Selten, diese Einigkeit: Drei Bundesminister traten Mitte Februar vor die Presse in Berlin, um ihre Ideen für die Energiewende auf landwirtschaftlichen Flächen zu präsentieren. Agri-PV soll künftig auf allen Ackerflächen über das EEG gefördert werden. Landwirtschaftlich genutzte Moorböden sollen als neue Flächenkategorie ins EEG aufgenommen werden. Voraussetzung für die Förderung ist die Wiedervernässung dieser bisher entwässerten Böden – als Beitrag zum Klimaschutz.
Zusätzlich soll den Kommunen erlaubt werden, bei allen Freiflächen eigene Kriterien für den Naturschutz vorzuschreiben. „Wir haben uns vorgenommen, in weniger als neun Jahren 80 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energien zu erzeugen“, erläuterte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. „Unser Vorschlag kann einen maßgeblichen Beitrag zum Ausbau der Photovoltaik leisten. Das bringt den Klimaschutz voran und behält gleichzeitig die Belange der Landwirtschaft und des Naturschutzes im Auge.“
Wohltönende Ansagen
Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagte: „Eine entscheidende Aufgabe in dieser Legislaturperiode ist, den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben und mit dem Natur- und Artenschutz zusammenzubringen. Wir brauchen beides. Der Weg hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung bietet dabei auch neue Chancen für den ländlichen Raum.“
Und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir meinte: „Unsere drei Häuser haben sich vorgenommen, einen optimalen Ausgleich zwischen den Anforderungen der Landwirtschaft und der Energieproduktion sowie dem Schutz der Natur zu gewährleisten. Agri-Photovoltaik ermöglicht es unseren Landwirtinnen und Landwirten, einen Beitrag zur Versorgung mit erneuerbaren Energien zu leisten und landwirtschaftliche Nutzflächen trotzdem weiter bewirtschaften zu können.“
Drei Ressorts ziehen an einem Strang
Die gute Nachricht zuerst: Endlich sendet die Politik Signale, den Ausbau der erneuerbaren Energien tatsächlich in Schwung bringen zu wollen. Dass diese drei Ressorts der Bundesregierung in Berlin an einem Strang ziehen, ist ein Novum.
Aber: Gut gemeint ist längst nicht gut gemacht. Ausgerechnet die teure Agri-PV soll als Wundermittel wirken, um die Landwirte für die Energiewende zu begeistern! Sie über das EEG zu fördern, ist sicher nicht falsch. Aber es löst weder die Probleme der Landwirte, noch wird der solare Zubau auf diese Weise in Schwung kommen.
Denn die Agri-PV steckt noch in den Kinderschuhen, sie ist teuer und bedarf vieler Forschungsprojekte, um zur Massentechnik zu werden. Erst kürzlich hat die Landesregierung von Baden-Württemberg 2,5 Millionen Euro Förderung in Aussicht gestellt, um fünf Pilotprojekte im Ländle auf den Weg zu bringen. Die Agri-PV ist weit von der Wirtschaftlichkeit entfernt, weiter als jede andere solare Flächennutzung.
Neue Kleinstaaterei
Außerdem sollen die Kommunen eigene Vorbehalte des Naturschutzes definieren dürfen, um Freiflächen als Solarparks auszuschließen. Bisher dürfen die Bundesländer eigene Kriterien definieren, das ergibt schon eine bunte Karte der Republik. Nun sollen auch die Kommunen mitreden. Dann dürften Genehmigungen für Solarparks noch aufwendiger und langwieriger werden. Sieht so die Entfesselung der Energiewende aus?
Landwirtschaft erzeugt Energie, von alters her. Denn Nahrungsmittel sind eine Form der Energie, Lebensenergie für die Menschen. Von alters her gilt auch: Der Anbau von Pflanzen und die Haltung von Tieren ist sehr aufwendig, erfordert viel Brennstoff, Technik und Fläche. Deshalb werden die Landwirte seit Jahrzehnten beispielsweise durch die Subventionen beim Agrardiesel gepäppelt.
Am Rand der Wirtschaftlichkeit
Die jüngsten Preissteigerungen der fossilen Energieträger treiben viele bäuerliche Betriebe an den Rand der – ohnehin prekären – Wirtschaftlichkeit. So wird die Nutzung aller verfügbaren Flächen für die Eigenstromversorgung zur Überlebensfrage für die Höfe.
Will man die Energiewende entfesseln und die Bauern unterstützen, sind alle Auflagen und alle Subventionen ungenutzter Flächen aufzulösen. Die in Deutschland geltenden Regeln zum Naturschutz reichen völlig aus, um die Energiewende zu flankieren. Es bedarf weder landesrechtlicher noch kommunaler Sonderregelungen.
Zu kurz gesprungen
Mehr Agri-PV kann nicht die einzige Maßnahme sein, um die Energiewende voranzubringen. Ebenso wichtig wäre, dass Landwirte brach liegende Flächen für Sonnenstrom nutzen können, ohne die Stilllegungsprämien der EU zu riskieren. Deshalb kritisierte beispielsweise Carsten Körnig vom BSW-Solar: „Die jetzt unterbreiteten Vorschläge der Bundesministerien sind ein Schritt in die richtige Richtung, springen allerdings zu kurz.“
Die Agri-PV kann einen Beitrag zur Verringerung der Flächenkonkurrenz leisten, das ist unstrittig. Allerdings verursacht sie konstruktiv bedingte Mehrkosten, was eine gezielte Förderung durch das EEG und die darin festgeschriebenen Auktionen erforderlich macht.
Dagegen erweisen sich viele Solarparks auf Brachen oder anderen Flächen als Segen für die Artenvielfalt einer Region – man kann sie über PPA ohne EEG und ohne Auktionen bauen.
Genehmigungen vereinfachen
Nach Einschätzung des BSW-Solar ist es überfällig, die derzeit restriktive Standortkulisse für neue Solarparks insgesamt und nicht nur für Agri-PV auszuweiten und die Genehmigungsprozesse zu beschleunigen. Die aktuelle Beschränkung auf Verkehrsrandstreifen, Konversionsflächen und ausgewählte benachteiligte Gebiete sei weder sachgerecht noch zeitgemäß.
So sei nicht nachvollziehbar, dass bislang weiterhin keine bundeseinheitliche Öffnung auf sogenannten „benachteiligten Gebieten“ angestrebt werde. Auch ist es nach Auffassung des BSW-Solar nicht zielführend, dass es jeder Kommune selbst überlassen werden soll, Naturschutzkriterien für die Genehmigung von Solarparks zu definieren.
Relikt der schwarz-gelben Bremser
Dadurch drohen erhebliche Verzögerungen bei der Genehmigung von Projekten. „Das Standortkorsett ist ein Relikt aus dem fossilen Zeitalter“, kritisierte Carsten Körnig. „Es droht zu einem Flaschenhals der Energiewende zu werden. Der Mangel an geeigneten Standorten wird absehbar zur Investitionsbarriere.“
Zudem verteuern sich durch diese Beschränkungen die Pachtpreise für die Anmietung der Flächen, was letztlich auch den Solarstrom verteuert. Mit der künstlichen Verknappung von Standorten für Solarparks verfolgte die schwarz-gelbe Bundesregierung vor rund zehn Jahren das Ziel, den Ausbau der Solarenergie zu bremsen.
Auktionen sind Ausbaubremsen
Das gleiche Ziel verfolgte sie mit dem Übergang zu den Auktionen, die man als kontrollierte Vollbremsung der Energiewende bezeichnen kann. Denn seit ihrer Einführung sind die Auktionen mehrfach überzeichnet, nur ein Bruchteil der Gebote wird bezuschlagt und tatsächlich gebaut.
Jetzt geht es darum, den Fuß generell von der Bremse zu nehmen. Solange der solare Zubau durch die bürokratischen Regelungen des EEG und durch Auktionen stranguliert wird, bleiben 200 Gigawatt mehr Solarstrom bis 2030 ein frommer Wunsch.
Große Chancen für die Landwirte
Die neue Bundesregierung strebt für den Klimaschutz und zur Kompensation des Atom- und Kohleausstiegs eine Vervielfachung des jährlichen Photovoltaikzubaus an. „Es liegt auf der Hand, dass es dafür zusätzlicher Flächen bedarf“, erläuterte Carsten Körnig. „Insbesondere Landwirten sollten mehr Möglichkeiten eingeräumt werden, auf ihren Flächen barrierefrei Solarstrom zu erzeugen und zu nutzen.“
Es sei gar nicht erforderlich, mit der Photovoltaik in den Wettbewerb um landwirtschaftlich oder naturräumlich besonders wertvolle Flächen zu treten. Es bestehe zudem Einvernehmen mit Naturschützern, dass sich bei einer intelligenten Planung und Pflege der Solarparks häufig sogar eine ökologische Aufwertung der Flächen erreichen lasse. Der BSW hatte im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) Kriterien für die besonders naturverträgliche Errichtung von Solarparks veröffentlicht. Diese können Kommunen in der Genehmigungspraxis als eine wertvolle Orientierungshilfe dienen.
Weniger als ein Prozent der Fläche
Den erforderlichen Flächenbedarf für ebenerdig errichtete Solarparks beziffert der BSW auf weniger als ein Prozent der Landesfläche. Dabei wird davon ausgegangen, dass künftig etwa die Hälfte des von der Bundesregierung angestrebten Zubaus auf Gebäuden erfolgt, die andere Hälfte mittels Solarparks.
Die Eigenversorgung mit Sonnenstrom oder Strom aus Windkraft und Biomasse wird in vielen landwirtschaftlichen Betrieben darüber entscheiden, ob sie die nächsten Jahre ökonomisch überleben. Eine Pleitewelle aufgrund steigender Energiepreise wiederum dürfte die Spekulationen mit Ackerland weiter befeuern – unabhängig von ihrer Nutzung für Sonnenstrom.
Neue Geschäfte in der Region
Für die Landwirte ergeben sich durch die Energiewende ganz neue Geschäftsfelder. Die Erzeugung von sauberem Strom tritt neben die Erzeugung von Lebensmitteln. Abnehmer sind die Kommunen, die Landkreise, das benachbarte Gewerbegebiet oder andere Partner. Der Landwirt wird zum Energiewirt.
In der regionalen Partnerschaft der Landwirte mit den Kommunen und Unternehmen gehen Ökonomie und Ökologie zusammen. Das ist zu fördern, neben technischen Innovationen wie Agri-PV, Floating-PV, BIPV oder der Produktion von Wasserstoff aus den Überschüssen von erneuerbaren Energien.
Es bleibt zu hoffen, dass die neue Einigkeit der Bundesministerien die Energiewende tatsächlich entfesseln kann. Wir brauchen nicht mehr Geld, nicht neue Auktionen, die schon bei ihrer Einführung unsinnig waren. Wir brauchen weniger Hürden und Vorschriften. Denn letztendlich wissen die Landwirte selbst am besten, wie sie ihr Geschäft wirtschaftlich gestalten.