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“Die Kohle macht das Geschäft“

Die geplante EEG-Novelle wirft etliche Fragen auf, Kritik kommt aus vielen Lagern. Wie bewerten Sie den Entwurf aus der Sicht eines Direktvermarkters?

Oliver Hummel: Auch wir sehen die EEG-Novelle kritisch. Unabhängig von einzelnen Regelungen zieht sich durch das Gesetz, dass es für kleine, bürgernahe Akteure künftig sehr schwer wird, sich an der Energiewende zu beteiligen. Große Unternehmen hingegen werden unterstützt. Dabei machen engagierte Privatpersonen, kleinere Unternehmer und Landwirte mehr als die Hälfte des jährlichen Zubaus in den erneuerbaren Energien in Deutschland aus.

Haben Sie ein konkretes Beispiel für Ihre Kritik?

Der geplante Umstieg von der gesetzlich festgelegten Einspeisevergütung auf Ausschreibungen droht kleine Akteure aufgrund des hohen Aufwandes und der enormen Vorleistungen, die für solche Ausschreibungsverfahren zu erbringen sind, auszuschließen. Es gibt außerdem international genug Beispiele, dass solche Ausschreibungsmodelle die Kosten der Energiewende steigern, statt sie zu senken. Das haben wir in Großbritannien oder den Niederlanden gesehen. Überall waren die Erfahrungen damit sehr schlecht. Offensichtlich will Deutschland diese Erfahrungen wiederholen.

Welche Veränderungen ergeben sich für Ihr Geschäft, die Direktvermarktung von Strom aus erneuerbaren Quellen?

Zum 1. August wird das Grünstromprivileg abgeschafft. Wir haben dieses Modell seit 2008 genutzt, um Ökostrom zu vermarkten. Das fällt nun vollständig aus. Es war das bisher einzige Modell, mit dem man Endkunden wirtschaftlich mit EEG-vergütungsfähigem Strom versorgen konnte.

Was ist stattdessen vorgesehen?

Bislang ist kein Nachfolgemodell im EEG vorgesehen, was aus unserer Sicht völlig unverständlich ist. In Zukunft gibt es nur noch die fixe EEG-Vergütung oder die Vermarktung über das Modell der Marktprämie. Natürlich könnte man den Strom auch außerhalb des EEG direkt vermarkten, aber das ist wirtschaftlich nicht möglich. Von bisher drei Wegen der Direktvermarktung bleiben also nur zwei übrig. Absurd, wo doch eigentlich mehr Wettbewerb gefordert ist. Die Marktprämie ist zudem für die Versorgung von Endkunden nicht geeignet.

Welche Probleme haben Sie mit der Marktprämie?

Der über das Marktprämienmodell gehandelte Ökostrom landet an der Strombörse, wo er zusammen mit konventionell erzeugtem Strom im großen Graustrom-Pool untergeht. Das ist aus zwei Gründen schlecht: Erstens ist für die vielfach geforderte Systemintegration der Erneuerbaren dadurch nichts gewonnen – schließlich wird auch der zu EEG-Konditionen fix vergütete Ökostrom von den Netzbetreibern an die Börse gebracht. Das Marktprämienmodell bietet also keinen Mehrwert, wenn es darum geht, Ökostromangebot und -nachfrage einander anzugleichen. Zweitens, und das wiegt aus unserer Sicht viel schwerer, darf man den Strom im Marktprämienmodell nicht mehr als Ökostrom bezeichnen.

Können Sie das kurz erläutern?

Wir wollen unseren Kunden Ökostrom liefern. Wird der Strom aus Windkraft, Solaranlagen oder Biomasse über das Marktprämienmodell vermarktet, dürfen wir den Strom nicht mehr als Ökostrom in der gesetzlich geregelten Stromkennzeichnung ausweisen. Wir dürfen ihn nur noch als Graustrom weiterverkaufen. Ökostrom konnte man wirtschaftlich aus EEG-Anlagen nur mit dem Modell des Grünstromprivilegs handeln. Fällt es ersatzlos weg, fehlt ein Modell, um EEG-Strom an deutsche Kunden zu liefern. Angesichts von Millionen Verbrauchern, die sich bewusst für Ökostrom entschieden haben und seit Jahren mit Herkunftsnachweisen aus norwegischer Wasserkraft abgespeist werden, ist das ein Unding.

Wie retten Sie Ihr Geschäftsmodell? Immerhin erwarten Ihre Kunden, dass sie weiterhin mit Ökostrom beliefert werden.

Und das werden sie natürlich auch! Wir haben die Strombeschaffung zum 1. August umgestellt. Der Großteil des Stromes stammt auch in Zukunft aus deutschen Wasserkraftanlagen, den Rest kaufen wir in Österreich zu. Allerdings müssen wir den Kunden erklären, dass wir nun kaum noch Strom aus deutschen Windrädern und Photovoltaikanlagen abnehmen können.

Und das, obwohl diese Anlagen direkt in seiner Nachbarschaft stehen …

Genau. Alle Modelle, die Strom aus der Nachbarschaft vermarkten, werden viel unattraktiver gemacht. Egal, ob Sonnenstrom vom Dach oder von der Solaranlage am Ortsrand der Gemeinde. Bisher galt das solare Grünstromprivileg, mit zwei Cent Rabatt auf die EEG-Umlage. Das wird gleichfalls gestrichen. Auch die teilweise Nutzung von Windkraft vor Ort, die sogenannte Teilmengenvermarktung, wird gestrichen.

Was bedeutet das für die Direktvermarktung von Sonnenstrom in den Städten?

Der Eigenverbrauch war bisher von der EEG-Umlage befreit. Ab August wird die Umlage fällig, vermutlich mit etwa 40 Prozent. Besonders kritisch sehen wir, dass der Gesetzgeber den Eigenverbrauch des Stroms vom eigenen Dach und den Direktverbrauch – also die Lieferung des Stroms an einen Abnehmer direkt vor Ort, ohne Nutzung des öffentlichen Netzes – unterschiedlich stark mit der Umlage belastet. Beispielsweise müssen Mieter, die den Solarstrom des Hauseigentümers beziehen, fortan die volle EEG-Umlage zahlen, nur weil ihnen das Dach und die Anlage nicht gehören. Gebäudeeigentümer können Solarstrom zu konkurrenzfähigen Preisen nutzen, die Mieter hingegen nicht. Das ist ungerecht und unsozial.

Sie haben bereits die ersten Mieteranlagen errichtet. Bricht dieses Modell nun gänzlich weg?

Das wird weiter ein interessantes Geschäftsfeld bleiben, sich aber langsamer entwickeln. Das gilt sowohl für die Direktbelieferung von Mietern oder Gewerbebetrieben mit vor Ort erzeugtem Ökostrom als auch für den bislang deutlich weiter verbreiteten Eigenverbrauch. Beides wird sich künftig schwieriger und vermutlich auch in weniger Fällen rechnen lassen, aber wir werden uns von der Idee ganz sicher nicht verabschieden.

Würde man Solaranlagen außerhalb des EEG bauen und vermarkten, hätten Sie freie Hand. Warum ist das so schwierig?

Das hat mit dem Wert des Stroms zu tun. Wir können Photovoltaikanlagen für neun Cent je Kilowattstunde bauen. Der Börsenwert des Stroms liegt derzeit aber nur bei etwa 3,5 Cent. Im Moment notiert die Strombörse auf einem Zehn-Jahres-Tief. Wir haben Strom im Überfluss, im vergangenen Jahr hat Deutschland so viel Strom exportiert wie nie zuvor. Für 3,5 Cent je Kilowattstunde können Sie aber weder eine Photovoltaikanlage noch irgendeinen Kraftwerksneubau anderen Typs wirtschaftlich darstellen.

Warum ist der Handelsstrom so billig?

Wir haben einfach Überkapazitäten. Erstens steigt das Angebot durch den Ausbau der erneuerbaren Energien. Der Strom insbesondere aus Photovoltaik und Windenergie drückt den Preis an der Börse, da er quasi zu Grenzkosten von null Cent produziert wird – schließlich entfallen die Brennstoffkosten. Zweitens gibt es eine Schieflage bei der Stromerzeugung aus konventionellen Kraftwerken: Moderne Gaskraftwerke, deren Flexibilität wir eigentlich dringend benötigen, werden abgeschaltet. Stattdessen lassen die Energieversorger ihre abgeschriebenen Kohlekraftwerke durchlaufen, denn nur mit ihnen lässt sich noch wirklich Geld verdienen. Die Kohlepreise sind sehr niedrig, auch der Preis für die Emissionszertifikate für Kohlendioxid verfällt immer weiter.

Also schwimmen wir im Strom?

Faktisch ja. Solange sich die Kohlendioxidzertifikate nicht im Markt auswirken, wird sich daran wenig ändern. Dabei müssen eigentlich alte, dreckige Kraftwerke aus dem Markt verschwinden, bis Angebot und Nachfrage wieder in der Balance sind. Möglicherweise sieht das in zehn Jahren ganz anders aus. Im Augenblick aber machen die alten Kohlekraftwerke das Geschäft.

Das Interview führte Heiko Schwarzburger.

Naturstrom AG

Solarpark mit vier Megawatt geplant

Die Naturstrom AG baut auf dem Gebiet der brandenburgischen Kleinstadt Brück, 80 Kilometer südöstlich von Berlin gelegen, derzeit ihre dritte Freiflächenanlage. Das Solarkraftwerk entsteht auf einer Gewerbefläche, die seit den 1990er-Jahren überwiegend brachlag, und verfügt über eine installierte Leistung von 4,14 Megawatt. Mehr als 16.500 Module werden auf dem knapp neun Hektar großen Grundstück installiert. Pro Jahr erzeugt die Solaranlage dadurch voraussichtlich rund 4,1 Millionen Kilowattstunden Ökostrom – genug für 1.700 normale Zwei-Personen-Haushalte. Rein rechnerisch ließen sich somit rund 90 Prozent der Haushalte in Brück mit sauberem Sonnenstrom versorgen.

https://www.naturstrom.de/

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