Im Autoland Deutschland stehen 150.000 oder 200.000 Jobs auf der Kippe, klagten Experten in die Kamera. Betroffene Protagonisten waren die Schrauber von Zylindern, Pleueln und Ventilen, waren die Zulieferer und die Autoschmieden in Stuttgart, München und Wolfsburg. Der „kleine Mann“ durfte seine Ängste in die Kamera sprechen: Leute, mein Arbeitsplatz ist in Gefahr! Wir brauchen den geordneten Übergang, den Staat! Denn ich bin eine bedrohte Art, bitte setzt mich auf die Rote Liste! Die üblichen Statements der Betriebsräte rundeten das Filmchen ab.
Irgendwie kam mir das bekannt vor. Dieselbe Debatte hatten wir schon einmal, als die Deutsche Post ihr Monopol im Geschäft mit Fernsprechverbindungen aufgeben musste. Das war Anfang der 90er Jahre. Die Bundespost hatte die Telekom gegründet, die bei der Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte plötzlich mächtige Konkurrenz bekam. Durch die Mobilfunktechnik war dann endlich Schluss mit dem Monopol. Was haben die Gewerkschaften damals getrommelt: Tausende Jobs in Gefahr! Das Abendland versinkt! Und jetzt entblödet ein Betriebsrat nicht, diesen Unsinn ins Mikro zu sagen: „Der von den Grünen geforderte Abschied vom Verbrennungsmotor bis 2030 ist übereilt. Man braucht eine Übergangsfrist, sonst ist der Wohlstand in Deutschland in Gefahr.“
Investitionsboom in der Telekommunikation
Der Wohlstand, das Abendland! Fast wortgleich tönten sie damals aus der Telekom und den Chefetagen von Verdi. Heute ist die Telekommunikationsbranche ein Zugpferd des Arbeitsmarktes. Die Telekom ist ein starkes und gesundes Unternehmen, aber eines unter mehreren im Markt. Nie wurden mehr Geld und Grips in neue Übertragungstechnologie, in handliche Endgeräte und Kommunikationsdienstleistungen investiert als heute.
Der Mobilfunk revolutionierte auch die IT-Branche, ein mächtiger Schub für die Digitalisierung. So zeigte sich, dass die Öffnung dieses Marktes nicht nur die Telekommunikationsbranche beflügelte, sondern in viele Wirtschaftszweige ausstrahlte. Nie zuvor war es preiswerter, zu telefonieren oder Daten um den Globus zu senden – eine Befreiung für Geschäftsleute und Privatkunden überall auf dem Globus.
Zweiter Akt der Liberalisierung: die Energiewende
Zweiter Akt, ähnliches Muster: die Liberalisierung der Energiemärkte um die Millenniumswende herum. Auch hier gerieten die Monopolisten ins Wanken, doch die Märkte reagieren regelrecht befreit. Eigentlich kann man sagen, dass sich überhaupt erst Energiemärkte ausbilden können. Bisherige Monopole aufgrund der Produktionskapazitäten (Großkraftwerke) lösen sich auf. Und wieder kreischten die Betriebsräte bei RWE und Eon, warf sich die Industriegewerkschaft für den Bergbau in die Brust. Was ist passiert? Die Energiewende mit sauberen, dezentralen Generatoren bringt Zigtausende neue Jobs – in der Windkraft, in der Photovoltaik, bei Dienstleistern und Händlern.
Ein Handelsgeschäft für elektrischen Strom wurde überhaupt erst ermöglicht. Natürlich sinkt durch Strom aus Wind und Sonne der Bedarf an Tagebauen und Kohlemeilern. Sie abzuschaffen, ist aber der Sinn der ganzen Übung, nur darum geht es. Die Klimaerwärmung ist keine Fake News, um im Bild der Journalisten zu bleiben. Keine Fake News ist auch: Mit Monopolisten ist die Energiewende nicht möglich. Weil eine völlig neue Technologie die Welt erobert, die per se dezentral ist, kleinteilig und individuell. Photovoltaik bedeutet das Ende der Monopole in dieser Branche, die Windkraft nicht unbedingt. Klar dürfte sein: Der Umbau des Energiesektors bringt viel mehr Arbeitsplätze, als die klassischen Versorger verlieren.
70.000 Jobs in der Solarbranche geopfert
Wenn man diesen Umbau will, wohlgemerkt. In Deutschland hat die Politik rund 70.000 hochqualifizierte Arbeitsplätze allein in der Photovoltaik vernichtet, weil sie den Kohleausstieg verschlafen hat. Besser gesagt, weil sie die Kohlemeiler künstlich am Leben erhält. Doch mittlerweile ist mit solchen Strategien keine Wahl mehr zu gewinnen. Der Rücktritt von Hannelore Kraft (SPD) in Nordrhein-Westfalen ist eine historische Fußnote dieser Entwicklung. Niemand kann auf Dauer gegen den Wandel in der Welt regieren. Auch in Deutschland nicht.
In seiner Reportage zur „Riesenstreit um den Elektromotor“ ruft der Bayerische Rundfunk nach dem Staat, nach einem „geordneten Übergang“, um die Jobs in der alten Automobilindustrie zu retten. Welpenschutz für die alten Dinosaurier? Bleiben wir bei der Energiebranche: Sieht so ein geordneter Übergang aus, der Zigtausende Arbeitsplätze in den Zukunftsenergien vernichtet?
Wer zu spät kommt, bleibt auf der Strecke. Das galt nicht für die Telekom, sie hat die Wende in ihrer Branche geschafft, freilich als Rosskur. Das gilt vielleicht für RWE, Eon oder Vattenfall: Mal schauen, wer die kommenden Jahre überlebt. Denn trotz der politischen Widerstände und der Lügen aus den alten Energiekonzernen setzen sich die erneuerbaren Energien weltweit durch. Warum eigentlich? Weil sie die Kunden befreien. Strom ist nicht länger ein Luxusgut der reichen Industrieländer. Er wird überall auf der Welt sehr preiswert zur Verfügung stehen. Die Sonne schickt keine Rechnung.
Die dezentrale Energiewende befreit die Menschen von den ökonomischen Zwangsstrukturen der Großkraftwerke und Stromnetze. RWE und die anderen Versorger dürfen im Markt weiter mitspielen, wenn sie es wollen. Sich gegen den Wandel zu stemmen, ist sinnlos, dann werden diese Firmen verschwinden.
E.GO: die Befreiung der Kunden
Zurück zum Elektromotor. Er befreit die Kunden, denn die Preise für die Autos werden dramatisch in den Keller gehen – in Deutschland und global. Am Wochenende war ich im Rheinland unterwegs, um mir den Rollout des neuen E.GO anzuschauen. Der kleine Viersitzer wird in Aachen produziert. Dahinter stehen die Erfinder des Street Scooter, den die Deutsche Post baut und für ihre Lieferdienste nutzen will. Die Post als Autohersteller, das nenne ich Fortschritt! Das nenne ich Arbeitsplätze mitten in Deutschland!
Der E.GO wird brutto um die 15.000 Euro kosten. Ziehen Sie die Prämie für Elektroautos (4.000 Euro) und die Mehrwertsteuer (19 Prozent) ab, rechnen sie Sonnenstrom (neun Cent je Kilowattstunde) als Sprit dagegen, dann wissen Sie sehr schnell, wie wirtschaftlich dieser kleine Racker ist. Bei der Präsentation in Zülpich gingen an einem Tag zwanzig Fahrzeuge über den Tisch, die Liste der Vorbestellungen wächst täglich. Warum? Weil die Leute solche Autos haben wollen. So einfach ist das.
In Deutschland hat die Autobranche etwa 812.000 Arbeitsplätze, davon etwa 225.000 in der Antriebstechnik. Autopapst Professor Dudenhöfer schätzt, dass der Systemwechsel rund 200.000 Jobs kostet. Bei den Verbrennern, wohlgemerkt. Er verschweigt, wie viele Jobs die Elektromobilität schaffen wird. Der Elektromotor reduziert die Zahl der erforderlichen Energiequellen im Fahrzeug auf das physikalische und ökonomische Minimum – nämlich eine einzige Batterie.
Eine Energiequelle für alles
So treibt nicht der Elektromotor den Wandel bei den Automobilen, sondern die Batterietechnik. Das muss man mitdenken. Auch die neuen IT-Dienstleistungen rund um die Elektrofahrzeuge, Car Sharing und Ladesäulen gehören dazu. Denn es geht darum, den elektrischen Strom in die Mobilität zu bringen, wie er sich in der Energieversorgung von Gebäuden durchsetzen wird. Ein Blick zurück: In der Datenübertragung und in der Post hat er sich bereits durchgesetzt: Niemand nutzt heute mehr Kurierpferde, optische Telegrafen oder Lochstreifen. Und die Tage der Briefpost (Snail Mail) sind gezählt, längst haben E-Mail und SMS die alten Informationsmittel abgehängt. Strom und Information gehören zusammen.
Es macht überhaupt keinen Sinn, ein Wohnhaus oder eine Fabrik aus vier oder fünf Energiequellen zu versorgen: Da werden Stromnetz, Ölheizung, Solarthermie auf dem Dach und vielleicht noch Hackschnitzelheizung kombiniert. Hinzu kommen die Fahrzeuge der Mitarbeiter, die man mit Erdölderivaten betankt. Wenn man all das mit elektrischen Strom erledigen kann, den man obendrein selber kostengünstig erzeugt, ist alte Modell ökonomisch tot. Viel zu aufwändig, viel zu verschwenderisch, viel zu teuer.
So viel Freiheit war nie, das ist die Botschaft der Sektorkopplung. Sie wird durch die Elektromobilität vollendet, findet dort ihren stärksten ökonomischen Hebel. Ich bin mir sicher: Die dezentrale Energiewende und die Elektromobilität werden viel mehr Jobs schaffen, als die alte Energiewirtschaft und die Autokonzerne jemals zusammenbrachten.
Die Lügen der Toppmanager
Der Elektromotor wird kommen, weil er die Menschen befreit. Umso mehr verwundert es, dass Report aus München auf die Grünen einhackt. Auf ihrem Parteitag haben sie 2030 als Ausstiegstermin beschlossen. Das war saudumm, da hat der Kretschmann Recht. Weil sich die Sache ökonomisch erledigt, ein Parteitagsbeschluss war überhaupt nicht nötig.
Ob es den Betriebsräten bei BMW und Daimler gefällt, oder nicht: Bis 2030 werden in Deutschland keine Verbrennungsmotoren mehr verkauft. Das hängt nicht von den Grünen ab, oder den Sozis oder dem Wirtschaftsflügel der CDU, sondern von den Kunden. In den kommenden fünf Jahren ist das Thema durch, wird der Umbruch in der Automobilbranche größer sein als in den Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg.
Dieselgate bei Volkswagen hat gezeigt, dass die Automanager genauso ticken wie die Atommanager von Tepco in Fukushima: Kein Risiko, das sie scheuen, nur um weiterzumachen, wie bisher. Offenbar steht ihnen das Wasser bis zum Hals. Offenbar kann man in der Autobranche (wie in der Atomkraft) nur noch Gewinne erzielen, wenn man die Gesetze bricht. Wenn man seine Kunden belügt und betrügt – mit Rückdeckung aus Berlin und Brüssel.
Wir wollen das so haben!
Bisher hat sich noch kein Toppmanager der alten Industrien dem Wandel gewachsen gezeigt, hat vorausschauend agiert und den Leuten reinen Wein eingeschenkt. Wer hindert Daimler-Benz oder BMW, ihre Mitarbeiter schon jetzt auf die Schulbank zu schicken? Die Leute werden ja noch gebraucht! Der Umstieg auf die Elektroautos wird in wenigen Jahren Millionen neue Fahrzeuge erfordern.
Warum? Weil wir Elektroautos haben wollen. Wir, die Kunden dieser Welt! Ich will keinen Stinkediesel von VW, ich will keine Automanager, die mich betrügen und in meinem Namen die Umwelt verpesten. Ich will mein Auto mit dem Sonnenstrom vom Dach meines Nachbarn tanken. Als Stromspeicher fungiert eine Cloud oder eine Community, die ich per App ansteuere und die uns den Sonnenstrom auf jede beliebige Ladesäule in Europa schickt. Das Auto teile ich mit der Familie und den Nachbarn (die ja den Strom liefern), auch das organisieren wir per App. Und sollte mal was klappern, fahre ich zum meinem Lieblingsinstallateur, der neuerdings auch den Kundendienst für E-Autos anbietet.
Das soll und wird die Welt sein, in der meine Kinder leben. In der sie eine Chance haben auf gesunde, kreative, moderne Arbeit, die sie und ihre Familien ernährt – und meine Rente sichert. Unsere Kinder und Enkel werden freier leben, als wir heute. Befreit von den Verwerfungen der alten Industrien, von Schloten und Stechuhren, von Krebs aus Ruß und Benzolen, von der Leukämie aus Atommeilern. Deshalb muss der Elektromotor kommen!