Schön ist es im Paznauntal, westlich von Innsbruck in die Berge hoch, die langsam zu den Zentralalpen aufsteigen. Die beeindruckende Silvretta-Gruppe, halb zu Österreich und halb zur Schweiz gehörig: Großartig! Ganz großes Kino, wie bei Luis Trenker! Von der Idalp schweift der Blick nahezu endlos übers Engadin, und dahinter, hinter den schneebedeckten Gipfeln der Schweiz findet das Blau kein Ende.
Keine Werbung für Tyrol – oder doch?
Keine Sorge, wir sind hier nicht bei einer Werbesendung für Tyrol. Doch sind die weitläufigen Berge und die tief geschnittenen Täler sehr lehrreich, vor allem für die Solarbranche. Denn in diesem Sommer brannte auch dort die Sonne ungehindert. In Innsbruck maßen die Meteorologen knapp 40 Grad Celsius – neuer Rekord –, in See und Ischgl und Galtür waren es 35 Grad, und bei zweieinhalbtausend Metern, etwa auf der Idalp oder an der Acherhütte, waren es sicher noch 28 bis 30 Grad.
Und nirgends Schatten, denn wir bewegten uns jenseits der Baumgrenze. Einziger Trost: Die eisigen Schmelzbäche, die sich aus den Schneefeldern unter den Gipfeln speisen. Und die Almhütten, in denen wir pausierten. Dort gewannen wir ersehnten Schatten, kühle Alpenmilch und herrliche Rundblicke.
Keine Photovoltaik, wohin Du schaust
Aber, liebe Sonnenfreunde, das waren die guten Nachrichten. Nun die schlechte: Keine Photovoltaik, wohin das Auge reichte! Weder im Tal noch auf den Almen. Solarthermie ist verbreitet, meistens kleinere, etwas bejahrte Anlagen, offensichtlich für ein bisschen Brauchwasser im Sommer.
Aber Solarmodule, elektrischer Strom von der Sonne? Fehlanzeige. Nur sehr vereinzelt eine Handvoll Module, ganz selten ein halbes Dach. Und Dächer haben sie dort in den Bergen: riesige, stabile Dächer und ziemlich hohen Strombedarf.
So war das Thema gesetzt, beim abendlichen Plausch mit unseren Gastgebern. Denn unser Aparthotel, ein wunderbarer, sehr freundlicher Ort für die Gäste aus Berlin, speist sich aus dem Stromnetz und einer Ölheizung – ohne Solarthermie. Freilich, Österreich und vor allem Tyrol hat viel Wasserkraft.
Doch die Gastgeberin erzählte, dass in Kürze die Lizenzen für viele Wasserkraftwerke auslaufen. Zudem werden die Flüsse immer enger bebaut, was die Stromerzeugung erschwert. Neue Lizenzen mit den erforderlichen Investitionen belaufen sich schnell auf 40.000 bis 45.000 Euro. Fazit: „Das lohnt sich nicht mehr.“
Ein Gespräch über das Machbare
Wir haben diese Details nicht überprüft, das Wort unserer Wirtsleute gilt, das sind vertrauenswürdige Leute. Netzstrom kostet in Österreich rund zehn Cent weniger als in Deutschland. Aber die Heizung, die wird wohl demnächst ausgetauscht. Warum? Das Aparthotel hat mittlerweile 35 Jahre auf dem Buckel, müsste gründlich erneuert werden. Acht Appartements, voll belegt im Winter, gut besucht im Sommer, das nutzt sich ab.
In der Skisaison bis zu 25 Gäste nebst Equipment unterzubringen, birgt erhebliche Herausforderungen. Vor allem der kurzzeitige Bedarf an Warmwasser in den Stoßzeiten – nach der Rückkehr von der Piste – zwang bisher zu starken Brennern. Die Heizwärme spielt dagegen eher eine untergeordnete Rolle.
Im Sommer freilich läuft der Ölbrenner weiter, wegen des warmen Wassers. Die Energie in der warmen Jahreszeit mit Photovoltaik zu erzeugen, wäre mehr als lohnenswert. Vollversorgung klappt nur, wenn auch der Strom im Winter mit der Haustechnik erzeugt werden kann, zum Beispiel durch Blockheizkraftwerke.
Denn zwei Monate lang sehen die Orte im Tal des Paznauns überhaupt keine Sonne, dafür Unmengen von Schnee. Dann liegen die Hotels im Schatten der steilen Berge, schafft es die Sonne kaum über die Kämme.
Auch im Sommer ist das Wetter wechselhaft, schnell schieben sich Regenwolken von Piz Buin oder dem Grießkogel heran. Die zehntägige Hitzeperiode in diesem Juli war sehr ungewöhnlich, wenn auch nur ein Vorgeschmack auf die weitere Erwärmung des Klimas – auch in den Alpen.
Große, schneesichere Dächer
Dagegen locken die großen, sehr stabil gebauten Dächer. Da passen etliche Kilowatt drauf. Einige Orte im Paznaun haben bereits eine Gastrasse verlegt, allerdings sind viele der Hotels noch nicht angeschlossen. Wegen der alten Ölbrenner, die ja noch laufen – bis ihre Zeit vorüber ist.
Also sprachen wir über die Versorgung von Strom und Wärme im Winter, wenn in den Skigebieten der Bär steppt. Aprés ski in Ischgl, das ist wie Ballermann auf Mallorca. Die Türen sind weit geöffnet wie die Ohren unserer Wirtsleute, denn der Strombedarf wächst bereits, auch ohne E-Autos. Das merken sie an der Stromrechnung. Ganz selbstverständlich bringen die Gäste Dutzende Smartphones, Laptops, Notebooks und Gameboys und Playstations für die Kinder mit. Kampfwanderer sind mit elektronischen GPS-Systemen ausgestattet, die am Abend aufgeladen werden müssen.
Neuerdings rollen Horden von E-Bikes durch die Berge, gefühlt gibt es dort überhaupt keine Drahtesel ohne Batterie mehr. Demnach ist die Elektrifizierung des Tourismus in vollem Gange. Ach, nicht zu vergessen: die vielen Seilbahnen. Die laufen ja klassischerweise mit elektrischem Strom.
Das, was schon geht
Am Ende unseres Gesprächs redeten wir über das, „was schon geht“. Was in Österreich und anderswo immer mehr Einzug hält: Eigenstromversorgung mit Sonnenstrom. Dass gerade die Hütten auf den Almen für Solargeneratoren prädestiniert sind. Denn oben am Berg scheint auch im Winter häufig die Sonne, eine strahlende Alpensonne über gleißend weißem Schnee.
Deshalb fahren die Leute im Winter in die Alpen, deshalb sind Skifahrer immer so schön braun. Vermutlich erzeugen die Solargeneratoren im eisigen Alpenwinter mehr Strom als im heißen Sommer, Notstrom inklusive. Die Hütten mit ihrer Schankwirtschaft und dem Pensionsbetrieb haben hohen Bedarf an Kühlstrom für die Lebensmittel und Getränke, an Wärme für die Duschen und Wellness. Viele Hotels im Paznaun verfügen über eigene Pools, entweder tief unterirdisch in den Felsen oder als Sommerpool im Garten.
Viel Aufklärung notwendig
Leider waren unseren Wirtsleuten keine der Solarfirmen aus dem Alpenland bekannt, weder Kioto, noch My-PV oder Fronius. Nie gehört! Auch sind die meisten Installateure in Tyrol – wie in Deutschland – auf dem Wissensstand ihrer Gesellenjahre stehen geblieben.
Nur wenige Solarteure sind in der Region ansässig, bilden die Vorhut der Energiewende in dieser wundervollen Landschaft, bei diesen unglaublich gastfreundlichen Leuten. Wo das Terrain nach Landeck und Innsbruck abflacht, steigt die Sichtbarkeit der Photovoltaikdächer deutlich an. Unweit vom Paznaun liegt das Pitztal. Am dortigen Gletscher gibt es bereits eine Megawattanlage auf dreitausend Meter Höhe, um die Seilbahn und die Hütte zu versorgen.
Zeigen, was schon geht: Deshalb widmet sich die diesjährige Sommerausgabe der photovoltaik speziell den Eigenstromsystemen für Hoteliers und Landwirte. Das Heft erscheint am 8. August 2019.
P.S.: Offiziell schreibt man Tyrol mit „i“, ich weiß. Aber Tyrol, wie es früher hieß, gefällt mir besser. Irgendwie passt es besser zur Poesie der Berge.
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