereits 2019 vorgestellte modulare Speichersystem Smart Power Cube für kleine bis mittlere Gewerbeanwendungen wurde nun weiter optimiert. Durch nochmals gesenkte Systemkosten gibt es nun noch mehr attraktive Anwendungsfälle. Mit Leistungen bis 200 Kilowatt und möglichen Batteriebestückungen bis 225 Kilowattstunden lassen sich viele Kundenwünsche und Betriebsfälle abdecken.
Die kompakte Bauart, die Schutzart IP54 und die integrierte Klimatisierung erlauben eine Aufstellung im Außenbereich. Auch für die Pufferung von Schnellladestationen, die im Rahmen der Mobilitätswende aktuell bereits häufig verbaut werden, ist der Smart Power Cube ideal geeignet. Auch Speichersysteme bis rund ein Megawatt lassen sich durch entsprechende Kaskadierung problemlos realisieren. Der Vertrieb dieses Baukastensystems soll im Wesentlichen über Partner erfolgen, die den Speicher wiederum in eigene Projekte integrieren und so ihren Kunden ein abgerundetes energetisches Gesamtkonzept anbieten können.
Tesvolt
Lithiumspeicher halbieren Dieselverbrauch
Das norwegische Fischzuchtunternehmen Kvarøy nutzt einen Großspeicher auf seiner Lachsfarm vor der Insel Selsøyvær im Nordmeer. Der Dieselgenerator läuft dadurch deutlich weniger Stunden. Das spart 150.000 Euro pro Lachsgeneration. Das Familienunternehmen Kvarøy hat sich die nachhaltige Fischzucht auf die Fahnen geschrieben.
Dabei ist der hohe Dieselverbrauch beim Betrieb der Fischfarm und der Fütterungsanlagen eine wesentliche Stellschraube. Auf der Plattform für die Fischfarm sind zwei große und ein kleiner Dieselgenerator in Betrieb. Mindestens einer muss ständig laufen, da es an Bord keinen Stromanschluss gibt.
Auf der schwimmenden Arbeitsplattform reduzieren die Lithiumakkus mit einer Kapazität von 158 Kilowattstunden die Diesellaufzeit von 24 auf nur drei Stunden pro Tag. Bei der Aufzucht einer Lachsgeneration, die etwa 18 Monate dauert, spart das Unternehmen so zwischen 150.000 und 200.000 Euro ein und reduziert den Ausstoß von Kohlendioxid.
Das Batteriesystem hat der Gewerbespeicherhersteller Tesvolt zusammen mit seinem norwegischen Partnerunternehmen Kverneland Energi individuell entwickelt und installiert. Das System mit 120 Kilowatt installierter Leistung wird über das Internet von Land aus überwacht und gesteuert. Die Leistungselektronik dirigiert alle Energieflüsse auf der Arbeitsplattform automatisch und versorgt alle Verbraucher mit Strom.
Ein Dieselgenerator erzeugt im Volllastbetrieb Strom für die Akkus. Mit dem Batteriestrom werden die elektrischen Verbraucher versorgt. Erst wenn der Ladezustand niedrig ist, wird der Generator zugeschaltet und die Akkus werden wieder aufgeladen. Durch das Batteriesystem kann der Dieselverbrauch auf der Fischfarm laut Angaben von Tesvolt um bis zu 60 Prozent reduziert werden.
EuPD/Innogy
Strompuffer fürs Gewerbe legen global zu
Allein im vergangenen Jahr haben Gewerbespeicher enorm zugelegt. Um rund 34 Prozent gegenüber 2018. Ihre
Kapazität wird bis 2030 von heute zehn auf insgesamt 198 Gigawattstunden ansteigen. Das prognostiziert die Studie „Energiekostenoptimierung mit passgenauen Energiespeicherlösungen – storage as a service“ von Innogy und EuPD Research.
Allein in Deutschland gibt es mehr als 500.000 stromintensive Unternehmen, die Interesse an einem Batteriespeicher zur Netzentgeltoptimierung haben könnten. Für weitere gut zwei Millionen Betriebe kommen Batteriespeicher für zusätzliche Einsatzbereiche wie Eigenverbrauchsoptimierung oder eine Notstromversorgung in Betracht, schreiben die Experten.
Die Preise für Batteriespeichersysteme sind in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Für Speichersysteme mit Lithium-Ionen-Akkus stellt Bloomberg New Energy Finance (BNEF) im Zeitraum von 2010 bis 2016 einen Preisrückgang von 1.000 auf unter 290 US-Dollar pro Kilowattstunde fest. Das entspricht einem durchschnittlichen Preisrückgang von 20 Prozent jährlich.
Vieles spricht für eine Fortsetzung des Trends. Marktbeobachter erwarten einen weiteren Rückgang des Preisniveaus für Lithiumbatterien auf 80 bis 100 US-Dollar pro Kilowattstunde bis 2030. Die Internationale Organisation für erneuerbare Energien Irena begründet das mit sinkenden Produktionskosten für Batteriespeicher von über 50 Prozent. Die Preise für Batteriespeicher werden demnach weiter fallen.