Die Energiewende benötigt eine intelligente Sektorenkopplung. „Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir nicht nur Solarstrom, sondern auch Ökowärme und grüne Mobilität“, fordert Peter Thiele von Sharp Electronics. Das Klimapaket sei daher nicht der erhoffte große Wurf.
Herr Thiele, Sie arbeiten seit 1996 bei Sharp. Wie kamen Sie in die Branche?
Thiele: Ich bin studierter Elektrotechniker. Genauer gesagt, habe ich das Studium Optoelektronik an der Ruhr-Universität in Bochum 1989 abgeschlossen. Licht und Farben haben mich interessiert. Ich wollte unter anderem wissen, warum der Himmel blau ist. Mit dieser Entscheidung musste ich mich allerdings gegen meinen Vater durchsetzen, der im Bergbau gearbeitet hat.
Optoelektronik kombiniert die Themen Optik und Halbleiterelektronik.
Richtig. Solartechnik war somit ein Teil meines Studiums. Während meiner ersten Berufsstation bei Hewlett Packard habe ich mich mit LEDs beschäftigt. Später gründete HP zusammen mit Philips die neue Firma Lumileds. Hier durfte ich auch George Crawford kennenlernen, der die gelbe LED bereits 1972 erfand und später half, eine kommerzielle Version der Glühbirne zu entwickeln. Es war insgesamt spannend zu sehen, wie viele neue Anwendungen durch Halbleiterlaser entstanden sind. Alle Firmen in der Branche haben damals daran gearbeitet, blaues Licht für Displays zu entwickeln.
Dann hat Sharp angerufen und Sie mussten vom Süden in den Norden umziehen.
Es blieb bei Optoelektronik, aber nun war ich in der Solartechnik angekommen. Seit Mitte der 90er kann ich nun beobachten, wie rasant sich die Technik entwickelt. Ich erinnere mich noch an die erste Produktionslinie für Siliziumzellen in unserem Hauptwerk von Sharp. Die ersten kommerziellen Solarzellen sahen aus wie größere, dickere Kekse. Unser Forschungsleiter war richtig stolz darauf, als er diese in Modelle packte. Damals entstanden auch die ersten Konzentratorzellen.
Die Solartechnik fand auch Einzug in den Weltraum.
Im Prinzip ja, auch wenn man mit Galliumarsenid eine andere Chemie eingesetzt hat. Der Grund: Es wurden höhere Effizienten erzielt bei geringerem Gewicht, das war entscheidend. Die höheren Kosten waren für die Weltraumtechnik zweitrangig – bei uns auf der Erde sah das anders aus.
Welches Solarprojekt würden Sie als wegweisend bezeichnen?
Ein Projekt war in der Tat ein Schüsselerlebnis für mich: Die Eröffnung des dreiteiligen Solarparks Mühlhausen mit insgesamt zehn Megawatt Leistung in der Oberpfalz. Das war 2005 der weltweit größte Solarpark. Projektierer war die Firma Powerlight, die auf unsere Sharp-Module setzte. Zur Eröffnung kam unser Geschäftsführer aus Japan, Tomita Takashi, sowie der mittlerweile leider verstorbene SPD-Politiker und Solarvisionär Hermann Scheer, damals Präsident des Verbands Eurosolar. Seine Rede hat mich nachhaltig beeindruckt, und der Solarpark selbst war der erste Beleg, dass sich mit Photovoltaik Strom in großem Stil produzieren lässt. Der Solarpark Mühlhausen belegte somit den Erfinder des EEG in der Praxis.
Wie bewerten Sie die deutsche Pionierarbeit bei der Energiewende?
Der japanische Markt hat sich immer gern an Deutschland orientiert: Das EEG, die Fördersysteme, auch später das Ausschreibungsregime haben Japan klar beeinflusst und eine Blaupause in die Hand gegeben. Ebenso wurden die Auswirkungen der volatilen Einspeisung auf das Stromnetz beobachtet. Gerade erst war ein Vertreter des Energieversorgers von Osaka, der japanischen Partnerstadt von Hamburg, bei uns und hat sich informiert, wie der Stand der Technik bei den Erneuerbaren und der Digitalisierung ist. Es gibt nach wie vor einen regen Austausch. Für Japan ist Solar eine Schlüsseltechnologie. Auf dem brachliegenden Gelände um Fukushima werden gerade 14 Solarparks aufgebaut.
Wie bewerten Sie die Aussichten für den deutschen Solarmarkt?
Wir sind in den letzten Jahren durch ein Tal gegangen, keine Frage. Nun zeichnet sich aber eine Trendwende ab, deshalb bin ich für den deutschen Markt recht optimistisch. Es wird wieder vermehrt installiert im kleinen Bereich für Eigenversorgung und über Ausschreibungen bei großen Parks. Die Akzeptanz bei den Bürgern für Solarstrom ist weiter hoch, das gilt es auszunutzen. Insgesamt wird von 530 Terawattstunden im Jahr 2018 ausgehend eine Zunahme des Nettostromverbrauches um gut ein Fünftel auf 657 Terawattstunden im Jahr 2030 erwartet. Um die deutschen Klimaschutzziele zu erreichen, muss das Gros dieser Terawattstunden pro Jahr aus Ökostrom kommen. Das bedeutet, wir brauchen einen Zubau von jährlich sieben bis zehn Gigawatt bis 2030, so wie es auch Professor Volker Quaschning von der HTW Berlin errechnet hat. Dafür müssen die Regularien und Genehmigungen insgesamt einfacher werden. Auch die Umwidmung von Land für Photovoltaik muss insgesamt leichter werden.
Was wünschen Sie sich konkret von der Bundesregierung?
Der Deckel für Photovoltaik muss weg. Dieser Wusch steht ganz oben auf der Liste und ist ein absolutes Muss. Denn falls wir weiter installieren wie bisher, erreichen wir den Ausbaustopp schon im nächsten Jahr. Einen wichtigen Aspekt darf die Regierung nicht aus dem Blick verlieren: Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir nicht nur Solarstrom, sondern auch Ökowärme und grüne Mobilität. Die Energiewende braucht deshalb eine intelligente Sektorenkopplung. Das Klimapaket erscheint mir nicht als der große Wurf, deshalb muss die Politik hier weiter an einer ambitionierten und verbindlichen Festschreibung in Form von Gesetzen arbeiten.
Als japanischer Konzern gucken Sie auch auf die anderen Märkte. Wo ist es gerade spannend für Sie?
Für unseren Standort in Hamburg ist vor allem Europa interessant. In Spanien tut sich gerade wieder etwas: Die Regierung in Madrid packt die Gesetzgebung an, Eigenverbrauch ist wieder erlaubt und es gibt wieder erste Ausschreibungen für Solarparks. In Griechenland geht einiges voran, obwohl die Finanzierung für Projekte schwierig bleibt. Italien entwickelt sich moderat. In Frankreich, Skandinavien und Polen steigt die Nachfrage nach Photovoltaik kontinuierlich an.
Und außerhalb von Europa?
Südamerika, Afrika und insbesondere die Mena-Region schauen wir uns genau an. Die USA sind gerade etwas schwierig, der Markt wird aber von Japan aus bedient.
Das Gespräch führte Niels Hendrik Petersen
Zur Person: Peter Thiele ist President bei Sharp Energy Solutions Europe, Sharp Electronics. Er hat die Entwicklung der Solarindustrie von Anfang an miterlebt. Seit 1996 arbeitet der studierte Elektrotechniker bei Sharp.