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Die letzte Reise

Ein Hagelsturm hat große Teile einer Anlage unbrauchbar gemacht. Nun will der Kunde die defekten Module ordnungsgemäß entsorgen. Auch für diese letzte Reise gibt es Regeln. Und natürlich wie fast immer auch Alternativen, die mehr oder weniger kosten.

Tatsächlich nicht mehr gebrauchsfähig?

Zunächst einmal dürfen nur nicht mehr gebrauchsfähige Module tatsächlich recycelt werden. Da gelten mit dem novellierten Elektrogesetz für Solarmodule die gleichen Regeln wie für andere Elektrogeräte auch. Alle Module, die noch funktionsfähig sind und dennoch aus unterschiedlichsten Gründen aus der Anlage ausgebaut werden, sind dem Zweitmarkt zuzuführen, sprich wiederzuverwenden. Das Gesetz unterscheidet hier ganz fein in nicht mehr funktionstüchtige Altgeräte und noch gebrauchsfähige gebrauchte Geräte. Ob es wirklich in jedem Fall sinnvoll ist, ein noch funktionierendes Modul dem Zweitmarkt zuzuführen, darüber kann man streiten. Module mit Leistungsverlust in südliche Märkte mit viel Sonneneinstrahlung weiterzuverkaufen, mag nicht immer nachhaltig sein.

Für die Frage, was die Entsorgung kostet, bietet PVEX aus Taucha eine praktikable Hilfestellung. Das Unternehmen hat einen Katalog von 20 Merkmalen entwickelt, die bei Inaugenscheinnahme vor Ort erfasst werden. Mit der Checkliste werden neben dem Modultyp sichtbare Beschädigungen systematisch abgefragt: Ist der Rahmen verbogen, ist das Modul verschmutzt, verbrannt, gebrochen? Sind die Stecker intakt, die Anschlussdosen vorhanden?

Wird diese Bestandsaufnahme an PVEX übermittelt, sind sofort differenzierte Preise zu ermitteln. Grundlage dafür bildet eine nahezu lückenlose Datenbank, in der über 1.000 Modultypen mit ihren jeweiligen Charakteristiken erfasst sind. Denn im Laufe der Jahre haben sich die Modultechnologien stark verändert, Rohstoffzusammensetzungen wie auch zum Beispiel Kabellängen, Abmessungen der Alurahmen und anderes. Somit hat jedes Modul seinen ganz eigenen Recyclingwert.

Beschädigungen beeinflussen Aufwand

Die zweite wichtige Größe ist die Art der Beschädigung. Denn davon hängt ab, wie aufwendig der Recyclingprozess ist und wie viele Rohstoffe in welcher Güte am Ende tatsächlich wiedergewonnen werden können. Starke Verschmutzungen zum Beispiel beeinflussen dieses Ergebnis.

Rainer K. Schmidt, Geschäftsführer von Ecopark und Gründer des Verwertungsunternehmens PVEX, gibt zu den Marktpreisen eine grobe Schätzung ab: „Wenn Dünnschichtmodule keinen Glasbruch haben, werden diese ab 200 Euro pro Tonne frei Bordsteinkante, also zuzüglich Transport, angenommen und fachgerecht entsorgt. Bei kristallinen Modulen bewegt sich der Preis zwischen 35 und 75 Euro pro Tonne.“

Verpackung und Transport meist unterschätzt

Ein wesentlicher Kostenfaktor im Recyclingprozess ist der Transport. Jeder Lademeter auf einem Lkw kostet Geld. Für Installateure und Betreiber, die nur für einen Einzelfall den Transport buchen, wird es unter Umständen teurer als für einen Dienstleister, der Rahmenverträge mit Logistikunternehmen hat.

Und ein zweiter wichtiger Punkt spielt eine Rolle: die Verpackung. Zerbrochene, verformte Module lassen sich nur schwer verpacken. Und selbst wenn dies nicht der Fall ist, reicht ein Pappkarton nicht. „Wir sehen leider mitunter haarsträubende Verpackungstechniken, die weitab von transportsicher einzuordnen sind“, berichtet Schmidt.

Aber die Module dürfen auf dem Transport nicht zusätzlich beschädigt werden, auch das ist gesetzlich vorgeschrieben. Schmidt hat deshalb gemeinsam mit seinem für die Koordination und Verwertung zuständigen Mitarbeiter Benjamin Sukstorf ein Transportsystem entwickelt, das er seinen Kunden zur Verfügung stellt.

Für den jeweiligen Modultyp erhält der Kunde eine Bauanleitung mit genauen Maßen für eine einfache Bretterbox, in der die Module sicher verladen und gesetzeskonform transportiert werden können. „Viel praktischer, als wenn jeder selbst anfängt zu tüfteln“, sagt er. Weitere Beschädigungen auf dem Transport sind auch deshalb zu vermeiden, weil sie unter Umständen den zuvor kalkulierten Preis beeinflussen. Umweltschmutz wie Laub und Sand können den Aufarbeitungsprozess zusätzlich verkomplizieren und damit verteuern.

Erst verdichten, dann zermahlen

Sind die alten Module bei PVEX auf dem Hof gelandet, wird zunächst geprüft, ob sie tatsächlich unrettbar verloren sind. Denn das ist nicht immer der Fall. Das Recycling selbst erfolgt in zwei Prozessschritten.

Der erste Verdichtungsschritt findet bei PVEX statt. In einer hydraulischen Presse werden die Rahmen vom Modul entfernt, die Kabel und die Anschlussdosen. So wird viel Volumen abgebaut, und die dicht an dicht aufeinanderliegenden Laminate gehen dann zur thermo-chemischen Spaltung. Dieses Verfahren erfolgt bei einem Partnerunternehmen, wobei PVEX die dortigen Prozesse mitgestaltet hat und überwacht. In der Pyrolyse werden die Laminate unter Sauerstoffabschluss einem thermischen Prozess ausgesetzt. Nach dem Versintern bleibt ein Klumpen übrig, in dem alle Elemente verschmolzen sind. Dieser Klumpen wird fein zermahlen.

Die Güte der Reststoffe entscheidet über den Wert

Anschließend können die einzelnen Materialien voneinander getrennt werden. Silizium, Zinn, Silber, Aluminium und vor allem Glas können wiederverwertet werden. Nur zwei Prozent nicht mehr verwertbare Reststoffe bleiben im Idealfall in dem von PVEX entwickelten Verfahren am Ende zurück. Bei stark verschmutzten Modulen oder bestimmten Schadensbildern wird dieser Wert allerdings nicht erreicht.

Nun gilt es, die gewonnenen Rohstoffe auch sinnvoll und wirtschaftlich wieder an den Markt zu bringen. Der Recycler wird zum Rohstoffhändler. Aluminium aus Recyclingprozessen wird bereits seit Langem in großen Mengen auf dem Weltmarkt gehandelt und in neuen Produkten verbaut. Hier gibt es eingespielte Prozesse und Lieferketten, ebenso bei Kupfer.

Entscheidend ist die Güte der Fraktionen. Verunreinigungen wirken sich wertmindernd aus. Die größte Menge macht das Glas aus, das ebenfalls sehr unterschiedliche Qualitäten aufweisen kann. Das eisenarme Glas, das zur Herstellung von Solarmodulen verwendet wird, ist im Idealfall noch immer eisenarm und zum Wiedereinschmelzen für Solarglas geeignet. Aber auch die Bauindustrie nimmt die Glasreste gern ab.

Moderates Marktwachstum

Rainer K. Schmidt schätzt das Marktwachstum sehr viel konservativer ein als zum Beispiel das Bifa-Institut aus Augsburg oder die Irena-Studie von 2016. „Der Recyclingmarkt wird nicht explodieren. Es ist ein moderat wachsender Markt, in dem vor allem europäisch agierende Dienstleister große Marktanteile haben werden“, ist seine Analyse.

Ausgehend von den installierten Mengen und einer konservativ angesetzten Sterberate schätzt er das Marktvolumen für Deutschland für die nächsten Jahre auf 5.000 Tonnen pro Jahr. Dennoch – klare gesetzliche Regelungen und ein moderat wachsendes Marktvolumen sind für einschlägige Unternehmen eine stabile Geschäftsgrundlage.

Die Stellschrauben im Wettbewerb

Die Prozesskosten der Aufbereitung und die Verwertung der gewonnenen Rohstoffe machen die Musik im Wettbewerb. Neben dem ausschlaggebenden Kostenfaktor Transport und Logistik gilt es, möglichst viele Wertstoffe zu extrahieren und diese dann erfolgreich zu verkaufen.

Der Recycler wird zum Rohstoffhändler, und das ist ein ganz eigenes Geschäft. Die Risiken des Abverkaufs schlagen in den Renditen des Recyclers zu Buche. Die Rohstoffe zu lagern und zu verkaufen, wenn die Marktpreise dafür gut sind, neue Einsatzmöglichkeiten und Abnehmer für die einzelnen Reststoffe zu finden, das sind die Herausforderungen in diesem Geschäft. Wenn dies gelingt, ist es vielleicht auch gar nicht so treffend, von einer letzten Reise zu sprechen – denn dann beginnt eine neue.

www.pvex.de

Elektro-Altgeräte-Register

Genaue Zahlen stehen noch aus

Verlässliche Zahlen über tatsächlich in Deutschland recycelte Altmodule gibt es derzeit noch nicht. Im Elektro-Altgeräte-Register (Stiftung EAR) werden die Altmodule seit Februar 2016 in der Sammelgruppe 6 erfasst.

Die Rücknahmen über öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger und die Meldungen der Hersteller über Eigenrücknahmen machten im Jahr 2016 zusammen knapp 800 Tonnen aus. Rücknahmemengen von Vertreibern oder Mengen aus Großanlagen sind in dieser Zahl nicht erfasst.

Das Umweltbundesamt, das zusätzliche Erhebungen durchführt, hat seine Zahlen für 2016 noch nicht veröffentlicht.

www.stiftung-ear.de

Fraunhofer CSP/Reiling

Mehr Wertstoffe zurückgewinnen

Forscher des Fraunhofer CSP arbeiten gemeinsam mit dem Recyclingunternehmen Reiling daran, den industriellen Wiederverwertungsprozess für siliziumbasierte Photovoltaikmodule zu erweitern. Momentan werden zwar Glas und Aluminiumrahmen in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt, weitere Metalle und Silizium gelangen dagegen oft in die thermische Entsorgung, was weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll ist. Im Vorhaben EoL-Cycle planen die Projektpartner, zu denen neben Reiling und dem Fraunhofer CSP auch ein Unternehmen der Loser-Gruppe gehört, Rohstoffe wie Kupfer, Silber, Zinn und Silizium zurückzugewinnen und aufzubereiten.

Darüber hinaus soll durch optimierte Aufbereitungs- und Abtrennverfahren die Reinheit des gewonnenen Glases verbessert sowie die Staub- und Feinstaubbelastung reduziert werden. Die Experten planen, in einem Demonstrationsversuch 100 Tonnen Module mit dem Ziel zu verarbeiten, rund eine Tonne Silizium und möglichst 20 Kilogramm Silber zurückzugewinnen. Der erweiterte Recyclingprozess soll sich wirtschaftlich über die verwerteten Rohstoffe tragen. Das BMWi fördert das Projekt mir rund 1,7 Millionen Euro.

www.csp.fraunhofer.de/de/kompetenzfelder.html

Kurz nachgefragt

„Es geht um massentaugliche Prozesse“

Welches Recyclingverfahren konkret entwickeln Sie in Ihrer Forschung?

Peter Dold: In unserem Projekt entwickeln wir einen Prozess ohne Pyrolyse, um das Glas in wiederverwendbarer Qualität zu gewinnen, ebenso das Kupfer, Silber und Silizium. Die Module werden in bereits industriell gängigen Verfahren geschreddert, und wir wollen das Schreddergemisch optimal trennen. Die gewonnenen Materialien sollen eine gute Qualität haben und die Prozesse massentauglich, robust und wirtschaftlich sein.

Das Zerkleinern von Modulen ist demnach nicht die Herausforderung?

Nein. Glas wird bereits vielfach recycelt. Die Maschinen zum Zerkleinern gibt es. Sie haben hohe Durchsätze und können viele Tausend Tonnen pro Jahr verarbeiten, auch die verschiedensten Materialkombinationen. Diese Verfahren kann man gut auf Solarmodule adaptieren.

Die Trennung des Schreddergemischs ist also Ihr Fokus?

Wir untersuchen alle Methoden, die bereits verfügbar sind, und modifizieren diese auf das spezielle Materialgemisch von Solarmodulen. Dazu gehören zum Beispiel Magnetabscheider, wobei die magnetischen Bestandteile in Modulen sehr gering sind. Weitere Methoden sind das Ausblasen oder Sieben sowie das Abtrennen elektrisch leitfähiger Teile. Hat man Metallgemische, kommen metallurgische Prozesse ins Spiel.

Wir untersuchen alle Methoden, die bereits verfügbar sind, und modifizieren diese auf das spezielle Materialgemisch von Solarmodulen. Dazu gehören zum Beispiel Magnetabscheider, wobei die magnetischen Bestandteile in Modulen sehr gering sind. Weitere Methoden sind das Ausblasen oder Sieben sowie das Abtrennen elektrisch leitfähiger Teile. Hat man Metallgemische, kommen metallurgische Prozesse ins Spiel.

Da kommen ja ganz verschiedene Themenkomplexe zusammen?

Ja, das ist ein schönes Querschnittsthema. Es gibt Schnittstellen zur Verfahrenstechnik, zum Anlagenbau, mechanische und chemische Prozesse.

Weshalb suchen Sie einen Weg, der ohne Pyrolyse auskommt?

In der Pyrolyse fallen toxische Abfälle an. In den thermischen Prozessen entstehen zum Beispiel aus den fluorhaltigen Folien fluorhaltige Abgase. Und je nachdem bei welchen Temperaturen die Prozesse gefahren werden, geht auch das in den Loten enthaltene Blei in Gasform über.

Welche Materialbestandteile sind besondere Herausforderungen?

Man muss davon ausgehen, dass bei den meisten Modulen, die jetzt im Feld sind und demnächst ins Recycling kommen, Lote mit Bleianteil verwendet wurden. Manchmal kann es sogar auch Cadmium sein, das heißt es gibt Modultypen, bei denen cadmiumhaltiges Lot verwendet wurde.

Warum ist die kostengünstige Entsorgung so wichtig?

Entsorgen soll für die Hersteller und Betreiber nicht teuer sein. Denn sonst haben wir eine Entwicklung, die uns nicht gefallen kann. Ausgemusterte Module werden in ärmere Länder mit hoher Sonneneinstrahlung weiterverkauft. Dort laufen sie noch einige Jahre. Sind sie dann endgültig kaputt, gibt es in diesen Ländern Schrott, den niemand nachhaltig recycelt.

www.csp.fraunhofer.de

Peter Dold

ist Institutsleiter am Fraunhofer Center für Silizium-Photovoltaik CSP in Halle und Gruppenleiter für den Forschungsbereich Photovoltaik-Recycling. Der habilitierte Materialwissenschaftler forscht seit 2011 am Fraunhofer CSP in Halle.