Im Mai hatten der VDE und die Deutsche Kommission für Elektrotechnik (DKE) die neue Anwenderregel VDE-AR-E 2100-712 veröffentlicht. Sie definiert die Anforderungen an Trennschalter und Freischaltsysteme für Photovoltaikanlagen im Brandfall. Nun ist eine erneute Debatte in Gang gekommen.
Denn im Punkt 7.3 erklären VDE/DKE: „Ein dauerhaftes Kurzschließen eines Stranges oder eines PV-Generators ist nicht zulässig. ... Dies ist begründet in dem Auftreten der Strangspannungen an einer ungewollten Unterbrechung oder einer erhöhten Lichtbogengefahr innerhalb des kurzgeschlossenen Stranges. Ein definiertes, kurzzeitiges Kurzschließen (15 Sekunden) zum Löschen von Parallel-Lichtbögen im Strang oder im PV-Generator ist zulässig.“
Österreicher bewerten den Kurzschluss anders
Allerdings hatte der Österreichische Verband für Elektrotechnik schon zu Jahresbeginn in seinem Regelwerk (OVE R 11-1, Punkt 5.1.3.) explizit gefordert: „... muss einen dauerhaft definierten Kurzschluss sicherstellen“. Entsprechende Einwände und Hinweise nahm die DKE offenbar nicht zur Kenntnis. Nun gibt es zwischen den beiden Regelungen diesen kleinen, aber beträchtlichen Unterschied.
Die Kurzschlussvorrichtung im Strang bietet im Unterschied zur Leitungstrennung einige Vorteile. So wird die Spannung bis zu den Modulen auf null geschaltet. Wenn ein Kurzschließer defekt sein sollte und der Lichtbogen beispielsweise kleben bleibt, wird durch den Kurzschluss dennoch immer der sichere Zustand gewährleistet (null Volt). Wenn der Schalter brennt, bleibt der mechanische Kontakt geschlossen. Redundanz ließe sich durch mehrere mechanische Kontakte innerhalb einer Stringbox erreichen. Die Stringspannung wird bis zu den Modulen eliminiert und nicht nur bis zur Schaltstelle wie bei einem einfachen Trennschalter. Trennschalter im String schalten die Anlage nur teilweise frei. Bei einem Kurzschluss des Strings werden alle Stringleitungen bis hin zu den Modulen spannungsfrei geschaltet.
Handlungsbedarf beim VDE
Gegen den Kurzschluss im String spricht die Gefahr der „ungewollten Unterbrechung“, wie von der DKE formuliert. Allerdings ist es in der Praxis ziemlich unwahrscheinlich, dass sich ein Stringkreis im Brandfall von allein öffnet. Selbst wenn Steckverbinder oder Kabel durchbrennen, bleiben die metallischen Steckkontakte zusammen, da der Schmelzpunkt der Metalle (Federstahl) bei einem normalen Brand nicht erreicht wird. Selbst wenn sich die Kontakte oder Kabelseelen (blankes Kupfer) berühren sollten: Solange eine Kurzschlussbox den Strang kurzgeschlossen hat, ist das Potential auf null Volt, so dass kein Lichtbogen entstehen kann. Auch ist unklar, warum diese „Gefahr“ in Österreich offensichtlich keine Rolle spielt.
An dieser Stelle besteht Handlungsbedarf, die VDE-AR noch einmal kritisch anzuschauen und zu aktualisieren. Für die Hersteller und Installateure ist nicht einsehbar, warum die beiden elektrotechnischen Verbände in Deutschland und Österreich derart unterschiedlicher Auffassung sind. (Heiko Schwarzburger)
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