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Bedrohliche Harmonie

„Die Herausforderungen sind zu überwältigend, um von einem Mitgliedstaat allein gelöst zu werden.“ Dies erklärt EU-Energiekommissar Günther Oettinger internationalen Vertretern der Energiebranche am 30. September. Ein offener und wettbewerbsfähiger Energiemarkt müsse her. Der funktioniere aber nur, wenn nicht jedes Land ein eigenes Fördersystem durchsetze. Energiekonzerne, die über nationale Grenzen hinweg agieren, würden dadurch behindert. Die Forderungen nach einem einheitlichen Fördersystem werden lauter. Ob sich das neue System an einer Einspeisevergütung wie dem deutschen EEG orientiert oder ob es sich um ein Quotensystem handeln soll, darüber sind sich die EU-Politiker allerdings bisher noch nicht einig. Genau das stimmt Hans-Josef Fell skeptisch. Fell ist Sprecher für Energie- und Technologiepolitik der Bundestagsfraktion der Grünen und Vizepräsident von Eurosolar.

Was denken Sie über die jüngsten Vorstöße von EU-Kommissar Günther Oettinger, die europäischen Fördermechanismen für Erneuerbare zu harmonisieren?

Die Harmonisierung, wie sie bisher auf EU-Ebene diskutiert wurde, bedeutete immer ein Abschaffen des erfolgreichsten Instrumentes, des deutschen EEG und anderer Einspeisegesetze. Deshalb ist sie auf politischem Wege bisher verhindert worden. Das Europaparlament hat das getan, und zwar mit dem Ziel, den Nationalstaaten die eigenständigen Gesetzgebungen zu belassen. Aber in der Tat wäre eine Harmonisierung sinnvoll, um einen europaweiten schnellen Ausbau dererneuerbaren Energien hinzubekommen. Wir haben ja Länder, vor allem in Osteuropa, wo es bisher überhaupt keine Dynamik gibt, wo für die Zeit bis 2020 Ziele formuliert werden, die gar nicht erfüllbar sind. Es ist doch zwecklos, solche Ziele festzulegen, wenn keine politischen Rahmensetzungen folgen. Hierfür wäre es natürlich gut, wenn alle diese Nationalstaaten einen Gesetzesrahmen einführen, der einen schnellen Ausbau erneuerbarer Energien ermöglicht. Eine EU-Richtlinie, die als Harmonisierung vorschriebe, dem erfolgreichen deutschen und auch in anderen Ländern praktizierten Einspeisetarif-Modell Folge zu leisten, wäre eine solche Maßnahme.

Genau das scheint Günther Oettinger ja nun vorzuhaben. Im Juli sagte er wörtlich: „Wir brauchen ein europäisches EEG“. Der Energie-Kommissar favorisiert das deutsche Modell.

Ich freue mich auch darüber. Nur glaube ich seinen Worten nicht ganz. Und ich fürchte, dass die Hardliner aus der EU-Kommission, die bisher stets das völlige Gegenteil angestrebt haben, mit einer Harmonisierung gegen ein EEG wieder Oberwasser bekommen. Dennoch, so denke ich, sollten wir die Chance nutzen und auch einen Vorschlag machen. Es geht um die Frage, wie denn die Harmonisierung auf europäischer Ebene so ausgestaltet werden könnte, dass mit Hilfe eines Einspeisetarifs tatsächlich eine Ausbaudynamik in ganz Europa beschleunigt würde. Es lohnt sich schon darüber nachzudenken und ich selbst werde dazu auch noch Vorschläge unterbreiten.

An welchen Zeitrahmen dachten Sie dabei?

Natürlich muss die EU-Kommission jetzt erst einmal die Erfahrungsberichte abwarten, die meines Wissens 2013 kommen sollen. Und dann wird man sehen, ob die Ausbaudynamik in dem Sinne stattfindet, wie ich es gerade dargestellt habe, nämlich kaum eine Ausbaudynamik, außer in wenigen Ländern. Und daraus wären dann entsprechende Maßnahmen abzuleiten in einer Novellierung der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien. Das wird sicherlich 2013, 2014 dann intensiv diskutiert werden. Aber es ist gut, wenn wir uns jetzt schon inhaltlich darüberGedanken machen, wie ein europäisches Feed-In-Tarifsystem tatsächlich ausgestaltet sein könnte.

In 18 der 27 EU-Mitgliedsstaaten gibt es der deutschen Einspeisevergütung vergleichbare Systeme. In anderen existiert die so genannte Quotenregelung. Manchen Experten erscheint sie für Europa als günstiger. Sie ist leichter einzuführen, sie ist technologieneutral. Sie selbst plädieren für eine rechtlich verbindliche Ausweitung des EEG. Was sind Ihre Argumente?

Experten, die sich als Unterstützer der Erneuerbaren Energien bezeichnen und das Quotensystem favorisieren, sind in Wirklichkeit Interessenvertreter der konventionellen Energiewirtschaft. Denn es gibt keinen Beleg dafür, dass Quotensysteme in der Realität sinnvoll angewandt werden können. Die Fördersysteme, die nicht Einspeisetarife sind und in Großbritannien beispielsweise durchgezogen wurden, sind gar keine Förderinstrumentarien, sondern Blockadesysteme für den Ausbau erneuerbarer Energien. In Großbritannien etwa weht ja viel mehr Wind als in Deutschland, aber die Ausbaudynamik in den letzten Jahren war sehr begrenzt. Dort gibt es nur ein Zehntel der Windkraftinstallationen, wie sie in Deutschland zu finden sind, dafür aber zum doppelt so hohen Kilowattstundenpreis. Was daran gut sein soll, erschließt sich mir nicht. Jegliche theoretische Beschreibung, dass Quotensysteme besser seien als Einspeisevergütungen, etwa wegen ihrer Technologieneutralität, entlarvt sich am Ende als Gegenargument. Denn es kann keine technologieneutrale Förderung geben. Diese Technologien haben ja alle einen unterschiedlichen Stand der Markteinführung. Noch ist die Photovoltaik zwar teurer als die Windkraft. Aber das wird sich mit der Zunahme der Innovationsentwicklung ändern. Und deswegen braucht die Photovoltaik heute auch eine andere Einspeisevergütung als die Windkraft. Technikneutral zu fördern, würde ganz klar heißen, dass nur die derzeit billigste Art der erneuerbaren Energien zum Zug kommt und ein Mix der erneuerbaren Energien nicht gewünscht ist. Das ist so eine typische Forderung, die von der Atom- oder Kohlewirtschaft kommt. Wer also für Quotensysteme oder andere so genannte Fördersysteme spricht, die in Wirklichkeit nur Blockiersysteme sind, hat nicht den optimalen Ausbau der Erneuerbaren Energien als Ziel.

Halten Sie denn die europaweite Einführung eines EEG-Mechanismus überhaupt für realistisch? Wäre das für viele Länder nicht mit zu großen finanziellen Aufwendungen verbunden? In Ungarn etwa, wo die natürlichen Bedingungen für die Photovoltaik ja sehr günstig sind, ist man weit davon entfernt, sie wie in Deutschland fördern zu wollen – weil das als viel zu teuer erscheint. Und Tschechien und Spanien rudern ja gerade zurück.

Das Zurückrudern in Tschechien und Spanien hat mit Fehlern der Gesetzgebung zu tun. Beispielsweise waren die Vergütungssätze zu hoch, oder durch Steuern finanziert. Ein fundamentaler Fehler, denn aus Haushaltsmitteln kann natürlich eine solche Markteinführung nicht geleistet werden, weil die Überschuldung aller Haushalte viel zu groß ist. Dennoch wird das in manchen Ländern versucht – wahrscheinlich mit dem Ziel, dass das Gesetz dann von allein schnell wieder unwirksam wird.

Das Gespräch führte Reinhard Bobach.

Zitat

„Es gibt keinen Beleg dafür, dass Quotensysteme in der Realität sinnvoll angewandt werden können.“

Quotenmodell

Der Staat legt den Anteil von Erneuerbaren am Strommix fest. Die Stromversorger müssen diese Quote erfüllen und den Endkunden einen bestimmten Anteil erneuerbaren Strom liefern. Kleine Anbieter und zurzeit noch teure Technologien sind beim Ausschreibungsverfahren jedoch deutlich benachteiligt. Der Anteil der Erneuerbaren wird durch die Quote nicht nur garantiert, sondern auch beschränkt. Für die Photovoltaik in Deutschland würde ein Quotenmodell deshalb das sichere Aus bedeuten.

Reinhard Bobach

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