Am 8. Mai 2016 lagen die Strompreise am Spotmarkt kräftig im Minus. Das Problem ist hausgemacht. Denn während Solar- und Windkraftanlagen kräftig einspeisen, werden die konventionellen Kraftwerke kaum zurückgefahren. Das widerspricht nicht nur den Regelungen im EEG, sondern ist ein Problem für die Anlagenbetreiber.
Die Ökostromanlagen erzeugten am Wochenende den größten Teil des verbrauchten Stroms. Zwar lag der Anteil der erneuerbaren Energien nicht so hoch, wie zunächst angenommen. Doch er pendelte am Sonntag, den 8. Mai dieses Jahres zwischen 10 und 16 Uhr immerhin noch zwischen 75 und 80 Prozent des verbrauchten Stroms in Deutschland. Das geht aus den jetzt bereinigten Daten des Agorameters von Agora Energiewende hervor. Beim Abgleich mit den Leistungsdaten für die in Deutschland angeschlossenen Photovoltaikanlagen, die der Wechselrichterhersteller SMA bereitstellt, zeigt sich ein ähnliches Bild.
Vier Fünftel der Last bedienen Ökostromanlagen
Auch wenn die einzelnen Daten leicht differieren, liegt die Solarstromeinspeisung an diesem Tag zwischen 24,9 Gigawatt um 11 Uhr und 23 Gigawatt um 16 Uhr. Den Höhepunkt erreichte die Photovoltaik in Deutschland um 13 Uhr mit einer Einspeiseleistung von 29 Gigawatt. Das Agorameter gibt für diesen Tag Einspeiseleistungen zwischen 26,11 Gigawatt um 11 Uhr und 19 Gigawatt um 16 Uhr an. Das Maximum lag um 13 Uhr bei 27,8 Gigawatt. Um 12 Uhr schafften es alle Ökostromanlagen in Deutschland auf eine Leistung von 53,691 Gigawatt. Zu diesem Zeitpunkt lag die Leistungsnachfrage bei 66,408 Gigawatt. Das heißt, die Erneuerbaren lieferten 80,85 Prozent der Leistung, die in ganz Deutschland abgefordert wurde. Gleichzeitig speisten aber die konventionellen Kraftwerke noch mit einer Leistung von 21,875 Gigawatt ein.
Damit lag die insgesamt angebotene Leistung fast 14 Prozent über der Leistungsanforderung. Dieses Überschussangebot bestand über den gesamten Tag hinweg. Das Ergebnis: Die Preise am Spotmarkt, wo der Ökostrom verramscht wird, rutschte zwischen 10 und 17 Uhr kräftig ins Minus. Um 13 Uhr erreichte er einen Tiefstwert von gut 130 Euro pro Megawattstunde. Das heißt, ein Energieverbraucher oder Versorger, der zu diesem Zeitpunkt Strom abgenommen hat, hat dafür 13 Cent pro Kilowattstunde bekommen.
Konventionelle Kraftwerke verstopfen Netze
Für den Bundesverband Erneuerbare Energie ist das ein Skandal. Denn wenn der Strompreis am Spotmarkt negativ ist, bekommen die Betreiber von Ökostromanlagen, die sich in der Direktvermarktung befinden, die wiederum verpflichtend ist ab einer bestimmten Anlagenleistung, keinerlei Marktprämie. Sie müssen ihren Strom an der Börse verschenken, was auf die Wirtschaftlichkeit der Anlagen drückt. Allerdings wird dieses parallele System von fossiler und erneuerbarer Energiewirtschaft auch für die Betreiber konventioneller Kraftwerke zunehmend ein Problem. Statt sich auf die Ökostromeinspeisung einzustellen und die Kraftwerke entsprechend abzuregeln, zahlen die Betreiber der Braunkohlekraftwerke lieber bis zu 24 Cent pro Kilowattstunde, um ihren Strom ins Netz zu entsorgen. „Dieses Bild wiederholt sich jedes Frühjahr um Pfingsten, wenn unflexibler Strom aus Braunkohlemeilern die Netze verstopfen“, kritisiert Hermann Falk, Geschäftsführer des BEE. „An den Wochenenden oder an Feiertagen fehlt der Stromverbrauch aus der Industrie. Die Kraftwerke laufen nur mit minimaler Besetzung und können nicht ausreichend herunterfahren. Es steht zu erwarten, dass sich dieses Szenario am kommenden Pfingstwochenende wiederholt“, warnt er.
Endlich aus der Braunkohle aussteigen
Für den BEE ist das aber nicht nur ein Problem des Strommarktdesigns, das nicht an die Energiewende angepasst ist. Es ist vielmehr ein klarer Rechtsverstoßt. Denn das EEG ist in diesem Punkt eindeutig: Die Erneuerbaren haben Vorrang im Netz. Dieser gesetzliche Vorrang müsse auch umgesetzt werden, verlangen die Branchenvertreter vom BEE. Statt dessen werden Solar- und Windstromanlagen abgeregelt und die Betreiber bekommen keine Vergütung, nur damit die konventionellen Kraftwerke ungebremst weiterlaufen können. Der BEE verlangt deshalb neben einer Anpassung des Strommarktdesigns vor allem einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohle. Dabei sollen die unflexibelsten Kraftwerke zuerst vom Netz genommen werden. Außerdem verlangen die Branchenvertreter die Umstellung der KWK-Förderung. Ziel muss es sein, dass nur noch flexible KWK-Anlagen am Netz bleiben, die auch Platz für Ökostrom im Netz schaffen können, wenn diese einspeisen.
Sektorkopplung durchsetzen
Als dritter Baustein sollte in Regionen, in denen Netzengpässe zu befürchten sind oder tatsächlich regelmäßig auftreten, mit dem überschüssigen Strom zuschaltbare Lasten wie Wärmeerzeuger oder Elektrofahrzeuge versorgt werden. Diese sogenannte Sektorkopplung wird zukünftig ohnehin alternativlos werden, wenn die Energiewende einmal umgesetzt ist und die gesamte Stromversorgung auf erneuerbaren Energien basiert. Die vierte Säule, künftig solche Situationen wie am 8. Mai dieses Jahres zu vermeiden, ist der Ausbau der Verteil- und Übertragungsnetze, der endlich vorangetrieben werden müsse, wie der BEE fordert. (Sven Ullrich)