Die Solarwirtschaft ist eine deutsch-deutsche Erfolgsgeschichte, auch wenn der Weg dorthin mehr als steinig war. Und er ist mit den Grabsteinen vieler hoffnungsvoller Gründungen gepflastert. Denn das Auf und Ab in der politischen Unterstützung hat manchen hochfliegenden Plan beerdigt.
Eine Fabrik für Wismar
Thomas Rudolph aus Hamburg hatte 1996 die Firma Solara gegründet, als B2B-Vertrieb für Solarmodule und Zubehör. Weil es damals kaum Lieferanten gab, baute er ab 2001 in Wismar ein Werk für Module auf, die Solara Sonnenstromfabrik. „2006 haben wir Solara und die Sonnenstromfabrik in die neue Firma Centrosolar eingebracht“, erinnert sich Thomas Rudolph. „Auch Biohaus und die heutige Renusol beteiligten sich.“
Rudolph erinnert sich noch gut an die Krisenjahre, als die Einspeisevergütung für Sonnenstrom überhastet gekürzt wurde: „Das war eine bedrückende Stimmung, auch wenn viele Mitarbeiter von Centrosolar anderweitig gut unterkamen. Ich musste Entlassungen und enorme Verluste hinnehmen, weil wir auf der produzierten Ware sitzen blieben. Die Banken haben das nicht überbrückt.“
Centrosolar hat die Krise nach 2012 nicht überlebt. Die Sonnenstromfabrik jedoch wurde von Investoren übernommen und baut ihre Kapazitäten seit Jahren sukzessive aus.
Schwerpunkt in Sachsen
Sehr früh begannen Unternehmen in Dresden und Chemnitz, Solarmodule zu fertigen. 2001 startete Heckert Solar in Chemnitz, im September 2003 rollte das erste Solarmodul vom Band.
Heckert hat die schwierigen Jahre gut überstanden und kann bei den Installateuren mit qualitativ hochwertigen Produkten punkten. Um weiter zu expandieren, sucht der sächsische Solarhersteller wieder neues Personal. Ähnlich bei Solarwatt in Dresden: Während der Krise ins Trudeln geraten, entwickelte sich der Anbieter von Solarmodulen und Stromspeichern seit dem Einstieg der Familie Quandt zu einem der Premiumanbieter für Solarkunden in Deutschland und Europa.
Module und Speicher aus Dresden
Ein Zeitzeuge ist der Elektrotechniker Dieter Winkler aus Dresden. Er war am 1. Oktober 1990 – noch als Bürger der DDR – in die AEG eingetreten. In der Technischen Vertriebsniederlassung (TVN) Dresden der AEG war er zuständig für den Verkauf von Solarmodulen in Ostdeutschland. Denn das 1.000-Dächer-Programm wurde mit der Wiedervereinigung zwei Tage später auch auf die neuen Bundesländer ausgedehnt.
Die AEG unterhielt seinerzeit eine Fertigung für Solarmodule in Wedel bei Hamburg und für Solarzellen in Heilbronn. Die Wafer für die Solarzellen kamen aus Freiberg, vom damaligen Volkseigenen Betrieb (VEB) Spurenmetalle, zur Wende umbenannt in Freiberger Elektronikwerkstoffe (FEW). Diese Firma wurde von der Treuhand an Wacker Chemie verkauft und ausgebaut. Das war der Beginn einer integrierten Fertigung, wie sie später in den Firmen Bayer Solar, Deutsche Solar und Solarworld realisiert wurde.
Viele sind verschwunden
Diese Unternehmen sind wieder verschwunden, doch die 1993 in Dresden gegründete Solarwatt Solar-Systeme nicht. Die Gründer waren Siliziumexperten aus dem Zentrum für Mikroelektronik in Dresden, die sich in der DDR vor allem mit Mikrochips befasst hatten. Weitere Gründungsgesellschafter waren Udo Möhrstedt und seine Frau Gerti Moll-Möhrstedt, die in der Solarbranche vor allem durch die Firma IBC Solar in Bad Staffelstein bekannt sind. Die Möhrstedts hatten bereits 1982 mit Photovoltaik begonnen.
Solarwatt übernahm später die Zellfabrik der AEG in Heilbronn. Dieter Winkler – dem wir diese Informationen verdanken – gehörte 1993 zum Solarwatt-Personal der ersten Stunde.
Schwierige Phasen durchgemacht
Auch Solarwatt hatte schwierige Phasen. Mit dem Markteinbruch 2012 durchlief die Firma eine Insolvenz in Eigenverwaltung. Die Sanierung gelang, nun ist BMW-Hauptaktionär Stefan Quandt der Hausherr. Neben Solarmodulen ist Solarwatt auch in die Herstellung und den Vertrieb von Stromspeichern eingestiegen. 2014 konnten die Dresdner die Vertriebsteams von Centrosolar in Frankreich und den Niederlanden übernehmen.
Auch bei Solarwatt geht es weiter bergauf, zumal sich die Modulpreise stabilisieren. Wie die anderen Hersteller in Deutschland sind es vor allem monokristalline und Glas-Glas-Module, mit denen sich die Produzenten von der chinesischen Konkurrenz absetzen.
Inzwischen ist Solarwatt auch mit Stromspeichern erfolgreich. In Dresden wurde neben der Modulfertigung eine moderne Fabrik für Speichersysteme etabliert.
Aleo Solar macht weiter
Überlebt hat Aleo Solar, einst als Solar-Manufaktur Deuschland (SMD) in Prenzlau gegründet. 2009 stieg Bosch ein, 2014 wieder aus. Nun gehört das Werk einem asiatischen Konsortium. Die Geschäftslage hat sich stabilisiert, der Umsatz entwickelt sich sehr gut. Wie die oben genannten Beispiele stellt auch Aleo Solar neue Mitarbeiter ein. Prenzlau liegt etwa eine Autostunde nordöstlich von Berlin.
Anders als Chemnitz oder Dresden ist das eine strukturschwache Region, wo es kaum industrielle Arbeitsplätze gibt. Gleiches gilt für Bitterfeld/Thalheim, das nördlich von Leipzig liegt. Dort startete 1999 die Firma Q-Cells mit enormen Kapazitäten, zunächst für Solarzellen, später für Solarmodule. Vom Solar Valley war damals die Rede, Politprominenz von Bund und Ländern gab sich die Klinke in die Hand.
Q-Cells hat überlebt, durch den rettenden Einstieg des koreanischen Hanwha-Konzerns. Die früheren Fabrikhallen sind heute weitgehend verwaist, lediglich das Forschungszentrum und eine Pilotlinie werden weiter betrieben. Immerhin: Sie bilden das technologische Herz der Solartechnik bei Hanwha Q-Cells, einem der zehn weltgrößten Hersteller von Solarmodulen. Auch Q-Cells sucht neue Leute, das Geschäft ist auf Wachstum ausgerichtet.
Zweite Deindustrialisierung
Generell lässt sich sagen: Die Solarbranche startete in den neuen Bundesländern als Hoffnungsträger für zukunftsorientierte Jobs. Sie wirkte der Deindustrialisierung der alten DDR-Wirtschaft entgegen: mit neuer Technologie und enormen Chancen. Doch der politisch motivierte Zusammenbruch der Solarwirtschaft nach 2012 hat dem Osten eine zweite Deindustrialisierung beschert.
Insgesamt hat die Politik deutschlandweit rund 80.000 Jobs in der Solarbranche geopfert, um 20.000 Jobs in der Braunkohle zu stützen. Geschätzt zwei Drittel bis drei Viertel der Arbeitsplätze fielen in Ostdeutschland weg.
Ruinen in Frankfurt (Oder)
Die krassesten Beispiele sind Fürstenwalde und das nahe gelegene Frankfurt an der Oder, unmittelbar an der Grenze zu Polen. Dort ballte sich die Solarwirtschaft mit großen Produzenten wie Conergy, First Solar und Odersun.
Mehrere Tausend Arbeitsplätze gingen nach 2012 den Bach runter, weil die Ministerpräsidenten der Länder den damaligen Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) nicht in die Schranken wiesen.
Faktisch über Nacht kürzte er die Einspeisevergütung unter die Herstellungskosten, sodass die Firmen reihenweise pleitegingen. Chinesische Anbieter konnten sich mit milliardenschweren Staatskrediten über Wasser halten. Heute decken sie 85 Prozent des Weltmarkts ab.
Nach der Krise konsolidiert
Die letzte verbliebene Firma Astronergy (einst Conergy) in Frankfurt (Oder) stellte im April 2019 ihre Maschinen ab. Sie konnte dem Preisdruck aus Fernost nicht standhalten.
Ähnlich lief es bei Solon in Berlin, bei Sovello in Thalheim, bei Sulfurcell (später: Soltecture) in Berlin und am bekanntesten bei Solarworld in Freiberg und Erfurt. Solarworld – einst Deutschlands größter Hersteller von Solarzellen und Solarmodulen – rutschte 2018 in die Pleite.
Auf Wachstum eingestellt
In Ostdeutschland sind heute nur noch wenige Produzenten übrig – immerhin mehr als im Westen der Republik. Sie haben sich konsolidiert und sind auf Wachstum eingestellt. Aus der Solarindustrie entstanden andere Unternehmen, die beispielsweise mit Stromspeichern erfolgreich sind, etwa Senec in Leipzig oder Tesvolt in Wittenberg.
Tesvolt hat gerade die neue Gigafabrik bezogen und will bis Jahresende die erste automatische Fertigung für Gewerbespeicher aufbauen. Die freien Stellen zu besetzen ist eine der schwierigsten Aufgaben, die derzeit zu meistern sind. Denn die Speicherbranche wächst noch schneller als die Solarindustrie.
Dr. Paul Grunow/Photovoltaik-Institut Berlin
„Wir brauchen den Mittelstand und kleine Wuselfirmen“
Ich habe als Physiker am Hahn-Meitner-Institut in Berlin-Wannsee mit der Photovoltaik angefangen, als junger Wissenschaftler in der Strahlenchemie. Kurz nach der Wiedervereinigung kam ich von einem Forschungsaufenthalt in Brasilien zurück.
Keine Jobs in Berlin
Für Physiker gab es damals in Berlin keine Jobs, denn die Akademie der Wissenschaften der ehemaligen DDR war abgewickelt worden. Viele Physiker standen auf der Straße.
Stefan Krauter hat mich zu Wuseltronik geholt, einem Ingenieurteam in Berlin-Kreuzberg. Daraus entstand 1996 die Firma Solon, mit Reiner Lemoine, Stefan Krauter und Martin Sauter. Clemens Triebel spielte eine sehr wichtige Rolle bei Solon. Ich habe bei Solon viel mit Architekten gearbeitet, um sie von der Photovoltaik zu überzeugen.
Module vor Ort repariert
So haben wir bei einer der ersten Anlagen die Solarmodule auf der Baustelle mit Heißluftfön und Teppichmesser aufgekratzt, um sie zu reparieren. Viele Module haben wir noch von Hand gelegt. Die erste Solon-Fabrik befand sich in einer Werkstatt in Kreuzberg, später zog die Firma nach Adlershof um.
Ich blieb drei Jahre bei Solon und ging anschließend zu Q-Cells. Dort bauten wir eine Zellfabrik auf. Solon wurde wichtigster Kunde von Q-Cells, auch Aleo, Solarwatt, Heckert und Solarnova kauften bei uns ein.
2005 habe ich Q-Cells verlassen, eine Woche nach dem Börsengang. Ich war regelrecht ausgebrannt. Denn wir haben immer weiter geochst, bis ich richtig platt war.
Nach dem Börsengang verändert sich so eine Firma: vom Start-up, in dem alle Leute alles irgendwie machen, zum großen Unternehmen mit der zehnfachen Belegschaft. Das ist viel größer, behäbiger und langsamer.
Nach der Pleite von Solon und Q-Cells kamen mir Zweifel. Ich gründe Firmen, und sie gehen immer wieder pleite. Meine Schlussfolgerung für das Photovoltaik-Institut: klein machen, obwohl wir mittlerweile Außenstellen auf der ganzen Welt haben. Im Unterschied zu Solon oder Q-Cells haben wir keine Produkte, sondern Dienstleistungen.
Was trieb mich an? Die Photovoltaik hat etwas Erotisches. Man macht einfach Licht drauf, und es kommt Strom raus. Als ich in die Branche kam, konnte ich machen, was ich wollte. Und ich habe beeindruckende Leute getroffen.
Ein EEG für Speicher
Was wir brauchen, sind der Mittelstand und kleine Wuselfirmen, sie sind auch das Rückgrat der Autoindustrie. Das EEG macht Sinn, um die Dächer vollzukriegen. Das ist erfolgreich, so sollte man es fortsetzen. Bei großen Anlagen brauchen wir kein EEG mehr, aber Speicher und Netzumbau laufen noch nicht von alleine. 100 Prozent erneuerbare Energien sollten wir richtig machen, um es in die Welt zu verkaufen mit Batterien, ohne Hochspannungsnetze.
Die Speicher kann man wie Photovoltaik verteilen und skalieren. Dieses Produkt sollten wir in Deutschland als exportierbare Technologie entwickeln. Das können wir ohne Kohlekraftwerke oder Gaskraftwerke, das Auto ist auch eine mobile Einheit, von der Tankstelle abgesehen. Das haben wir mit Autos geschafft.
Wir brauchen ein EEG für Speicher, die intelligent am Netz über die Wechselrichter agieren. Wir brauchen intelligente Stützräder für die Stromnetze. Eigenstrom ist solidarisch: Wer keinen erzeugt, verweigert sich der Energiewende.
Dr. Paul Grunow ist Gründer und Geschäftsführer des Photovoltaik-Instituts in Berlin.
Sven Lehmann/Photovoltaik-Institut Berlin
„Politischer Konsens als Katalysator für mutige Ausbauziele“
Die Arbeit bei Solon war abenteuerlich und spannend. Start-ups sind immer spannend, egal, was man macht. Von 1996 bis 2002 hatte ich viele eigene Solarprojekte. 2002 habe ich das Ingenieurbüro Solar Expert gegründet, zur Planung von Anlagen und Beratung für die Solarindustrie.
In der Krise habe ich immer mitgelitten mit den Kollegen oder Freunden. Solon ist mehrfach pleitegegangen, bei Q-Cells war das nur einmal, dann ist Hanwha eingestiegen. Aber bei Q-Cells war der innere Abstand größer. Dort waren die Gründer am Ende schon weitgehend draußen, außer Anton Milner.
Bei Solon hatten sich viele Gründer zerstritten, das mussten wir am PI anders machen. Zudem hatten wir viel mehr Erfahrung. Es gibt nicht viele Dienstleister in der Photovoltaikbranche mit unserer Erfahrung. Ich erinnere mich gut an den Wechsel der Gesichter. Ich kam 1994 erstmals mit der Photovoltaik in Kontakt. Damals waren das Sockenträger und Rollpullis in Bad Staffelstein. Die Messen fanden erst in Pforzheim, dann in Freiburg statt. Die Branche wurde größer und anonymer, viele Geschäftsleute und die Finanzwelt.
Von der Politik wünsche ich mir, dass Klartext geredet wird. Zurzeit gibt es keinen Fortschritt, keine beherzte Energiewende. Das vermisse ich, auch wenn es unpopulär ist, wie der Soli nach der Wiedervereinigung. Und doch hat sich das für unser Land gelohnt. Ich wünsche mir einen politischen Konsens als Katalysator für mutige Ausbauziele.
Sven Lehmann ist Photovoltaikexperte am Photovoltaik-Institut in Berlin.
Ulrich Vollert/Siemens
„Man brauchte Pioniergeist“
Seit 1984 war ich bei Siemens für die Stromversorgung von Richtfunkanlagen zuständig. Die Repeater in den Strecken in Afrika und Südamerika mussten höchst verfügbar laufen, deshalb kam der Stromversorgung besondere Bedeutung zu. Das war damals ein Problem.
Mit Diesel und Batterien versorgt
Ich war ausgebildeter Wirtschaftsingenieur und habe mich in die alternativen Energien eingearbeitet, wie sie damals bezeichnet wurden. Je nach Region wurden die Repeater aus dem Stromnetz und aus Batterien versorgt, die vier Stunden Netzausfall überbrücken sollten. Viele Länder hatten jedoch so häufig Netzausfälle, dass zusätzlich noch Dieselgeneratoren als Back-up eingesetzt wurden.
Der erste Pilotversuch bei Siemens
Seit 1981 lief bei Siemens ein erster Pilotversuch mit Solarzellen. Das waren vier Module mit jeweils 110 Watt auf dem Dach eines Containers, der auf dem Hohenpeissenberg stand. Das war wohl einer der ersten Feldversuche mit Photovoltaik überhaupt, damals steckte das Fraunhofer ISE noch in den Anfängen.
1982 hat Siemens schließlich eine komplette Richtfunkstrecke im Sinai mit Solarstrom versorgt. Der Stromverbrauch pro Station betrug zwar nur 50 Watt, doch zur Sicherheit erhielt jede Station einen Dieselgenerator.
Bei der Interatom angelagert
So gut wie jede Stromversorgung hatte zur Sicherheit auch Batterien. Genauer gesagt Bleibatterien. Die Siemens Stromversorgung nutzte als Erste im größeren Umfang auch Blei-Gel-Batterien, die seinerzeit von der Firma Sonnenschein auf den Markt gebracht wurden. Wohl auch aus Imagegründen wurde Photovoltaik in der 1980er-Jahren bei der Siemens-Sparte Interatom angelagert, die damals das Geschäft mit AKW führte.
Ich erinnere mich an die extreme Knappheit beim Silizium. Mitte der 90er-Jahre mussten wir manchmal ein halbes Jahr auf Solarmodule warten. Ab 1993 stieg noch der Solarzubau durch das 1.000-Dächer-Programm. Siemens hatte die größte Modulfabrik und produzierte auch Solarwechselrichter.
Man brauchte Pioniergeist. Auch eine nachhaltige Energieversorgung muss wirtschaftlich tragbar sein, sonst ist sie nicht wirklich nachhaltig. Dies erfordert Win-win-Situationen für alle Beteiligten – einschließlich der Umwelt. Man sollte keine Angst vor großen Projekten haben, immer über den Zaun schauen und Krisen immer auch als Chance erkennen. Außerdem sollte man gut in Physik sein und Einfühlungsvermögen entwickeln können.