Wie ist die Stimmung in der österreichischen Photovoltaik- und Speicherbranche, nachdem klar ist, dass in Zukunft mit den Grünen die Energiewende Regierungsprogramm wird?
Herbert Paierl: Die Stimmung war schon vorher gut. Denn wir konnten ja schon vor der Wahl ein Erfolgserlebnis mit dem Beschluss eines Notpakets – sogar über drei Jahre – verbuchen. Wir sind jetzt auf einem guten Weg, auch aufgrund der politisch und in der Gesellschaft unbestrittenen Zielvorstellung, bis 2030 Österreich bilanziell ausschließlich mit Ökostrom zu versorgen. Wir erwarten, dass die Regierung ihr Programm jetzt auch schneller umsetzt.
PV Austria hat ja schon vor der Wahl umfangreiche Vorschläge gemacht, wie die Mission 2030 gelingen kann. Sehen Sie die Umsetzungschancen mit der neuen Regierung wachsen?
Das wird schon eine Herausforderung. Denn ausgehend von dem Ausbaupfad, den wir im Verhältnis zum Ausbauziel einhalten müssen, liegt sehr viel Arbeit vor uns. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir jährlich das zubauen müssen, was bisher insgesamt in Österreich installiert wurde. Das ist uns allen klar. Deshalb haben wir keine Zeit zu verlieren und das Gesamtpaket der Rahmenbedingungen muss stimmen. Das geht bis hin zu den tagespolitischen oder praktischen Umsetzungsfragen wie der Vereinfachung von Genehmigungsverfahren.
Was muss die neue Bundesregierung als Erstes dringend anpacken?
Es ist dringend das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) nötig. Das sollte eigentlich – selbst wenn man heute politische Entscheidungen auf dieser Ebene nur bedingt beschleunigen kann – mit Blick auf die Dringlichkeit das erste Gesetz sein, mit dem sich die Koalition beschäftigen muss. Es muss spätestens am 1. Januar 2021 in Kraft sein. Je früher, desto besser.
Würde die Aussicht, dass das EAG kommt, die Branche beflügeln?
Mit stetiger Planungs- und Investitionssicherheit ginge der Zubau auch schneller. Die hat uns als Branche in den letzten Jahren gefehlt. Wir mussten immer nur von der Hand in den Mund leben und darauf warten, ob die Unterstützung weitergeht. Das hat sich schon mit dem Notpaket im letzten einstimmigen Nationalratsbeschluss verbessert und wird hoffentlich mit dem neuen Regierungsprogramm weitere Sicherheit bringen. Wir als Photovoltaikbranche jedenfalls sind bereit und können loslegen.
Die Branche steht für den Ausbau bereit, aber auch vor einem Flaschenhals: dem Fachkräftemangel. Wie reagieren Sie darauf?
Das ist ein ernst zu nehmendes Thema. Denn wenn die Projekte tatsächlich kommen, sollen sie nicht an den Umsetzungsmöglichkeiten scheitern. Deshalb hat sich PV Austria schon mit dem Thema beschäftigt und Seminare und Ausbildungscurricula vermittelt. Es gibt auch von der Bundesinnung des Elektrohandwerks Ansätze, fachfremde Gewerke entsprechend umzuschulen beziehungsweise weiterzubilden. Denn mit den jetzigen Fachkräften werden wir das angestrebte Volumen nicht errichten können. Wir werden aber diesbezüglich in den nächsten Wochen mit der neuen Arbeitsministerin persönlich darüber sprechen.
Wie reagieren die fachfremden Gewerke, schließlich hat das Handwerk ohnehin viel zu tun?
An dieser Stelle kommt uns die Abschwächung der Konjunktur zugute. Denn dadurch werden Arbeitskräfte frei. Was den Photovoltaiksektor angeht, werden wir allerdings in den nächsten Jahren mit Sicherheit keine Konjunkturschwäche haben. Da ist genug Arbeitskräftebedarf vorhanden. Wir bieten ein Konjunkturstützungsprogramm an.
Sie haben vorgeschlagen, dass pro Einwohner zwei Kilowatt Solarstromleistung installiert werden sollten. Können Sie etwas präzisieren, wie so etwas aussehen kann?
Das ist eine Berechnungsformel, was sich gerade so ausgeht, damit man alle Beteiligten ins Boot bekommt. Die Absicht dahinter ist, dass jede Gemeinde einen Mindestanteil an Photovoltaikanlagen bis 2030 haben soll und sich nicht auf die Nachbargemeinde verlassen darf. Es geht darum, dass jede Gemeinde, Stadt, Kommune und Gemeinschaft die entsprechenden Flächen für Photovoltaikanlagen auf Dächern oder Freiflächen findet.
Das soll also regional und kommunal heruntergebrochen und nicht bilanziell auf ganz Österreich gerechnet werden?
Auf jeden Fall. Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass sonst die Gefahr besteht, dass sich eine Gemeinde auf die anderen verlässt. Insofern ist es ein Versuch, von allen Befürwortern der klimapolitischen Ziele auch konsequenterweise den minimalen eigenen Beitrag einzufordern.
PV Austria hat eine Aufstellung gemacht, wie das über die Bundesländer hinweg verteilt ist. Für Wien wären 3,8 Gigawatt notwendig. Wie könnte die Stadt einen solchen Ausbau erreichen?
Da gibt es Lösungen. Berlin hat das mit dem Masterplan Solarcity vorgemacht, den das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme mit erstellt hat. Das haben wir uns angeschaut. Wird der umgesetzt, kann Berlin 25 Prozent seines Stromverbrauchs mit Solarenergie decken. Das geht auch in einer Stadt wie Wien. Dort gibt es genügend Flächen auf den Dächern und an den Fassaden. Man muss ein solches Konzept nur konsequent umsetzen.
Um den Ausbau voranzutreiben, wird immer wieder über eine Photovoltaikpflicht als mögliche Alternative zur Förderung debattiert. Was halten Sie für den besseren Weg?
Hier geht es aus meiner Sicht nicht um Entweder-oder, sondern um Sowohl-als-auch. Die Photovoltaikverpflichtung sollte vor allem für Private, im Gewerbe und in der Industrie vorgesehen werden. Denn es ist unverständlich, dass beispielsweise neue Gewerbehallen und Industriegebäude mit Dächern gebaut werden, die für die Photovoltaik nicht geeignet sind. Das kann man mit entsprechenden Bauvorschriften ändern. Dann muss man die eigentliche Photovoltaikanlage nicht mehr vorschreiben. Denn die wird dann auch ohne Pflicht gebaut, weil es schließlich dafür längst einen Markt gibt.
Ein zweites Thema, das auch die neue Bundesregierung angehen will, ist ein CO2-Preis. Wird das die Wirtschaftlichkeit der Photovoltaik in Österreich angesichts der hier niedrigen Strompreise verbessern?
Die Strompreise sind in den letzten Monaten gestiegen. Aus Sicht der Photovoltaik ist das gut. Trotzdem wird sich ein CO-Preis positiv auswirken. Wir brauchen grundsätzlich eine solche transparente, faire und ehrliche Bepreisung der Emissionen. Ich war nie ein Befürworter von Steuererhöhungen. Aber wir müssen an dieser Stelle intelligent vorgehen. Die CO-Emittenten werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass sie die Reparaturkosten für die Umwelt berechnet bekommen. Das ist auch aus wettbewerblicher Sicht notwendig und fair. Auf der anderen Seite muss jemand, der ein klimafreundliches Verhalten an den Tag legt, preislich begünstigt werden. Da kann sich jeder selbst entscheiden, wie er sich verhält.
Welche Rolle spielen die Bundesländer und Kommunen beim Zubau?
Wenn es um die Flächensicherung, die Raumordnung und die Bauordnung geht, ist das Aufgabe der Kommunen und der Bundesländer. Da hat der Bund ohnehin nichts mitzureden. An dieser Stelle schließt sich auch der Kreis zu unserer Forderung, vor Ort für jeden Einwohner mindestens zwei Kilowatt Leistung zu errichten. Da müssen wir die Gemeinden und die Länder ohnehin mit ins Boot holen.
Das Interview führte Sven Ullrich.