Spätestens mit dem heutigen Inkrafttreten des Pariser Klimaschutzabkommens stellt sich die Frage, wie die ambitionierten Ziele zu erreichen sind? Mit der derzeitigen Politik wird Deutschland dazu nichts beitragen, sondern die Zielerreichung eher sabotieren. Die Energy Watch Group und ASPO Deutschland legen deshalb Vorschläge auf den Tisch, wie Deutschland zur Umsetzung des Klimaschutzabkommens beitragen kann.
Kurz vor dem nächsten Klimagipfel in Marrakesch, der am Montag beginnt, ist das Klimaabkommen, das in Paris Ende vergangenen Jahres ausgehandelt wurde, in Kraft getreten. Damit verpflichten sich erstmals alle Länder der Erde, Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen. Das Ziel: Der Temperaturanstieg auf der Erde soll auf maximal 1,5 Grad Celsius beschränkt werden.
Doch um die Umsetzung dieser Ziele steht es zumindest in Deutschland derzeit ganz schlecht und auch die Europäische Kommission tut derzeit alles, um die Ziele zu verfehlen. Zumindest was die Energiewende betrifft, steht die Kommission in Brüssel kräftig auf der Bremse und mit der in den Raum gestellten Beendigung des Einspeisevorrangs für Ökostrom macht sie eher einen Schritt zurück als vorwärts.
Vom Vorreiter zum Bremser entwickelt
Auch Deutschland hat sich vom Vorreiter der Klimapolitik zum Bremser entwickelt. So zumindest lautet der Titel einer Studie, die die deutschen Sektion der Assotiation for the Study of Peakoil and Gas (ASPO) zusammen mit der Energy Watch Group erstellt hat. Der Inhalt fördert die desaströse Klimaschutz-, Umwelt- und Energiepolitik der letzten beiden Legislaturperioden zutage. Denn tatsächlich sind die Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2009 drastisch zurückgegangen. Doch seither stagniert die Senkung. Auf diese Weise wird Deutschland seine selbst gesteckten Klimaschutzziele verfehlen. Das gilt nicht nur für die ambitionierten Ziele, die in Paris im vergangenen Jahr beschlossen wurden, sondern auch für die weniger hoch gesteckten Ziele die sich die Bundesrepublik im Jahr 2010 gesetzt hat.
Damals ging es darum, den globalen Temperaturanstieg auf höchstens zwei bis 2,4 Grad Celsius zu begrenzen. Dazu sollen die Emissionen von Treibhausgasen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 sinken. Grundlage dieses Plans war der Ausstieg aus der fossilen und der Einstieg in die erneuerbare Energieversorgung. „Sechs Jahre später ist festzustellen, dass die nationalen Emissionen nur geringfügig zurückgegangen sind und dass der vorgegebene Emissionsminderungspfad seit 2010 in jedem Jahr überschritten wurde – 2015 mit knapp neun Prozent sogar deutlich“, fassen die Autoren der Studie das Desaster zusammen.
Kompletter Umstieg auf Erneuerbare
Die größten Probleme hat die Bundesregierung dabei nicht etwa – wie anzunehmen wäre – bei der Wärmebereitstellung, sondern vor allem in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft und Stromerzeugung, die 2015 um 24 bis 43 Prozent über dem Zielpfad des Energiekonzepts liegen.
Nun hat die Bundesregierung mit dem Wissen um das verheerende Ergebnis bei der Umsetzung des ersten Klimaschutzplans aber die in Paris vereinbarten Klimaschutzziele unterzeichnet und der Bundestag hat dem zugestimmt. Doch wenn die Bundesrepublik selbst die schwachen Ziele aus dem Jahr 2010 verfehlen wird, wie es die Studie nachweist, kann es Deutschland kaum schaffen, die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. „Die deutlich ambitionierteren Zielen des Pariser Abkommens sind nun zusätzliche Maßnahmen in erheblichem Umfang nötig, deren Ziel eine Nullemissionswirtschaft bis 2030 sein sollte“, erklärt Jörn Schwarz, Autor der Studie und Vorsitzender der ASPO Deutschland. „Mit dem heutigen Inkrafttreten des Pariser Abkommens müsste die Bundesregierung ihr ‚Energiekonzept und ihre Klimaziele‘ völlig neu schreiben“, ergänzt Hans-Josef Fell, Präsident der EWG und Mitautor der Studie. „Eine Minderung der nationalen Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent bis 2050 im Vergleich zu 1990 ist komplett ungeeignet, um die Pariser Ziele zu erreichen.“ Zumal die momentanen Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung noch nicht einmal mehr zu zu nennenswerten Emissionsminderungen führen.
Klimaschutz muss Verfassungsrang bekommen
Das geht nur, wenn die Energiepolitik der Bundesregierung eine prompte Kehrtwende hin zur regenerativen Strom- und Wärmeerzeugung und hin zur Elektromobilität erfährt. Danach sieht es aber derzeit nicht aus.
Fell betont, dass die globale mittlere Erdoberflächentemperatur derzeit sprunghaft wie nie zuvor ansteigt und schon heute die immensen Auswirkungen zu beobachten sind, die noch stärker werden, wenn die Temperatur tatsächlich weiter ansteigt. Er fordert deshalb Maßnahmen, die die Temperatur auf der Erde auf das vorindustrielle Niveau senken. Die Autoren der Studie schlagen dazu Schritte vor, die zu unternehmen sind, um dieses Ziel zu erreichen. So ist ein vollständiger Umstieg auf die regenerative Energieerzeugung und eine konsequente Kreislaufwirtschaft notwendig. Zudem müsse der Klimaschutz in die Verfassung aufgenommen werden und die Wirtschaft muss mit Anreizen dazu gebracht werden, in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren. Zudem sollten Forschung und Bildung auf dem Sektor des Klimaschutzes gezielt gestärkt werden. (Sven Ullrich)