Europa kann seine Energieproduktion fast zur Hälfte mit von Bürgern finanzierten und betriebenen Erzeugungsanlagen bestreiten. Immerhin könnte jeder zweite Bürger der Europäischen Union zum Energieerzeuger werden, wenn die Politik ihre Blockadehaltung aufgibt.
In Europa schlummert ein riesiges Potenzial für die Beteiligung von Bürgern an der Energiewende. Das haben die Analysten des unabhängigen niederländischen Forschungs- und Beratungsinstituts CE Delft herausgefunden. Durch die Beteiligung an einer Photovoltaik- oder Windkraftanlage oder die private Installation eines Photovoltaikgenerators könnten die Bürger der EU bis 2050 etwa die Hälfte der gesamten Stromproduktion in den 28 Mitgliedsstaaten bestreiten. Bis dahin – so der der Plan der Europäischen Kommission – soll die gesamte Stromerzeugung in der EU ohne Treibhausgasemissionen auskommen.
Hier eingerechnet sind Privathaushalte, Bürgerenergievereinigungen oder andere kollektive Beteiligungsgesellschaften, kleine und mittlere Unternehmen, die jeweils weniger als 50 Mitarbeiter beschäftigen, sowie öffentliche Einrichtungen wie kommunale Behörden, Schulen, Krankenhäuser und Regierungsgebäude. Die andere Hälfte kann dann von Stadtwerken oder anderen kommunalen Energielieferanten oder großen Energieversorgern erzeugt werden.
Private Anlagen dominieren bei der Photovoltaik
Konkret haben 113 der 216 Millionen Haushalte in der EU die finanzielle und logistische Möglichkeit, selbst zum Energieproduzenten zu werden. Sei es aufgrund der Installation einer eigenen privaten Erzeugungsanlage oder der Beteiligung an eines kollektiv finanzierten und betriebenen Generators. Dabei spielt die Photovoltaik vor allem eine entscheidende Rolle bei der Beteiligung von privaten Haushalten durch die Installation des Generators auf dem eigenen Hausdach. So werden 2050 gut 60 Millionen Haushalte in der Europäischen Union eine Solaranlage auf dem eigenen Hausdach betreiben. Aber auch kollektiv finanzierte und betriebene Solaranlagen werden eine große Rolle bei der Stromproduktion der Zukunft spielen. Nur ein kleiner Teil der Stromerzeugung aus Photovoltaik wird dann auf kleine und mittlere Unternehmen zurückgehen und auch die öffentlichen Einrichtungen werden hier eine eher kleine Rolle spielen. Immerhin 200 der Terawattstunden Solarstrom werden ab 2050 von den Investoren erzeugt – vorausgesetzt, die Politik gibt endlich ihre Blockadehaltung gegen die dezentrale Energiewende auf.
Kleine unternehmen investieren in Windkraft
Das Szenario bei der Windkraft sieht anders aus. Fast zwei Drittel diese Anlagen wird vor allem von den kleinen und mittleren Unternehmen installiert. Das verbleibende Drittel besteht dann aus kollektiv finanzierten Anlagen. Insgesamt wird 2050 die Stromerzeugung aus bürgerfinanzierten Windkraftanlagen bei etwa 940 Terawattstunden liegen. Insgesamt werden 64 Millionen europäische Haushalte an einer Ökostromanlage beteiligt sein und so zum Stromerzeuger werden. Außerdem gehen die Wissenschaftler des CE Delft davon aus, dass fünf bis sechs der 20 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen in der Europäischen Union aktiv an der Stromproduktion in der Gemeinschaft teilnehmen werden. Dazu kommen noch 400.000 öffentliche Einrichtungen, die vor allem auf Solaranlagen auf und an ihren Gebäuden setzen.
42 Millionen stationäre Speicher prognostiziert
Der Umstieg auf volatile Energiequellen wie Sonne und Wind erfordert aber noch eine weitere Komponente, um das Stromsystem stabil zu halten. Hier spielen vor allem Speicher – sowohl elektrochemisch als auch Wärme- und Gasspeicher – eine entscheidende Rolle. Diese sind eng verbunden mit der Laststeuerung. So prognostizieren die Delfter Analysten, dass im Jahr 2050 etwa 133 Millionen europäische Haushalte die Stromnachfrage mit Elektroautos, Stromspeichern oder elektrisch betriebenen Heizungsanlagen steuern können. Immerhin werden 115 Millionen Haushalte ein Elektroauto besitzen, 70 Millionen werden ihr Warmwasser mit kleinen Elektroboilern bereiten und in 42 Millionen Haushalten wird eine stationäre Batterie stehen. (su)