Der aktuelle Weltrekord von Tandemzellen aus einer Silizium-Unterzelle und einer Perowskit-Topzelle liegt seit Dezember 2022 beim Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB). Die neue Tandemsolarzelle wandelt 32,5 Prozent der einfallenden Sonnenstrahlung in elektrische Energie um.
Das Institut European Solar Test Installation (Esti) in Italien hat die Tandemzelle ausgemessen und den Wert offiziell bestätigt. „Dies ist ein wirklich großer Sprung nach vorne, den wir vor einigen Monaten noch nicht vorhergesehen haben“, erläutert Steve Albrecht, Professor am HZB. „Alle beteiligten Teams haben hervorragend und mit großer Hingabe zusammengearbeitet.“
Raffinierte Verbesserungen
Die Forscher nutzten eine verbesserte Perowskitschicht und modifizierten die Oberfläche auf raffinierte Weise. Dadurch sinken die Verluste durch Rekombination von Ladungen. Weitere optische Verbesserungen erhöhten den Wirkungsgrad zusätzlich.
Das Rennen um die besten Stapelzellen ist aufregend: Verschiedene Teams vom HZB konnten Ende 2021 einen Rekordwert von 29,8 Prozent erzielen. Dafür hatten sie spezielle Nanotexturen in die Solarzellen eingebracht. Im Sommer 2022 konnte die Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) in der Schweiz diesen Wert übertreffen, mit 31,3 Prozent Zelleffizienz. Nun liegt der Rekord mit 32,5 Prozent wieder am HZB.
Klassifizierung aus der Mineralogie
Perowskite geistern seit mehreren Jahren durch die Fachmedien, sie gelten als Hoffnungsträger der Photovoltaik. Prinzipiell stehen sie für eine Mineralklasse aus der Mineralogie, die eine typische Kristallstruktur aufweist.
Schon 1840 hat sie ein deutscher Wissenschaftler aus Fundstücken aus dem Ural klassifiziert und nach seinem russischen Kollegen Lew Perowski benannt. Die Perowskite als Solarhalbleiter gehören zu den sogenannten Verbindungshalbleitern, wie beispielsweise CIGS oder Cadmiumtellurid. 2009 wurden sie erstmals als Solarmaterial untersucht, seinerzeit in Japan. Mittlerweile beschäftigen sich weltweit sehr viele Forschergruppen mit diesem Thema.
Sehr komplexes Material
Das Material ist komplex, viel komplexer als kristallines Silizium. Im ursprünglichen Mineral steckte Methylammoniumbleijodid, also ein Hybrid aus organischem Methylammonium und Bleijodid, das anorganisch ist. Weil die Perowskite Hybride sind, unterscheiden sie sich von CIGS, das rein anorganisch ist. Mittlerweile gibt es eine ganz große Familie von Perowskiten, die beispielsweise mit Cäsiumbleijodid sogar auch rein anorganische Materialien umfasst.
Recht große Bandlücke
Besonders wichtig für solare Anwendungen ist die recht große Bandlücke, die man sehr gut einstellen und anpassen kann. Die Bandlücke der Perowskite fängt vor allem sichtbares und ultraviolettes Licht ein, also den Anteil im Sonnenspektrum, der höhere Frequenzen und geringere Wellenlängen zeigt.
Silizium hat dagegen eine feste, eher kleine Bandlücke. Siliziumzellen nutzen auch rotes und infrarotes Licht, um daraus elektrischen Strom zu generieren, beuten aber sichtbares Licht nicht so gut aus.
Höhere Spannungen aus der Zelle
Daraus folgt, dass die elektrischen Spannungen aus Perowskitzellen höher sind als aus Siliziumzellen. Allerdings sind die elektrischen Ströme geringer. Außerdem wird versucht, die hauchdünnen Perowskitzellen mit Siliziumzellen in Tandems zu kombinieren, um das Sonnenspektrum möglichst breit auszunutzen.
Am HZB in Berlin wurde auch erforscht, ob sich CIGS als Substrat oder Bottomzelle eignet. Silizium und CIGS weisen eine ähnliche Bandlücke auf, die gut zu den Perowskiten passt. In Berlin laufen die Forschungen zu den neuartigen Tandemzellen im modernen Hysprint-Labor.
In Tandems kombiniert
Perowskite wird es also nicht als Einzelzellen, sondern nur in Tandems geben. Die Topzelle, die aus Perowskit besteht, liefert rund zwei Drittel der Leistung. Die Bottomzelle aus Silizium, CIGS oder einem Perowskit mit kleiner Bandlücke steuert etwa ein Drittel bei.
Theoretisch sind bis zu 33 Prozent Wirkungsgrad erreichbar. Rechnet man die Verluste in der Modulfertigung ein, dürften Solarmodule mit Perowskit-Silizium-Tandemzellen deutlich leistungsfähiger sein als Module mit monokristallinen Siliziumzellen. Sie dürften Wirkungsgrade um oder gar über 30 Prozent schaffen.
Praxistaugliche Solarmodule lassen auf sich warten
Allerdings sollte die Entwicklung der Zellen im Labormaßstab nicht darüber hinwegtäuschen, dass industriell gefertigte Solarmodule mit diesen Stapelzellen nach wie vor auf sich warten lassen. Vor allem bleibt abzuwarten, ob die Stabilität der Tandemzellen ausreicht, um praxistaugliche Solarmodule zu produzieren. Testmuster am HZB erwiesen sich 300 Stunden lang als stabil, ohne Verkapselung.
Bislang zeigen sich die Perowskite anfällig gegen hohe Temperaturen um 150 Grad Celsius. Bei dieser Temperatur läuft der Laminierprozess zur Verkapselung mit EVA-Folie, den die fragilen Beschichtungen während der Fertigung überstehen müssen.
Oxford PV baut eine Fabrik
Um die Stabilität der Zellen zu verbessern, experimentieren die Forscher mit Brom oder hydrophoben Molekülen, die sie beimischen. Denn Feuchtigkeit ist der Zellen Tod.
Zudem geht es darum, das Schwermetall Blei im Halbleiter zu verringern oder zu ersetzen. Auch wenn aufgrund der sehr dünnen Perowskitzelle nur sehr wenig Blei enthalten ist.
Dass die Sache knifflig ist, beweist die Firma Oxford PV in Brandenburg an der Havel. Ihre Fabrik soll 200 Megawatt im Jahr produzieren. Einst für 2020 oder 2021 angekündigt, lassen die neuartigen Solarmodule noch immer auf sich warten. Bei den Maschinen arbeitet das Unternehmen eng mit Meyer Burger zusammen.
Neue Anläufe in diesem Jahr
Im März dieses Jahres wurde ein niederländisch-deutsches Konsortium gegründet, um Perowskitmodule endlich zur Marktreife zu bringen. Sie sollen bifaziale Zellen bekommen und mehr als 300 Watt pro Quadratmeter leisten. Zum Vergleich: Module mit Perc-Standardzellen schaffen rund 200 Watt.
Innerhalb von vier Jahren wollen die Forscher ihre Arbeiten abschließen. Sie verwenden Perc-Zellen als Substrat. Darauf wird die Perowskitzelle geschichtet. Um den Zellverbund vor Feuchtigkeit zu schützen, wird das Laminat in Glas-Glas-Module implementiert. Am Konsortium sind auch Q-Cells und das HZB beteiligt.
Kombi mit HJT-Zellen
Ein anderes Konsortium gruppiert sich um den Schweizer Modulhersteller Meyer Burger und das Forschungsinstitut CSEM in Neuchâtel. Beteiligt sind zudem die Universität Stuttgart, das HZB und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg im Breisgau.
Diese Gruppe will Perowskitschichten mit Heterojunction(HJT)-Zellen kombinieren, die mehr als 30 Prozent Lichtausbeute erzielen. „Meyer Burger verfügt über ein umfassendes Portfolio an Prozessen, Technologien und Produktionstechniken für eine eigene potenzielle Massenfertigung von Tandemsolarzellen“, sagt Marcel König, Entwicklungschef von Meyer Burger. „Dies umfasst die wesentlichen Fertigungsprozesse und Maschinen für Perowskit-Tandemsolarzellen auf Siliziumbasis sowie entsprechende Solarmodule mit Meyer Burgers proprietärer Smartwire-Verbindungstechnologie.“
Schweizer geben Gas
Die Zusammenarbeit im neuen Konsortium baut auf Kooperationen bei der Entwicklung von Heterojunction-Siliziumzellen auf. In der Vergangenheit hatte sich Meyer Burger bereits an der Erforschung der Perowskittechnologie beteiligt, etwa mit Oxford PV.
Nun meldete Meyer Burger mit seinen Partnern erste Erfolge. So schafften die Schweizer einen Wirkungsgrad von 29,6 Prozent für eine 25 Quadratzentimeter große Perowskit-Tandemsolarzelle.
Zuverlässigkeit und Langlebigkeit als Ziel
Dafür kombinierten die Schweizer Forscher die Heterojunction-Siliziumzellen mit Perowskitstrukturen. „Dieses hervorragende Ergebnis zeigt das Potenzial von Silizium-Perowskit-Tandemzellen, hohe Wirkungsgrade zu erzielen“, sagt Christophe Ballif, Direktor am CSEM. „Auch wenn noch viel Arbeit vor uns liegt, ist die Industrialisierung von Solarzellen mit einem Wirkungsgrad von über 30 Prozent auf dem richtigen Weg.“
Für Perowskit-Silizium-Tandemzellen sind die industrielle Herstellung und eine hohe Zuverlässigkeit der Solarmodule entscheidend. „Ziel ist es, dass Perowskit-Silizium-Module dem hohen Standard entsprechen, den die klassische Siliziumtechnologie gesetzt hat“, meint Andreas Bett, Institutsleiter am Fraunhofer ISE.
Zellen von der Rolle
Einen anderen Ansatz verfolgen Forscher an der Universität im walisischen Swansea. Sie haben ein Druckverfahren entwickelt, um Folien mit Perowskitschichten zu bedrucken, von Rolle zu Rolle. Im Test bedruckten sie eine 20 Meter lange Folie.
Solche dünnen Solarfolien würden völlig neue Einsatzfelder eröffnen. Voraussetzung war die Entwicklung einer preiswerten Tinte auf der Basis von Kohlenstoff. Sie soll die aufgedampften Goldelektroden ersetzen, die in konventionellen Verfahren benutzt werden.
Die Tinte enthält Lösungsmittel, die als dünner Film trocknen, ohne ihre Trägerschicht zu beschädigen. Aufgedruckt auf Glasplättchen zeigten die Kohleelektroden eine vergleichbare Effizienz von 13 bis 14 Prozent wie herkömmliche Goldelektroden. Nach Angaben der Forscher hielten sie jedoch höheren Temperaturen stand und erwiesen sich als langlebiger.
Sehr schnell gigantische Mengen fertigen
Die Testfolie erreichte einen Wirkungsgrad von 10,8 Prozent. Das klingt wenig. Wenn sich die Folien einfach und preiswert herstellen lassen, könnten die geringen Kosten die geringere Lichtausbeute mehr als wettmachen. Dann könnte man die Solarfolien sehr schnell in gigantischen Mengen produzieren.
Die meterlange Testfolie aus dem Labor in Swansea ist ein echter Sprung, denn bislang waren Testzellen meist nur wenige Quadratzentimeter groß. Auch die Forschungen an Tandemzellen mit Silizium oder HJT als Basis scheinen vielversprechend. Man darf gespannt sein, wann die ersten kommerziellen Produkte verfügbar sind – und für welche Anwendungen sie sich eignen.