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Keine Angst vorm Stromer

Es tut sich was in Sachen Elektromobilität in Deutschland. Das ist auch dringend notwendig. Denn die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor sind im vergangenen Jahr weiter angestiegen. Damit läuft die Energiewende im Straßenverkehr genau in die falsche Richtung. Doch immerhin hat sich der Absatz von Elektroautos 2017 im Vergleich zu 2016 auf 54.500 neue Fahrzeuge verdoppelt. Was dazu führt, dass der Anteil der Elektromobilität am gesamten Pkw-Bestand in Deutschland von 0,1 auf 0,2 Prozent ansteigt.

Bei solchen Zahlen braucht wohl niemand zu befürchten, dass die Stromnetze in Zukunft zusammenbrechen, wenn sämtliche Elektroautos gleichzeitig laden. Die Autos ziehen zwar immerhin durchaus kräftig Leistung aus dem Netz, wenn sie beispielsweise an einer Ladesäule mit 22 Kilowatt hängen. Gut verteilt ist aber selbst das keine gefährliche Belastung für das Stromnetz. „Bis zu einem Anteil der Elektromobilität von fünf Prozent werden wir wohl noch mit örtlichen Netzverstärkungen davonkommen, doch dann könnte es teuer werden, wenn wir das Laden nicht flexibilisieren“, erklärt Reinhard Nenning. Er ist bei Vorarlberg Netz für die Netzplanung und die Stromqualität verantwortlich.

Flexible Strompreise treiben den Markt

Der Netzbetreiber des westösterreichischen Bundeslandes hat gleich mehrere Herausforderungen zu bewältigen. So stellt der Energiekonzern VKN in Bregenz fast als Einziger in Österreich den billigen Nachtstrom auch für das Laden von Elektroautos zur Verfügung. Diesen gibt es anderswo meist nur für die elektrische Brauchwassererwärmung und auch nur dann, wenn ein separater Zähler eingebaut ist.

Der niedrige Tarif ist Segen und Fluch zugleich. Auf der einen Seite verleiht er der Elektromobilität in dem Bundesland einen kräftigen Schub. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass die Elektroautos nachts geladen werden, und zwar alle gleichzeitig – typischerweise ab 22 Uhr, wenn der billige Nachtstromtarif zu haben ist. Danach sind auch die meisten Autos bald wieder mit dem Laden fertig. Das belastet das Netz. Denn die Akkus werden nicht gerade mit niedrigen Leistungen geladen, sondern mit elf Kilowatt und mehr. Besser wäre es, wenn die Autos oder die Ladestationen auf die spezielle Situation im Netz reagieren könnten.

Netzreserven nutzen

Von einem Blackout aufgrund der Elektromobilität, wie ihn eine Studie der Unternehmensberatung Oliver Wyman prognostiziert, ist das Stromsystem aber noch weit entfernt. Die Analysten sehen ein großes Problem für das Verteilnetz bei einem regionalen Anteil der Elektromobilität von 30 Prozent. Großflächige Stromausfälle befürchten sie, wenn der Anteil der Elektromobilität noch weiter steigt. An dieser Stelle plädiert Reinhard Nenning für verbale Mäßigung und verweist auf eine EU-Studie. In dieser haben die Analysten im Rahmen des Projekts Plan Grid EV die Auswirkungen der Elektromobilität in realen Netzen in Portugal, Irland, Italien und Deutschland untersucht.

Aus den Ergebnissen geht hervor, dass sich die maximale Netzleistung beim vollständigen Umstieg auf die Elektromobilität zwar im Vergleich zum Jahr 2016 im schlechtesten Fall versechsfacht. Verhalten sich die Elektroautos netzdienlich, verdoppelt sich die Leistungsanforderung aber nur. Das ist ein riesiger Unterschied und spart in den kommenden Jahrzehnten mehrere Milliarden Euro für einen eventuellen Netzausbau.

Elektroauto als flexible Last

Netzdienliches Verhalten heißt: Die Autos müssen flexibler laden und sich an die Situation im Netz zeitlich anpassen. Sind gerade genügend Netzreserven vorhanden, wird die Ladeleistung erhöht. Steigt aber die sonstige Last im Netz, verringert die Ladesäule die Leistung, mit der der Strom in die Akkus der Autos gepumpt wird. Sinken die Netzreserven örtlich unter einen kritischen Punkt, hört das Auto auf zu laden. „Flexibles und priorisiertes Laden sind die Schlüssel, um Engpässe im Verteilnetz bei hoher Durchdringung von Elektrofahrzeugen zu vermeiden“, weiß Matthias Vetter, Leiter der Abteilung Elektrische Energiespeicher am Fraunhofer ISE.

Die Freiburger haben zusammen mit verschiedenen Partnern einen Marktplatz für regionale Netzdienstleistungen entwickelt und dabei auch die Möglichkeiten der Elektromobilität untersucht, das Netz nicht nur zu entlasten, sondern aktiv an dessen Stabilisierung teilzunehmen. (Lesen Sie dazu auch den Kasten auf Seite 69.) „Elektroautos sind genauso wie Wärmepumpen und Wärmespeicher ideale schaltbare und verschiebbare Lasten im Verteilnetz und somit ebenfalls Flexibilitätsoptionen“, erklärt Matthias Vetter. Wie viele Elektroautos ein Verteilnetz verträgt, bevor es zusammenbricht, hängt von vielen Faktoren ab.

Standards für Autos fehlen

Unter anderem auch davon, mit wie viel Leistung die Elektroautos geladen werden, wie das Netz selbst beschaffen und wie hoch die Last in einem Netzabschnitt ist. „Entscheidend ist aber die Frage, wie ein intelligentes Laden aufgebaut wird“, sagt Vetter. „Dabei geht es nicht nur um das Laden von Elektrofahrzeugen in Einfamilienhäusern, sondern auch um die Frage, wo all die Leute laden, die ihr Auto in Tiefgaragen von Mehrfamilienhäusern stehen haben, oder all die sogenannten Laternenparker?“

Matthias Vetter und seine Projektpartner sehen weniger den Netzausbau als Lösung, um die Elektromobilität in die Verteilnetze zu integrieren. Vielmehr bieten sich Pufferspeicher an – sowohl in den Gebäuden als auch in den Quartieren. „Diese Speicher können in Mehrfachnutzung durchaus wirtschaftlich sein und in Kombination mit intelligenten Lademanagementstrategien, wie zum Beispiel dem priorisierten Laden, Netzprobleme verringern oder sogar ganz vermeiden“, erklärt Vetter. Denn beim priorisierten Laden werden nicht alle Autos mit einer geringeren Leistung betankt. Vielmehr werden diejenigen Fahrzeuge zuerst betankt, deren Besitzer nicht warten können, weil sie das Auto brauchen. Für diese Ladungen wird dann ein höherer Preis pro Kilowattstunde Strom abgerechnet. Wer warten kann, dessen Auto wird später zu einem günstigeren Preis geladen.

Smartmodus fürs Netz

Netzdienliches oder priorisiertes Laden: Was eigentlich recht simpel klingt, ist aber in der Umsetzung gar nicht so einfach. „Nicht nur die Bürger, die Netzbetreiber, die Stromerzeuger, sondern auch die Hersteller der Ladepunkte und die Autoindustrie müssen an einem Strang ziehen“, sagt Reinhard Nenning von Vorarlberg Netz. Vor allem Letztere ist da noch ein unsicherer Kantonist. Nur manche Elektroautos reduzieren bei einer Schieflage im Netz die Ladeleistung oder schalten ganz ab. Das wiederum bei sehr unterschiedlichen Spannungsgrenzen. Hier fehlen einheitliche Standards, bei welchen Spannungsgrenzen die Autos, und zwar alle, die Ladespannung absenken.

Um nicht auf die träge Autoindustrie warten zu müssen, können die Ladestationen durchaus schon Signale vom Netzbetreiber verarbeiten. So ist beispielsweise mit den Wallboxen von Mennekes ein netzdienliches Laden möglich, indem sie beispielsweise auf externe Preissignale oder andere Informationen aus dem Netz reagieren. Das netzdienliche Laden steht aber auch im Mittelpunkt der Wallbox, die Sonnen jüngst vorgestellt hat. Sie soll genau die Lücke schließen, die die Autohersteller offen gelassen haben. Das ist wiederum vom Kunden abhängig.

Denn Sonnen bietet auf der einen Seite die sture Beladung der Akkus der Elektroautos mit der maximalen Leistung von 22 Kilowatt an. Auf der anderen Seite kann der Elektromobilist, wenn er sein Auto zu Hause an die Wallbox anschließt, über eine App den sogenannten Smartmodus aktivieren. Er kann so angeben, wie viel Strom sein Akku in welchem Zeitraum tanken muss, damit er wieder ausreichend Energie zur Verfügung hat.

Das Ladegerät sendet über eine Internetverbindung die entsprechende Information an die Leitwarte von Sonnen, von wo aus ohnehin die gesamten Heimspeicher der Sonnencommunity gesteuert werden. In Zukunft kommen die Sonnencharger noch dazu. Denn in der Leitwarte sehen die Mitarbeiter, dass ein Auto zum Laden bereitsteht. Sie gleichen die Situation im Netz ab und schicken dem Ladegerät eine Information, wie viel Ladeleistung für welchen Zeitraum zur Verfügung steht. Dabei beziehen sie auch eine eventuell vorhandene Photovoltaikanlage und den Heimspeicher mit ein. Denn das ist Voraussetzung: Der Nutzer der Wallbox muss eine Batterie von Sonnen besitzen.

Eigenverbrauch optimieren

Nach diesen Vorgaben beginnt der Ladevorgang. Die Stromstärke, um die Ladung in Gang zu bringen, liegt bei mindestens sechs Ampere. Je nachdem, ob er einphasig oder dreiphasig angeschlossen ist, beträgt die Startleistung für die Ladung 1,4 bis 4,2 Kilowatt. Der Charger passt danach nahezu stufenlos die zur Verfügung stehende Ladeleistung an die Situation im Netz und den Ertrag der Solaranlage an, die auf der Basis von Wetterprognosen errechnet werden. Zudem hat die Leitwarte den Überblick, wie es um die Spannung und die Frequenz im betroffenen Verteilnetz bestellt ist. Das Auto entscheidet dann selbst, wie viel Leistung es von der Wallbox abnimmt, damit die Akkus auch alle gleichmäßig geladen werden.

Mit diesem Smartmodus kann der Elektroautofahrer nicht nur den Eigenverbrauch von Solarstrom im Haus optimieren. Er kann auch dafür sorgen, dass das Stromnetz nicht überlastet wird, wenn zu viele Elektroautos gleichzeitig geladen werden. Auf diese Weise können Elektroautos ihre Flexibilität für das Netz bereitstellen. Sie bieten faktisch positive und negative Regelleistung an, auch ohne dass die Autos bidirektional geladen werden.

Regeln für Rückspeisung ins Netz fehlen

Das sieht Matthias Vetter vom Fraunhofer ISE ohnehin nicht als Option, um Elektroautos erfolgreich in das Stromnetz zu integrieren. Denn auch wenn es einige Pilotprojekte über die Möglichkeit des bidirektionalen Ladens gegeben hat, die auch durchaus erfolgreich waren, stehen hier viele Hürden im Weg. „Denn der Elektroautofahrer ist eigentlich zunächst einmal darauf bedacht, seine Reichweite zu erhalten“, weiß Franz-Josef Feilmeier.

Der Geschäftsführer des Speicherherstellers Fenecon ist selbst seit vielen Jahren rein elektrisch unterwegs und hat viele praktische Erfahrungen gesammelt. Zudem stellt sein Unternehmen nicht nur Speicher her, sondern ist der Generalvertreter für BYD in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Das Elektroauto des chinesischen Branchenriesen ist eines der wenigen, bei denen eine bidirektionale Ladefunktion vorgesehen ist. „Wir haben aber die Rückspeisung ins Netz erst einmal deaktiviert“, erklärt Feilmeier. „Denn es gibt ohnehin keine Regeln dafür.“

www.ise.fraunhofer.de

Storegio

Marktplatz für Dienstleistungen im Verteilnetz entwickelt

Der Speicherdienstleister Storegio aus Ludwigshafen hat zusammen mit den Forschern des Fraunhofer ISE und weiteren Projektpartnern einen neuen Ansatz zur Flexibilisierung des Energiesystems entwickelt. Dabei geht es darum, die Kosten für den Netzausbau im Zuge der Energiewende zu minimieren. Denn immer mehr volatile Erzeuger speisen ins Netz ein. Gleichzeitig entstehen vor allem im Verteilnetz neue Lastspitzen durch die Sektorenkopplung, hier vor allem durch die Elektromobilität.

Ziel des Projekts Flex 4 Energy war es, einen regionalen Marktplatz für Flexibilitäten im Stromsystem zu entwickeln. Dabei geht es darum, regionale Energiedienstleistungen vor Ort zu handeln und damit das Netz durch die einerseits volatilen, aber andererseits gleichzeitig flexiblen Komponenten im Stromsystem stabil zu halten. „Netzbetreiber können zum Beispiel den Marktplatz nutzen, um von Betreibern flexibler Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen oder Speichersystemen gezielt Unterstützung einzukaufen“, erklärt Peter Eckerle, Geschäftsführer von Storegio und Projektkoordinator, den Ansatz. „Dies kann ihnen helfen, Investitionen in den Ausbau ihrer Netze zu begrenzen, und bringt beiden Seiten Vorteile.“

Herzstück des Marktplatzes ist ein riesiger Quartierspeicher, der von Ads-Tec aus Nürtingen geliefert und in ein Neubaugebiet in Groß-Umstadt, etwa 20 Kilometer östlich von Darmstadt, installiert wurde. Das Quartier gehört zum Netzgebiet des Darmstädter Ökostromversorgers Entega. Der Speicher puffert die Energie aus den angeschlossenen Photovoltaikanlagen im Quartier.

Er kann seine zusätzlich noch verfügbaren Leistungsreserven als Flexibilitätspotenziale auf dem Marktplatz anbieten und damit ein zusätzliches Einkommen erwirtschaften. Dazu kommen noch verschiebbare Lasten wie Elektroautos oder Wärmepumpen, die ebenfalls als Netzdienstleister fungieren können. „Im Projekt Flex 4 Energy wurde eine Lösung entwickelt, um viele dezentrale Anlagen über den klassischen Eigenverbrauch hinaus intelligent über einen Flexibilitätsmanager vermarkten zu können“, erklärt Matthias Vetter, Leiter der Abteilung Elektrische Energiespeicher am Fraunhofer ISE. „Der Flexibilitätsmarktplatz schafft vielmehr technische und wirtschaftliche Lösungen für den weiteren Ausbau dezentraler Erzeugeranlagen.“

www.flex4energy.de

Power2Drive

Marktübersicht verfügbarer Ladesysteme

Die Marktübersicht präsentiert 40 am Markt verfügbare Ladesäulen, Wandladestationen (Wallboxen) und flexibel einsetzbare Ladekabel. Herausgegeben wurde die Übersicht von der Fachmesse Power2Drive, die in diesem Jahr erstmals gleichzeitig mit der Intersolar Europe im Juni in München stattfindet.

Für die Übersicht wurden die Daten von bestell- und lieferbaren Schnellladesäulen (Gleichstrom/DC), von AC-Systemen (Wechselstrom/AC einphasig und dreiphasig) und von DC-Systemen zur Anwendung im privaten Bereich oder im Gewerbebetrieb aufgenommen. Darüber hinaus erfasst der Überblick auch eine ganze Reihe von Planungstools zur Einbindung der Elektromobilität in solare Eigenverbrauchssysteme für Gebäude und solare Carports. Sie beinhaltet zusätzlich spezielle Angebote von Energieversorgern oder anderen Energiedienstleistern, die für Fahrer von Elektroautos gesonderte Ladetarife anbieten.

Die Produktübersicht enthält nahezu alle wichtigen Anbieter und gibt damit ein erstes umfassendes Bild des aktuellen Marktes. Schon jetzt deutet sich aber an, dass auch viele Akteure der Solarbranche in der Elektromobilität ein wichtiges Zukunftsfeld sehen. Daher wird die Präsentation zahlreicher Innovationen erwartet – sowohl im Vorfeld als auch während der Power2Drive und der parallel stattfindenden Intersolar Europe. Darum wird es eine aktualisierte Version der Marktübersicht unmittelbar vor Messebeginn im Juni geben. Die zweite Auflage wird das Portfolio der Anbieter noch einmal aktuell aufgreifen und dokumentiert im Vergleich die wachsende Vielfalt der Produkte und Lösungen. Die Marktübersicht ist sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache verfügbar.

www.powertodrive.de

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